Seine Ost-PEN-Mitgliedskarte nagelte Wolf Biermann einst von außen an die Tür seiner Wohnung in der Berliner Chausseestraße 131. Die Botschaft war klar: Hier endet die Macht aller Spitzel! Biermann liebt solche plakativen Zuspitzungen, heute ist er Mitglied im eher kleinen Exil-Pen, in dem sich ausländische Autoren in Deutschland versammeln. Auch wieder ein starkes Symbol. Liegt es da nicht nahe, der Einlasskontrolle zur Ausstellung Wolf Biermann. Ein Lyriker und Liedermacher in Deutschland meinen eigenen PEN-Ausweis entgegenzuhalten, zwecks freiem Eintritt? – „Kenn wir nich, damit komm se hier nich rein!“
So ist das mit den starken Symbolen, die von gestern sind heute oft schon verblasst. Hilft dagegen die Übersiedlung ins Museum? Der einstige St&
t dagegen die Übersiedlung ins Museum? Der einstige Störenfried zur ewigen Ruhe gebettet – so ganz jedenfalls kann die von Monika Boll kuratierte Ausstellung diesen Eindruck nicht entkräften. Ja, die Vergangenheit ist interessant, gerade bei Biermann, die Gegenwart eher weniger. Auftrittsmensch ist Wolf Biermann bereits als Dreizehnjähriger. Und provoziertAber zum Verständnis der Gründungsidee der DDR und ihrer dann immer tristeren Realisierung ist seine Biografie nach wie vor ein zentraler Schlüssel. Am 26. Mai 1950 beim Weltjugendtreffen in Ost-Berlin war die Welt für den Hamburger Pionier Wolf Biermann noch in Ordnung: Er ist stolz auf sein blaues Halstuch und verliest – Auftrittsmensch ist bereits der Dreizehnjährige – eine Grußbotschaft der Hamburger Delegation an Wilhelm Pieck, den Präsidenten der DDR. Nur im Gleichschritt marschieren, das werden die Hamburger nicht, niemals, die Nazis seien im Gleichschritt marschiert, aber das sei vorbei. Biermann provoziert von Anfang an. Placeholder image-1Drei Jahre später wird er gleichsam ins Gelobte Land geschickt. Das ist die DDR und hier gilt es den Kommunismus aufzubauen. So jedenfalls will das seine Mutter Emma im Andenken an Wolfs Vater Dagobert Biermann, Kommunist und Jude, der 1943 in Auschwitz ermordet wurde. Wolf kommt nach Gadebusch in Mecklenburg aufs Internat, da sieht die DDR noch mehr nach Provinz und Stalin aus als anderswo.Das Abarbeiten von Lebensstationen als Ausstellungsprinzip war zu erwarten, mit der Ausbürgerung aus der DDR 1976 als fatalem Höhepunkt – weder Biermann noch die DDR waren danach mehr die gleichen. Beide, so kann wohl sagen, erholten sich nicht mehr davon. Aber Biermann ist nie vergessen worden, man muss ihn – im Unterschied zu anderen – nicht neu entdecken. Dennoch scheint die Ausstellung erstaunlich gut besucht. Die hochdramatische Existenzthematik der DDR kulminiert offenbar für viele in der Biografie Biermanns.Die enge Verbindung zu Margot Honecker wird beiseitegelassenAllerdings wird hier manches beiseitegelassen, was den Biermannkenner interessiert, etwa seine enge Verbindung zu Margot Honecker, die sich als junges Mädchen eine Zeitlang bei Biermanns Oma Meume versteckt hielt (die ganze Familie war Hamburger Kommunistenadel). Zu Biermanns Ersatzvater Robert Havemann müsste man vieles sagen, doch erklärt wird hier wenig. Fast nicht vor kommen andere, wie der Fotograf Roger Melis (der allerdings in Biermanns Autobiographie ganz fehlt), von ihm stammen die ikonographischen Biermannfotos, mit denen dieser berühmt wurde, oder der neben Havemann engste Freund, der Maler und Filmemacher Jürgen Böttcher (Strawalde).Placeholder image-2Die Ausstellungsarchitektur schafft immer wieder geschlossene Räume, die sich dann überraschend öffnen. Auch audiovisuell kann sie punkten. Hier sieht und hört man tatsächlich Neues. Denn nachdem Biermann das Studium der politischen Ökonomie 1957 abgebrochen hat, wird er Regieassistent bei Helene Weigel am Berliner Ensemble. Und tatsächlich hat sich eine Proben-Filmsequenz erhalten, in der Biermann mit Helene Weigel auf der Bühne zu sehen ist, er in devoter Assistentenpose. Oder eine Aufnahme aus dem DDR-Fernsehen von 1961. Hier stellt Hanns Eisler das junge Talent Wolf Biermann vor. Der Wolf hat Kreide gefressen und korrigiert sein Spiel brav nach des Meisters Vorgaben. „Wunderbar“, so Eisler, solch ein Talent sei ihm lange nicht begegnet. Bald wird er auch in dem im Osten viel gelesenen Magazin als Entdeckung präsentiert, zusammen mit Manfred Krug. Magazin-Chefredakteurin war Hilde Eisler, die Frau von Hanns Eislers Bruder Georg Eisler – allesamt mussten sie vor McCarthys Kommunistenverfolgung aus den USA fliehen.Der Abend, an dem ein Stern namens Biermann geboren wirdSeinen Durchbruch hat Biermann dann am 11. Dezember 1962, auf dem von Stephan Hermlin initiierten Lyrikabend der Akademie der Künste, wo auch Volker Braun, B.K. Tragelehn oder Sarah und Rainer Kirsch erstmals auftreten. An diesem Abend wird ein Star geboren und der heißt Biermann. Jetzt ist er gar nicht mehr assistentenhaft brav, sondern hochgradig frech, von seiner poetischen Sendung erfüllt. Wir hören ihn sein Gedicht An die alten Genossen sprechen, ein Beitrag zum ewig gleichen Generationenkampf. Oder welche Sechzigjährigen möchten sich heute dies gern von einem Mittzwanziger sagen lassen: „Setzt eurem Werk ein gutes Ende, indem ihr uns den neuen Anfang lasst“? Das 11. ZK-Plenum der SED im Dezember 1965 wurde zum Totalabsturz der DDR-Kulturpolitik, Biermanns Ausbürgerung und was dieser noch folgte, waren nur die Spätfolgen davon. Am 1. Dezember 1989 sang er erstmals wieder im Osten, in Leipzig: „Verkauft nicht die ganze bankrotte DDR“ – aber schon da merkte er wohl, dass er nicht mehr derjenige war, auf den man im Osten gewartet hatte. 1976 aber war er noch Hoffnungsträger unter jungen Ost-Intellektuellen für einen demokratischen Sozialismus gewesen – Zeilen wie „Den roten Stein der Weisen ... Genosse, auch du du hast ihn nicht gefunden“, prägten eine Generation. Heute hat man mitunter den Eindruck, Biermann habe ihn doch gefunden, aber er ist nun nicht mehr rot.