Fräulein Tafimas Gespür für Liebe

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Liebe Tafima ! http://kyf.net/freitag/img/tafima.gif

Meine Hand zittert… Ich konnte die letzte Nacht nicht einschlafen, Gedanken gingen mir durch den Kopf, die ich später nun endlich auf Papier schreiben kann. Die ersten Seiten liegen schon mehrfach auf dem Boden, zerknüllt, es fällt mir schwer, die richtigen Worte zu finden.
Man muss Liebesbriefe nicht ankündigen, man kann sie auch nicht erklären, sind sie doch etwas schwieriger als ein dokumentierter Tagesablauf in Minuten oder Stunden, in Hell oder in Dunkel, mit Sonne oder Regen. Es kommt mir wie ein Kunstwerk vor, ein Bild, das mehrfach übermalt wird, an dem man vorsichtig umherkratzt, um die Wahrnehmungen darunter zu finden. Man könnte es auch als Liebeskrätze bezeichnen, die bleiben, den ganzen Tag. Ich wiederhole die Bilder einer Ausstellung, höre die Musik dazu, Sätze zerbrechen in Worte, ich sortiere jede Zeile neu, mehrmals.
Ich schreibe Dir einen Abschiedsbrief. Nur Freund sein will ich nicht, ich will nicht nur über Wind und Wetter schreiben müssen… Diese Belanglosigkeit macht mich krank.
Es war eine schöne Zeit, die vor Jahren begann. Wir wussten, dass wir uns vielleicht nie wieder sehen würden. Ich schrieb mir nur kurz Deine Anschrift auf und begann schon den ersten Brief zu zeichnen. Ich schrieb ihn wirklich noch während Deiner Heimfahrt. Es waren viele Seiten, die ich mehrfach und immer wieder las, um dann endlich den Umschlag in den gelben Kasten zu werfen, der mir immer wichtiger wurde. Ich kannte die Zeiten und die Tage auswendig, wann die Post die Schicksalsschreiben in den Sack der Brieftaube fallen lässt. Ich habe versteckt gewartet, um zu sehen, ob die Brieftaube auch wirklich fliegt. Das Schreiben wurde immer wichtiger. Jeder Tag war wichtig, Du wusstest nach 4 Seiten immer noch nicht, wie bei mir das Wetter war…
Und Deine Briefe? In den Mittagspausen habe ich mich aufgemacht, um nachzuschauen in der Post. Täglich kamen die geliebten Worte, die ich in Stunden einrahmte. Beim Öffnen viel mir immer ein Duft entgegen. Du wolltest Deine Einmaligkeiten so einmalig machen, dass Du Deine Briefe parfümiert hast. Der Geruch würde mich heute überall tief treffen. Ich würde mich hinlegen und schlafen wollen und mir das Gemalte anschauen, was Deine Briefumschläge geschmückt hat .
Ich möchte es Dir immer wieder schreiben… Deine Briefe haben mich oft gerettet, wenn Mauern zu hoch, die Luft zu knapp, der Lärm zu laut… waren. Dass Worte stürmen können, wurde mir hier immer wieder klar .
Es blieb immer beim Schreiben. Irgendwann wird man das Telefon benutzen können ohne Anmeldung, man wird fahren können ohne Grenzen, die Zeit wird eine Besuchszeit überflüssig machen. Doch solange können wir nicht warten. Unsere Besuchszeit war zu kurz.
So füllen wir einen Karton mit Seiten aus dieser Zeit. Wir werden nachlesen, vielleicht auch mal vorlesen. Alles wird sich ändern, manches aber nicht. Irgendwann will ich Dich vielleicht mal sehen, später ,wenn Du und ich ohne Briefe leben, wenn wir uns denken, man hat es verlernt, nur wir nicht . Wir könnten sofort wieder schreiben, wenn die Telefone schweigen, die Grenzen geschlossen, die Wetter nur Wetter sind .

Ich danke Dir und umarme Dich.

A.

“Nimm ein geschriebenes Wort mit auf die Reise ,
ein gedrucktes zerbröselt im Wind.”
http://kyf.net/freitag/utb.php?d=24.04.2010-1

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Gustlik

aufgedacht und nachgeschrieben

Gustlik

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden