Franz Josef Degenhardt

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Es wundert mich fast ein wenig: Der Tod von Franz Josef Degenhardt hat mich während der ganzen Woche sehr oft beschäftigt. Lange hatte ich nicht mehr oder nur noch sporadisch an ihn gedacht, ab und zu mal via iphone die "Schmuddelkinder" angehört. Ab und zu fragte ich, was er wohl machen, wie es ihm gehen möge mit fast 80 Jahren.

Dann kam die Todesnachricht und ich war betroffen wie schon lange nicht mehr bei einer solchen Nachricht von einer öffentlichen Person. Mit Freude und Verwsunderung las ich all' die positiven Nachrufe in den diversen Zeitungen. War FJD doch in den Massenmedien seit langer Zeitso gut wie nicht mehr präsent, vom Run dfunk und Fernsehen ganz zu schweigen. Und da fiel mir wieder ein, wie wichtig er für mich in den sechziger und siebziger Jahren war, für meine poltisch-kulturelle Sozialisation.

Ich wohnte in den 60ern in einer kleinen ostfriesischen,damals stockkonservativen Stadt. Ein junger, von seiner Kirche zu uns strafversetzer Pfarrer sagte mir damals: "Höre dir mal was von Degenhardt an." Der Name sagte mir 15, 16jährigen nichts. Ich hörte ihn mir an und war angetan, verstand manches gar nicht, anderes nur aus dem Bauch, der Intuition heraus. Beim "Deutschen Sonntag" fiel mir mein allwöchentlicher Wittmunder Sonntag ein...

Ich kaufte mir in der Folgezeit jede neue LP von FJD, pilgerte später, als ich im Ruhrgebiet wohnte, in viele Konzerte von ihm und führte später mehrere Interviews mit ihm, als ich angefangen hatte, hin und wieder Zeitungsbeiträge zu schreiben. Dieser Tage fällt mir vor allem ein Besuch bei ihm in Quickborn Mitte der 70er ein. Lange spazierten wir durch die nähere Umgebung des Ortes und unterhielten uns über dies und das. Viele Inhalte weiß ich heute nicht mehr, aber etwas von der Atmosphäre hat sich bildhaft erhalten.

Später wurde FJD mir oft zu plakativ, zu DKP-affin (er wurde ja auch deren Mitglied), in Gesprächen war er allerdings viel differenzierter. Sein 68er-Mantra, "Zwischentöne sind bloß Krampf im Klassenkampf", hat er in späteren Jahren zurückgenommen, das drückte sich dann auch in den Kompositionen aus. Was für mich blieb und bis heute bleibt, sind seine unglaublich guten frühen Lieder, diese Sprach- und Bildgewaltigkeit, dieses phantastische Sezieren der frühen Bundesrepublik. Leider kenne ich das Spätwerk nicht,werde es sicher nachholen.

Schön finde ich, was Klaus Hoffman auf seiner Homepage zum Tod von FJD bemerkt, er wäre nämlich viel weiter als manche 68 gewesen, lebendiger, französischer und: er fehle ihm schon seit Jahren.

Es ist an der Zeit, sich diesen großartigen Chronisten mal wieder in aller Ruhe anzuhören.

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Geschrieben von

H.Hesse

"Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen." Pablo Picasso

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