Alle Tradition auf den Prüfstand (b)

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die Hauptwörter

wenn die bezeichnung einen sinn haben sollte, dann doch wohl diesen:
1. hauptwörter sind komposita mit dem bestimmungswort "haupt-". beispiele: hauptaufgabe, hauptaugenmerk, hauptbahnhof, hauptberuf, hauptdarsteller...
alle haben sie die bedeutung, eine person oder sache als die wichtigste herauszuheben. demnach wäre ein hauptwort:
2. das wichtigste wort. aber warum? und in welchem satz, text oder kontext?
der duden bleibt die antwort schuldig, deutet sie nicht mal an:
"[im 17. Jh. in die grammatische Terminologie eingeführt] (Sprachw.): Substantiv."
da stehts, wenn auch unausgesprochen: das hauptwort ist eine erfindung des barock, und die hervorhebung der hauptwörter durch die großschreibung eine barocke mode-erscheinung. im zeitalter des absolutismus musste ein wort über alle anderen herrschen. angeblich fehlte den kleingeschriebenen wörtern die substanz der substantive.
aber der erhebung einer wortart zum häuptling unter den übrigen wortarten, zum könig, zum kaiser, zum götzen ist durch die neuere sprachwissenschaft längst der boden entzogen. nur haben die lexiker das noch nicht realisiert. zur freude der traditionalisten. eine reform der rechtschreibung, wenn sie denn mehr sein soll als die bekannten reförmchen, kommt um diese einsicht nicht herum.
kurz: die bezeichnung hauptwort ist eine bloße behauptung, für die spachwissenschaftlich jeglicher beweis fehlt.
mit dieser hohlform sich abzufinden, ja, sie zu verteidigen, ist eine besonders deutsche leistung, nachdem die dänen nach der deutschen besatzung sich eines besseren besannen.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

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