Die größten Tiere

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ein pferd, gnu, zebra usw. tritt in der ruhigsten gangart mit einem viertel seines gewichts den boden. für kleinere tiere ist so ein tritt tödlich. mäuse und eidechsen huschen aber meist rechtzeitig zur seite. wenn die großen tiere aber mal so richtig auf trab kommen, und zwar womöglich gleich en masse, schrumpft die überlebenschance für die kleinen auf einen wahrscheinlichkeitswert bei null, es sei denn, sie flitzten noch beizeiten tief genug unter die erde oder hoch genug auf einen baum.

menschen beneiden die großen tiere, wie seinerzeit zu hören im song mit peter alexander: "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere ... ". doch vor allem bewundern und fürchten menschen die großen tiere. in der natur, in der gesellschaft und sogar im jenseits.

die steppenbewohner innerasiens zähmten vor gut dreieinhalbtausend jahren das pferd. indem sie die kraft und schnelligkeit der großen tiere nutzten, wurden sie selbst zu herrschern über weltreiche. so wuchs der zweibeiner weit über seine begrenzte kraft hinaus und wurde selbst zum gegenstand der bewunderung und furcht wie ein großes tier. im westen des doppelkontinents eurasien gelang es ein halbes jahrtausend später, noch größere naturkräfte zu beherrschen als tausend pferde. maschinen begannen, die stärksten tiere zu verdrängen im dienst des menschen. herrschaft ist ohne die (un)tiere undenkbar.

die größten (un)tiere aber sind weder weltraumraketen noch braunkohlebagger. die allergrößten (un)tiere sind die zusammenschlüsse vieler (teil)menschen zu superorganisationen. zu staaten, heeren, kirchen, konzernen, verbänden. nur bonsai-staaten, -heere, -kirchen, -konzerne, -verbände kann mensch bewundern und meinetwegen auch lieben nach herzenslust, fürchten muss er sie nicht.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

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