Faules Osterei

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das unfehlbare oberhaupt der römischen kirche hat sich zu ostern nicht über eier geäußert, auch nicht über die ovulation, sondern über die evolution.

frage: hat der mann etwa außer theologie noch biologie studiert?
das ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. sonst hätte er nicht solchen stuss von sich gegeben in der osterbotschaft.

der teutsche papst habe gesagt, melden die medien, der mensch sei kein zufälliges produkt der evolution.
die medienmeute macht die meldung, weil sie unkritisch ist oder sein muss. schließlich sind die meisten medien entweder in privatbesitz oder aber vom proporz geknebelt.

andernfalls hätte der journalist, hätte der redakteur sich gefragt, was denn das unfehlbare oberhaupt der römischen kirche überhaupt zur evolution zu sagen hat. womöglich hätte die journalistin, hätte die redakteurin erkannt, dass hier im osterei verpackt der über 100 jahre alte streit um die evolutionstheorie fortgesetzt werden soll. und das, nachdem die beweislast durch die genforschung unüberwindlich erscheint.

sie hätten die anmaßung des hochdekorierten oberhaupts durch schweigen beantwortet. oder aber mit einem passenden kommentar versehen. aber nichts dergleichen geschieht.
das ist nicht nur unschön, sondern unerträglich.

nicht von ungefähr erdreistet sich jene inquisitorische institution, die evolution in frage zu stellen, die in ihrer langen und blutigen geschichte den kampf gegen die wissenschaft seit jahrhunderten führt. galilei musste widerrufen, was er über das sonnensystem geschrieben hatte. denn seine entdeckungen widersprachen der kirchlichen lehre.

darwin und seine evolutionslehre wurden angefeindet, konnten aber auf die dauer ebenso wenig unterdrückt werden wie galileis lehre. während aber die bahnen der planeten um die sonne heute, im zeitalter der weltraumfahrt, vom vatikan nicht mehr in frage gestellt werden, haben die angriffe auf die evolutionslehre von seiten der bibelfesten nie aufgehört, seien dafür die in den usa erfolgreichen kreationisten bekannt, seien es die reaktionäre in rom.

es gibt das menschenrecht auf freie religionsausübung. doch das heißt nicht, dass die oberpriester das recht hätten, die öffentlichkeit mit wahnvorstellungen zu traktieren, deren unhaltbarkeit längst erwiesen ist. solche verlautbarungen führen nämlich zu unnötigem streit und oft zu gewalt. merke: der wahn hat eine schwester, und die heißt gewalt.

unwissenheit schützt vor strafe nicht. medienleute, die solchen schwachsinn kolportieren, müssen belangt, zumindest gerügt werden. denn auch auf der andern seite hat die vervielfältigung der unwahrheit folgen.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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