Ökonomie und Ökologie konkret

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es hat sich herumgesprochen, wenn auch noch nicht bis in die berliner zentrale, dass einige firmen, vor allen der us-konzern exxon mobile, in nrw flözgas fördern wollen. die anträge der unternehmen sind, was die claims betrifft, längst vom zuständigen bergamt in arnsberg genehmigt, nach dem uralten bergrecht, das auf die interessen der industrie vor hundert jahren zugeschnitten ist und z.b. keine umweltverträglichkeitsprüfung vorsieht.

es gibt vor allem 2 gründe, warum die industrie erst jetzt interesse an der gasförderung bekundet: anders als bei der konventionellen erdgasgewinnung - man bohre eine blase im untergrund an und nutze das ausströmende gas - lässt sich das unkonventionell gelagerte erdgas nur durch ein teures und aufwendiges verfahren, genannt fracking, aus der erde holen. es ist nämlich fest im gestein in fein verteilten portionen eingeschlossen und muss also erschlossen werden. das geschieht durch eine art sprengung. unter sehr hohem druck wird ein gemisch aus millionen litern wasser, sand und chemikalien ins gestein gepresst. durch die dabei entstehenden sprünge und risse kann dann das gas zum bohrloch entweichen.

das teure verfahren ist inzwischen wirtschaftlich, weil die energiepreise kontinuierlich ansteigen und erdgas unter den fossilen brennstoffen ökologisch besser abschneidet als erdöl und kohle. in deutschland gehen die erdgasvorräte allmählich zur neige. flözgas soll die lücke füllen.

das umständliche frackingverfahren ist nicht ohne gefahren für die umwelt. und selbst wenn es flächendeckend angewendet würde, könnte es nur etwa 1% der gasimporte ersetzen.

jeder frackingvorgang ist ein kleines erdbeben, normalerweise aber kaum spürbar und harmlos. doch ausnahmsweise kann es ein echtes beben auslösen. so geschehen in niedersachsen. stärke 4,5 auf der richterskala.

durch die risse und klüfte im gestein können verbindungen entstehen zwischen frackingwasser in der tiefe und grundwasser in der nähe der erdoberfläche. das wäre eine katastrophe. trinkwasser würde verunreinigt und vergiftet, und zwar auf unabsehbar lange zeit.

eine andere schwierigkeit ist die bloße menge des frackingwassers, das zum teil im untergrund bleibt, zum teil wieder hochgeholt wird und "entsorgt" werden muss. in den usa legte man dafür sogenannte lagunen an, auffangbecken, die bei starkregen überliefen und die umwelt vergifteten.

wegen dieser und anderer unkalkulierbarer risiken beim erdgasfördern durch fracking hat das umweltministerium in nrw zur auflage gemacht, vor der genehmigung der probebohrungen eine wasserrechtliche prüfung durchzuführen.

im wasserrecht gilt der besorgnisgrundsatz, der besagt, dass ein eingriff nur dann genehmigt werden darf, wenn eine gefährdung des trinkwassers mit sicherheit auszuschließen ist. exxon-sprecher stahlhut wird aber nicht müde, vom restrisiko zu sprechen, das angeblich bei jedem verfahren besteht. und die erfahrungen aus den usa und niedersachsen haben gelehrt, dass das sogenannte restrisiko keine fiktionale kleinigkeit ist, sondern eine erntzunehmende größe.

ende märz haben nun alle wasserwerke des münsterlandes eine erklärung unterschrieben, worin der vorrang des trinkwassers vor allen wirtschaftlichen unternehmungen betont wird. der größte wasserversorger in nrw, die gelsenwasser ag, hatte schon vor monaten ihre ernste sorge über das vorhaben der flözgaserschließung im münsterland öffentlich geäußert.

auf dem 1. Aktionstag der bügerinitiativen gegen das gasbohren vorige woche in nordwalde (wo die erste probebohrung im münsterland geplant ist) sprach sich der vorsitzender von gelsenwasser, dr. scholle, ausdrücklich und nachdrücklich gegen das riskante fracking aus.

die landesregierung nrw hat angesichts der probleme erst einmal ein moratorium verkündet für die dauer einer studie zum thema unkonventionelle erdgasförderung durch fracking. die bürgerinitiativen werten die wartezeit bis ende des jahres als einen erfolg ihrer arbeit. denn urspründlich war die erste bohrung für anfang dieses jahres geplant.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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