Origami

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mal etwas positives aus japan in diesen tagen und wochen. die kunst des papierfaltens hat sich von japan aus über die ganze welt verbreitet. auch hierzulande gibt es wahre origami-meister.

eine ehemalige lehrerin hat es darin weiter gebracht als andere, die auch eigene modelle entwarfen und veröffentlichten. früher machte sie von ihrer kunst gebrauch im unterricht. nein, die dezernenten, schulleiter und professoren der didaktik, die den unterricht sahen, schafften es nicht, in einer schulstunde den kranich zu falten, den glücksbringer nach dem japanischen verständnis, den alle schüler/innen der klasse 5 nach dem vorbild der lehrerin fertigstellten und zum schluss der stunde gleichzeitig hochhielten und 'fliegen' ließen.

jetzt faltet die pensionärin weiter und verschenkt z.b. ein paar der süßen schühchen an junge mütter oder entzückte omas.

wahrscheinlich ist die tatsache, dass sie den umgang mit den schulkindern vermisst, ein motiv dafür, dass sie nie in die stadt geht, ohne einen vorrat an origamistücken eingesteckt zu haben.

und es vergeht kaum ein tag, dass nicht ein kind im kaufhaus oder auf der straße in der fußgängerzone weinend angetroffen wird. dann eilt die ehemalige lehrerin hin, um das kind, das vielleicht gerade gefallen ist, zu trösten.

sieh mal, ich hab was für dich, sagt sie auf deutsch, niederländisch, englisch oder französisch, je nach der sprache der begleitenden erwachsenen, und hält dem heuler eine fliegende taube oder einen bellenden hund aus papier hin.

der effekt ist jedesmal der gleiche. verwundert über die freundliche fremde, die ihm ein spielzeug anbietet, vergisst das kind augenblicks schmerz und kummer, nimmt das geschenk gerne an, oft spontan lächelnd durch die vertränten augen.

nicht nur das kind samt begleitung und die trösterin finden einen moment des friedens, auch die leute ringsum auf der straße oder im laden atmen auf und genießen die plötzlich eintretende ruhe, auch wenn sie die kunst des stillens durch origami gar nicht mitbekommen haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

h.yuren

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