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die alliierten siegermächte wussten, was sie taten, als sie das imperialistische nazideutschland in stücke schlugen und diese untereinander aufteilten. das war das beste mittel, die großdeutschen gefühle kleinzukriegen und flach zu halten.

das gegenbeispiel war zu besichtigen, als die sowjetunion zerfiel und dabei eine größere deutsche nation aus den teilstaaten ddr und brd abfiel. diese besonders im westen gefeierte wende war dem erstarken patriotischer stimmung günstig.

selbstverständlich hüteten sich die wortführer, in den verdacht zu geraten, sie wollten anknüpfen an den noch im bewusstsein schrecklich gegenwärtigen nationalwahn der vorväter. man gab sich betont gemäßigt patriotisch. das nüchterne wort vom verfassungspatriotismus machte die runde.
doch war, das sprach man schon offen aus, etwas mehr wertschätzung für das eigene, nun größere land erwünscht. nach dem blanken mangel in der kleineren brd zuvor schien das bekenntnis zur eigenen nation geboten im zuge der rückkehr zur europäischen normalität.

psychologisch doch ein wenig problematisch ist freilich die tatsache, dass die hinwendung zum national eigenen zugleich stets die tendenz zur abkehr vom großen ganzen impliziert. so wurde von politschwätzern zwar nicht schon wieder vom deutschen wesen geschwafelt, aber doch ungeniert ersatzweise die sogenannte deutsche leitkultur propagiert.

nach dem allenthalben unterschätzten gesetz der verteilung oder streuung rief das neugroßdeutsche selbstgefühl am negativen ende der skala der möglichkeiten unverblümte fremdenfeindlichkeit hervor. und in den folgejahren machten gewalttaten gegen vermeintlich nicht in die landschaft passende fremde bemerkenswerte schlagzeilen.
große emotionen im politischen raum schließen sich abreagierende niedere instinkte nicht aus, sondern ein.

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Geschrieben von

h.yuren

buchveröffentlichung 2017, KRAH - das rabentagebuch, 350 S., 8 fotos ISDN 978-3-945265-45-1; Tb. 15,-

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