Ach Louise!

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Fragen von Krieg und Frieden entzweiten die Weißenfelser Romantiker im Spätsommer 1822. Es ging um den Freiheitskampf des griechischen Volkes und in der literarischen Abendgesellschaft waren die Pazifistinnen in der Überzahl. Junge Lyrikerinnen käuselten ihre hübschen Näschen und warfen sich vielsagende Blicke zu: 'Ach meine Liebe, wenn du wüsstest, wie sehr ich unter dem Geschwafel dieser Blutsäufer leide!' Louise Brachmann kämpfte auf verlorenem Posten, noch nicht einmal die älteren Herren vom Punschtisch wollten in den Krieg ziehen. Nur Müllner stand ihr zur Seite, sonst emotional eher ein Klotz. Louise verstummte und verließ bald die unzugängliche Runde. Daheim ließ sie sich am Schreibtischchen nieder, entzündete die Kerzen und schrieb flammende Verse:

Wie? sollten sie zurück ins Elend sinken
Die kühnen Helden, deren edles Blut
Längst übersättigt Hellas Fluren trinken?
Wär’ dies der Lohn für solchen Heldenmut?

O schrecklich! wenn sie jetzt empor gerungen,
Zurück nun stürzten in des Elends Nacht,
Weil, nicht in unser Felsenherz gedrungen
Ihr Todesruf aus mörd’risch blut’ger Schlacht.

Wohl musst’ im martervollen Tod erblassen
Manch edler Mensch, floh mancher Geist zu Gott,
Weh! weil wir sie in tiefster Not verlassen.
Das Christenkreuz ward roher Feinde Spott! –

Ja Heuchelei ist’s, wenn bei toten Zeilen,
Wir stehn, von der Hellenen Wert entzückt,
Wenn jetzt ihr Volk wir nicht zu retten eilen;
Auf ewig sei ihr Lichterglanz uns entrückt!

Wer geht von blut’ger Henkershand zu sterben?
Voll Wunden schon die herrliche Gestalt,
Aus heißer Schlacht? Kühn trotzend dem Verderben
Im Feldherrnschmuck, von hehrem Glanz umwallt.

Ha, Christen sind’s! in edlem Kampf erlegen;
Von Mordsucht hingewürgt auf Hellas Flur.
Die rohen Henker, die die Qualen regen,
Empören nicht sie Volksrecht und Natur?
...

Das Blut, die Flammen, die zum Himmel lodern,
Unedler Säumnis klagen sie uns an!
Wird Rechenschaft die Gottheit von uns fordern,
Dass wir geflohn der Brüder Todesbahn?

Diese Zeilen sandte Louise dem 'Morgenblatt', wo sie auch bald erschienen. Lord Byron war da schon an die Seite der edlen Griechen geeilt und auch die Brachmann zog es nach Hellas. Als ehrenamtliche Pflegerin in den Lazaretten der Befreiungskriege verfügte sie durchaus über wertvolle Fähigkeiten. Doch ihre Pläne scheiterten daran, dass es in Griechenland keine nennenswerten Lazarette gab, wie auch Lord Byron bald schmerzlich erfahren musste. Das christlich-abendländische Sendungsbewusstsein wurde dadurch eher befeuert, auch die Weißenfelser Abendgesellschaft sammelte Geld. Louise gab viel zu viel, verschuldete sich dafür wohl auch bei Müllner, sie war eben eine hoffnungslose Romantikerin.

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Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

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