Hisst Flagge!

Drudenfüße Der Europarat suchte seit seiner Gründung im Jahr 1949 nach einem geeigneten Symbol für das zusammenwachsende Europa.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im August 1950 beriet der Europarat erstmals über die Schaffung einer eigenen offiziellen Flagge. Danach erreichten mehr als 200 Vorschläge die europäischen Gremien: Kreuze, Sonnen, Sterne, Dreiecke, Streifen, Balken, Lilien, Löwen, Adler, Ringe, Lorbeerkronen und Buchstaben, bevorzugt vor blauem Hintergrund.

In einem durchaus demokratischen Verfahren setzte sich 1953 der goldfarbene Sternenkranz vor einem Hintergrund in der Standardfarbe "Pantone Reflex blue" durch. Die Beratende Versammlung des Europarates bevorzugte zunächst eine Flagge mit fünfzehn goldenen Sternen auf blauem Grund, die die Zahl der damaligen Mitglieder des Europarates repräsentieren sollten. Die Bundesrepublik Deutschland protestierte, weil damit symbolisch das Saarland als eigener Staat anerkannt worden wäre. Frankreich hingegen konnte 14 Sterne nicht akzeptieren, weil es zu jener Zeit das Saarland dauerhaft aus dem bundesdeutschen Staatsgebiet herauslösen wollte. Die 13 schied als Unglückszahl aus, blieb nur noch die 12.

Um künftigen Streitigkeiten vorzubeugen, wollte der Europarat nun die 12 Sterne als unveränderliche Größe festlegen. Dazu musste er freilich tief in die Kiste mit der Zahlen- und Bildermystik greifen: die 12 Tierkreiszeichen, die 12 Monate des Jahres, die 12 Stunden des Tages, die 12 Apostel, die 12 Stämme Israels, die 12 Söhne Jakobs, die 12 olympischen Götter, die 12 Tafeln des römischen Rechts, die 12 Heldentaten des Herkules, das Produkt aus „Drei mal Vier“, wobei die Drei für die heilige Dreifaltigkeit und die Vier für die vier alchemistischen Elemente oder die Himmelsrichtungen steht. Bibelfeste Konservative erinnerten sich an die Offenbarung des heiligen Johannes (12.1):

Und es erschien ein großes Zeichen am Himmel: Eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen.“

In der dort beschriebenen Vision der Apokalypse taucht die jungfräuliche Gottesmutter Maria als Siegerin mit dem Mond unter ihren Füßen und mit einem Kranz aus zwölf goldenen Sternen über ihrem Haupt auf. Seit dem frühen Mittelalter wurden in Skulpturen und auf Gemälden immer wieder entrückt dreinblickende Madonnen mit Sternenkränzen dargestellt.

Den endgültigen Entwurf der Europa-Fahne legte der belgische Journalist Michel Gabriel Lévi vor. Nach dem II. Weltkrieg war Lévi zum Katholizismus konvertiert und wurde in Straßburg zum ersten Chef des Informations- und Pressedienstes des Europarats. Am 8. Dezember 1955, dem Feiertag der unbefleckten Empfängnis Mariens, wurde der von Arsène Heitz, einem Mitarbeiter Lévis, ausgeführte Entwurf durch das Ministerkomitee des Europarats angenommen. Zum ersten Mal feierlich gehisst wurde die Europafahne am 13. Dezember 1955 in Paris. Später wurde der Sternenkranz des Europarates auch von der EG und der EU übernommen. Ein Zeichen der Apokalypse wurde so zum Symbol der europäischen Einigung.

Gegen den ultrareligiösen Spuk soll man sich schützen können, indem man die Europafahne mit den fünfzackigen Sternen verkehrt herum aufhängt. "Alle Sterne stehen senkrecht, d. h. ein Zacken weist nach oben, während zwei weitere auf einer unsichtbaren Geraden ruhen, die die Senkrechte zum Fahnenschaft bildet", heißt es in der offiziellen Gestaltungsvorschrift der Europäischen Union. Um 180 Grad gedreht, werden die Pentagramme zu 12 Drudenfüßen. So könnte aus dem Triumphzeichen der Gottesmutter ein heimliches satanistisches Symbol werden. Aber daran kann man glauben oder eben nicht glauben.

Das Pentagramma macht Dir Pein? (G.)
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

hadie

Was die Arbeitnehmer jetzt brauchen, ist ein Rettungsschirm für die Portemonnaies. (Frank Bsirske)

hadie

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden