Nur mit seinen Händen!

Kurzgeschichte Nicht vor dem Schlafengehen oder dem Mittagessen lesen!

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Plötzlich sah er sie. Nicht weit entfernt trippelte sie mit leichtem Schritt. Er rieb die Hände und verspürte den Zwang, sich auf sie zu stürzen. Nein, er mußte sich beherrschen, sonst bemerkte sie ihn und floh. Er bewegte sich in ihre Richtung.

Wie wohl ihr Name war? Klara, Gertrud oder…? Er schaute sie von hinten an. Ihr Hinterteil war rund gewölbt und lief spitz zu. Martha entschied er. Er gab seinen Opfern immer Namen. Er brauchte diese persönliche Beziehung. Einmal hatte er vergessen, einen Namen zu geben. Die Tat hatte ihn hinterher gelangweilt. Es hatte der Kick gefehlt. Aber wenn sie einen Namen hatten, war er ihnen näher. Und näher wollte er Martha kommen. Sehr nahe.

Ahnungslos bewegte sie sich weiter, gefolgt von seinem Schatten. Leicht berührte der Schatten sie. Er zuckte zurück. Ob sie ihn gespürt hatte? Sie schritt ahnungslos weiter. Leicht streckte er die Hände, machte sie geschmeidig. Diese Hände sollte sie spüren. Oft hatte er überlegt, ob er ein Messer oder aber eine Axt nehmen sollte. Er schüttelte wieder den Kopf. Ihm schauderte. Das Blut würde spritzen und ihn eventuell beflecken oder er würde nur ein Loch in Marta erzeugen. Dabei suchte er doch die innige Nähe. Ein Hilfsmittel würde Abstand erzeugen.

Marta tänzelte weiter. Sie schien vergnügt zu sein. Er faltete die Hände und drückte sie weit auseinander. Er brauchte die Geschmeidigkeit seiner Hände, dann würde er auch Martha bekommen, wie er sie alle bekommen hatte. Martha hatte sich ein bisschen entfernt. Er wurde nachlässig. Schnell schob er sich näher an sie heran. Alle hatte er nicht zu fassen bekommen. Edith war ihm entfleucht, entflogen. Er lächelte. Edith musste noch sehr jung gewesen sein. Sie hatte noch einen kleinen zarten Körper, doch als er zugriff, entschwand sie. Stundenlang hatte er ruhelos nach ihr gesucht. Nichts.

Martha würde er fassen. Seine Hände streichelten sich gegenseitig. Er fing an, die körperliche Nähe zu Martha, zu suchen. Langsam schob er sich heran. Und wieder berührte, ja streichelte sein Schatten Martha. Sie beschleunigte ihren Schritt. Er fühlte das Herz schneller schlagen. Zart drückte er sich an die Wand. Erste Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn. Er näherte sich Martha. Sein Atem stockte. Die Hand streckte er in ihre Richtung. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Martha war stehengeblieben, vor ihm, in Reichweite.

Er zögerte noch, mußte kurz schlucken und dann schlug die rechte Hand erbarmungslos zu. Er ergriff Martha. Seine Hand erfasste Martha’s Körper. Sie zappelte, versuchte sich seinem Griff zu entziehen und strampelte. Ihr Körper entwand sich langsam der Umklammerung. Seine linke Hand krallte sich zusätzlich um ihren Körper. Martha war eingeschlossen. Sie surrte, schnurrte, kreischte und ihr ganzer Körper wehrte sich. Die Hände erhöhten den Druck. Der Schweiß bedeckte mittlerweile sein blutunterlaufendes Gesicht. Er spürte wie Martha in Todesangst sich aus der Umklammerung befreien wollte. Er drückte seine Hände stärker zusammen, bis sie sich weiß einfärbten. Und zärtlich, fast singend hörte er den Ton, diesen süßen Klang auf den er gewartet hatte. Dieses Knack, das immer entstand, wenn etwas zerbrach.

Er ließ sich gegen die Wand fallen, die Arme weit von sich gestreckt und öffnete die Hände. Er ließ das zerbrochene Opfer fallen und schloss die Augen. Sein Atem ging schnell. Er rieb seine Brust und sog die Luft kräftig ein, schloss den Mund und blies nach einer kurzen Pause den Inhalt der Lunge aus. Allmählich beruhigte er sich wieder.

Er öffnete die Augen und suchte nach dem Opfer. Da lag es. Nein, es schwamm in einer Brühe. „Mist“, entfuhr es ihm. Martha trieb zwischen Erbsen und Blumenkohl direkt auf eine Karottenscheibe zu. Ihr schwarzer Körper glitt durch die Fettaugen. Ihre durchsichtig schimmernden Flügel waren weit ausgebreitet. Ein Ekel stieg in ihm auf. Er schüttelte sich. Jetzt hatte er die verdammte Fliege in seine Suppe fallen lassen.

Borkhard Behrens-Bochem

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