Fundstück Nr. 28 - Georg Schramm

Politik/Kabarett Der "Weltbühne"-Nachfolger "Das Blättchen" brachte kürzlich ein langes Gespräch mit Georg Schramm. Hier ein Auszug vom Anfang und der Link zum ganzen Text.

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„Ich bin nicht die Therapie, ich bin der Schmerz.“
Im Gespräch – mit Georg Schramm

Nun ist doch ein anderer Bundespräsident geworden. Ihr Lothar Dombrowski war diesbezüglich ins Gespräch gebracht worden, und Sie sahen sich zu einem raschen Dementi veranlasst, bevor die Vorstellung noch Raum greifen konnte. Was sagt es aus über den Zustand einer Gesellschaft, in der eine solche Idee – den obersten politisch-kabarettistischen Zuchtmeister der Nation an die Spitze derselben stellen zu wollen – überhaupt in Erwägung gezogen wird?
Georg Schramm: Ich bin ja kein Einzelfall, und dergleichen wird heute keineswegs nur in Erwägung gezogen. In Reykjavik ist seit 2010, nach der für das Land katastrophalen Finanzkrise, Jón Gnarr Bürgermeister, der bekannteste Komiker des Landes. Der war mit seiner als Spaß gemeinten „Beste Partei“ auf Anhieb zweitstärkste politische Kraft geworden – nicht trotz, sondern wahrscheinlich gerade auch wegen seiner teilweise absurden Wahlversprechen. Und Beppe Grillo – ebenfalls ein Star aus dem komischen Fach – ist mit seiner „Fünf Sterne“-Protestbewegung auf dem besten Wege, die politische Landschaft Italiens auf eine konstruktive Art durcheinander zu bringen: Im Mai hat die Bewegung in Parma die erste Bürgermeisterwahl gewonnen und schaffte es in weiteren Kommunen bis in die Stichwahlen. Was das über den Zustand der Gesellschaft aussagt, liegt auf der Hand: Die etablierte politische Klasse hat bei den Bürgern auf gut Deutsch verschissen. Meine berufliche Perspektive allerdings sehe ich nicht in dieser Richtung.

Nicht mal in Ihrer Heimatstadt Badenweiler?
Schramm: Nicht mal dort. In Badenweiler würde ich keine Mehrheit gewinnen – und falls doch, müsste das schief gehen. Ich habe das abschreckende Beispiel eines Kollegen vor Augen, der in seiner Gemeinde nach einer jahrelangen Fehde mit dem Bürgermeister, einem Verwaltungsjuristen, selbst angetreten ist und in den Gemeinderat gewählt wurde. Der Bürgermeister hat ihn daraufhin zielgerichtet zu Tode gelangweilt. Der hat ihn mit Anträgen zur Gestaltung von öffentlichen Bedürfniseinrichtungen und solchen Fragen eingedeckt. Der Kollege hat nach wenigen Monaten entnervt das Handtuch geworfen.
Hinzu kommt, dass ich meine Grenzen kenne. Ich bin kein Multitalent. Das Ding auf der Bühne kriege ich ganz gut hin, aber schon beim Schreiben zum Beispiel bin ich sehr langsam und tue ich mich ausgesprochen schwer. Im Gegensatz zu Kollegen, die schreiben, singen und komponieren können, wenn’s sein muss, alles auf einmal, während der Bahnfahrt. Das kann ich nicht.

Trotzdem – der Gedanke „Dombroski for President“ hat was
Schramm: Nein. Der Bundespräsident ist, was die politische Macht im Lande anbetrifft, nicht einmal zweitrangig, und schon seine Wahl – das regelmäßige Parteiengeschacher um die Nominierung inklusive – ist eine Farce. Da wird über Bande gespielt, um der einen eins auszuwischen oder den anderen zu verhindern. Anders ist doch gar nicht zu verstehen, warum ausgerechnet die SPD einen Mann mit einer politischen Erdung wie Joachim Gauck präsentiert hat. Mit Werten und Inhalten hat das nichts zu tun. Und diejenigen Politheuchler, die in diesem Zirkus immer wieder besonders laut klagen, dass das Amt nicht beschädigt werden dürfe, gehören in der Regel auch noch zu den Hauptakteuren. Daran wollte und will ich mich nicht beteiligen. Tragikomisch ist ja allenfalls, dass die SPD-Spitze offenbar immer noch glaubt, der Gauck sei einer von ihnen.
Nicht zuletzt habe ich gesehen, wie die Medien mit Peter Sodann bei dessen Kandidatur umgesprungen sind. Das ist mir in unappetitlicher Erinnerung, und das wäre mir auch nicht anders ergangen. Die Spielregeln des Boulevards und der Talkshows stehen fest, die kann man als Einzelner nicht ändern.
Letztlich wäre ich der Kandidat nur einer Handvoll Menschen gewesen, und da der Präsident von der Bundesversammlung gewählt wird und nicht von der Bevölkerung, haben Versuche mit Minderheitskandidaten letztlich keinen Sinn. Sollte über das nominelle Staatsoberhaupt aber doch irgendwann das Volk entscheiden, ja dann müsste ich gegen den Kandidaten der Bild-Zeitung antreten, und das hätte schon wieder seinen Reiz.

Die geballte Medienmacht des Blättchens, das sagen wir schon jetzt zu, könnten Sie in diesem Falle zu Ihren Bataillonen zählen!
Schramm: Das ist sehr gut. Da wird Friede Springer richtig zittern, wenn sie das liest!

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Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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