Herr Augstein hat Recht

Mohammed-Film Etwas verspätet, aber um so mehr muss ich auf diesem Weg Jakob Augstein mal zustimmen.

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Ja, Herr Augstein, ich finde gut und richtig, was Sie in Ihrer Kolumne "Wem nützt die Gewalt?" bei Spiegel online geschrieben haben. Es sind aus meiner Sicht die richtigen Fragen. Der Rummel um Ihre Kolumne lässt mich den Kopf schütteln. Ebenso manche Äußerungen zum Thema auch auf dieser Plattform, die vor dem Untergang des Abendlandes warnen und schon die Islamisierung Europas am Horizont sehen.

Nein, mit Vernunft haben solche Reaktionen nichts zu tun. Da wird genauso irrational geschrieben und gewettert wie die Reaktionen vieler Muslime auf gezielte Provokationen wie diesen ominösen Film irrational sind. Kopfschüttelnd registriere ich, meist zufällig, welches Hohelied dabei auf die europäische Kultur angestimmt wird, sich u.a. auf Samuel Huntington berufend. Als wäre unsere Kultur irgendetwas Besseres, nur weil sie sich in ihrer Geschichte brutaler durchgesetzt hat. Dass sie selbst nur ein Gemisch verschiedenster Quellen und Einflüsse ist und was sie von anderen Kulturen aufgenommen hat, u.a. von der islamischen, wird dabei jedesmal weggelassen

Aber nein, ich will mich sinnlos empören über Äußerungen, die eigentlich nur ignoriert werden sollten, wenn dieses Gedankengut nicht so gefährlich wäre. Jene, die Imamen vorwerfen, zu Gewalt aufzurufen, betätigen sich selbst als geistige Brandstifter und stehen in einer unguten Tradition damit. Professor Gerd Althoff hat vor mehr als einem Jahr in der Berliner Zeitung auf "Das gewalttätige Erbe der Kreuzfahrer" hingewiesen. Das ist nur ein Beitrag, der daran erinnert, dass wir mit unserer europäischen Kultur und Geschichte nicht auf andere herabblicken sollten.

Auch ich kann mit meinen Texten nicht verhindern, dass immer und immer wieder soziale Probleme ethnisiert und religiös verbrämt werden. Aber schweigend hinnehmen, dass manchen dazu nur wieder einfällt, vor dem Untergang des Abendlandes zu warnen, nach dem den Kommunisten das schon unterstellt wurde und die aber selber untergegangen sind, das kann ich auch nicht. Sie pflegen am Beispiel Islam ihre tiefe Angst vor allem, was anders ist.

Zu den ethnisierten und religiös verbrämten ungelösten sozialen Problemen passt sehr gut Herrn Augsteins Frage "Wem nützt die Gewalt?" Denn wenn Menschen ihre Wut auf Andersgläubige richten anstatt auf jene, die für die schlechten Lebensumstände verantwortlich sind, dann nutzt das auch und insbesondere dem Westen, der seit Jahrhunderten so viel Unheil in der muslimischen Welt angerichtet hat. Aber ganz so unwissend und irrational scheinen die wütenden muslimischen Demonstranten nicht zu sein, wenn sie westliche Vertretungen angreifen ...

Und irgendwelche Extremisten finden sich immer, die andere aufstacheln. Dazu braucht es nur einen Hetzer. Das hat gerade die deutsche Geschichte gezeigt und Millionen mussten das mit ihrem Leben bezahlen. Große Teile des europäischen Kontinentes wurden dadurch zum zweiten Mal verwüstet. Die Frage ist immer die nach den Ursachen, nach dem Nährboden für Wut, Hass und Gewalt und wer für diesen verantwortlich ist. Aber das kann eben auch eine sehr unbequeme Frage sein.

Von denkenden Menschen erwarte ich eigentlich mehr Nachdenken statt pauschaler Vorurteile. Aber ich weiß, dass auch das nur ein frommer Wunsch ist ... Am Ende bleibt, was Herr Augstein feststellte: "Jeder sieht im Gegenüber das eigene andere. Drüben ist jederzeit die Wut abrufbar, hüben jederzeit die Verachtung."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hans Springstein

Argumente und Fakten als Beitrag zur Aufklärung (Bild: Eine weißeTaube in Nantes)

Hans Springstein

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