Die Gebühren sind tot,es leben die Gebühren

Bildungsdebatte Die Studienbeiträge in Bayern werden abgeschafft. Und schon fragt sich der Freistaat, ob man sie hätte behalten sollen. Ein Kommentar, wieso es ohne besser ist.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Schon Minuten nach dem Ende des Volksbegehrens zu den bayerischen Studiengebühren am 30. Januar entbrannte erneut die Diskussion über deren Nutzen in den Medien. Bis heute hält dieser mediale Flächebrand an, obwohl das letzte Wort schon gesprochen wurde - vorerst. Die Meinungen in den Medien überraschten: Sogar in taz und ZEIT finden sich Kommentar für die Beiträge. Christian Füller von der taz schreibt, Studiengebühren seien gerecht, können sozialen Ausgleich leisten und sogar für mehr demokratische Beteiligung sorgen. Die Argumentation stützt sich auf Statistiken, die beweisen wollen, nicht die Studienbeiträge seien für den ungleichen Zugang zur Bildung verantwortlich, sondern ein schwaches Schulsystem. Damit mag Füller Recht haben, allerdings steht sein Argument auf dünnem Eis: Denn selbst wenn Uni-Gebühren niemanden abschrecken, darf man sich fragen, ob Gebühren überhaupt einen Platz im Bildungssystem haben.

“Nicht mein Geld, nicht mein Ding.”

Ein weiteres Pro-Studiengebühren sei die Beteiligung der Studenten an der Entscheidung über die Gelder, schreibt Füller. So könne in Zukunft mehr demokratische Beteiligung unter den Studierenden erreicht werden. Die befindet sich nämlich in einer schweren Krise. Die bayerische Staatsregierung denkt sogar schon über die Abschaffung der studentischen Entscheidungsgremien nach. Da es sich bei Studiengebühren aber oft nicht um das Geld der Studenten, sondern das ihrer Eltern handelt, stellt sich die Frage, ob eine Änderung tatsächlich einen positiven Effekt in der demokratischen Beteiligung der Studierenden nach sich zöge. Frei nach dem Motto:”Nicht mein Geld, nicht mein Ding”.

Ruben Karschnick von der ZEIT argumentiert anders als sein Kollege: Bildung ist private Investition. Wer im Handwerk seinen Meister machen möchte muss dafür bezahlen. Ein kostenloses Studium sei also ungerecht gegenüber Nicht-Akademikern. Ein neues Gebührensystem müsse her, sagt Karschnick. Das muss aber einheitlich und gerecht sein. Verschiedene Maßnahmen privater Universitäten scheinen zu funktionieren. Dort zahlen Studenten ihre Gebühren nach dem Studium erst wenn sie genug Geld verdienen. Auch dieser Vorschlag ist aber zum Scheitern verurteilt und alles andere als gerecht. Anders als an vielen privaten Hochschulen sind die Verdienstmöglichkeiten nach dem Studium an staatlichen Hochschulen sehr verschieden. Eine Rückzahlung nach dem Studium würde bedeuten, den Arzt mit dem Sozialpädagogen und den Juristen mit dem Lehramsstudenten gleichzusetzen, genauso wie es bei den Studienbeiträgen bisher geschah.

“Wieso kommt das Geld nicht vom Staat?”, fragt Karschnick, bleibt aber eine Antwort schuldig. Füller ist da deutlicher. Es sei besser, die sowieso meist privilegierte Studentenschaft zur Kasse zu bitten, als den Staat bezahlen zu lassen. Der habe genug mit “benachteiligten Arbeiterkindern in Ruhrgebietsschulen” zu tun. Natürlich muss sich der Staat auch um die sorgen, aber eben auch um die Bildung.

Bisher keine ernst gemeinte Investitionen in Bildung

Sowohl Karschnick als auch Füller übersehen andere Ansätze. Wieso zahlen Handwerker für die Ausbildung und Eltern für Krippenplätze, wie es Karschnick anprangert? Wieso existieren Barrieren im Schulsystem, die den Zugang für Kinder aus bildungsfernen Schichten unnötig erschweren? Wieso die ganzen Ungerechtigkeiten im Bildungssystem? Der Staat schein mit seiner Aufgaben in der Bildung überfordert zu sein oder er will nicht mehr in Bildung investieren. Auch im bayerischen Landtag wird die Diskussion über Bildung und deren Finanzierung nie alt. Es herrscht Einigkeit: Es muss in Bildung investiert werden. Nur so bleibt Bayern, Deutschland, wettbewerbsfähig. Die politische Realität sah aber leider anders aus. Überall wurde gespart und reduziert. Als Folge davon bleiben die Klassenstärken in allen Schulstufen groß und in vielen Fachrichtungen herrscht Lehrermangel, auch wegen der verhältnismäßig niedrigen Bezahlung.

Vor wenigen Wochen dann informierte die Augsburger Allgemeine über die Einigung in der bayerischen Regierung: Die Studiengebühren gehen, aber auch Kindergärten und Meisterangebote sollen billiger werden. Die Universitäten sollen vom Staat volle Kompensation für den Ausfall durch die wegfallenden Beiträge erhalten. Markus Söder spricht gar von einem "historischen" Bildungspaket. Er rechtfertigte auch die Finanzierung des Pakets vor der Koalition: Man gebe nur Geld aus, dass man auf dem Konto habe. Der Pfad der "finanzpolitischen Tugend" werde nicht verlassen.

Aufbruch ins Bildungsparadies Bayern?

Ob es sich bei der Kehrtwende der CSU um eine populistische Wahltaktik oder einen ernst gemeinten Paradigmenwechsel handelt beleibt abzuwarten. Auch, wie es in Sachen Bildung im Freistaat weitergeht. Schon häufig wurde viel versprochen und wenig eingehalten.

Was die Zweifel Füllers und Karschnicks angeht fehlt es Bundeweit an ausgearbeiteten Lösunge. Aber warum nicht einfach die Steuern für Bestverdiener erhöhen? Das käme dem sozialen Ausgleich den Füller so energisch fordert gleich. Wieso nicht Meisterlehrgänge und Krippenplätze kostenlos anbieten? Das wäre gerecht und wäre sicher förderlich für die Bildung. Füller zitiert Marx (1875), um Studiengebühren (2013) zu rechtfertigen. Ein treffenderes Zitat scheint heute “Aus großer Kraft folgt große Verantwortung” zu sein. Das wusste Spiderman schon in der 60-er Jahren. Davon dürfen sich deutsche Politik und Wirtschaft eine große Scheibe abschneiden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden