Spirale der Kriegsgefahr

Botschaften brennen Das Signal macht uns die Entfremdung zwischen Mächten und den prekären Zustand der Demokratie bewusst. Obama könnte pro Demokratie handeln

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Die Metapher vom Pulverfass Nahost übersieht leicht jene Kräfte, die scheinbar zusammenhanglos aufeinander prallen. Die hysterischen Gewaltausbrüche dieser Tage im Feuerschein der brennenden Botschaften sind inszeniert. Ebenso das widerliche Video aus Kalifornien, das in der Manier des „Stürmer“ blindwütig gegen den Islam hetzt und so den passgenauen Impuls liefert für die von Al Kaida und Fundamentalisten jeder Couleur forcierte Gewalt in bloß zerstörerisch - selbstzerstörerischer Absicht. Es sieht so aus, als wären alle möglichen Kräfte damit beschäftigt, einen Flächenbrand zu entfachen – unschuldig schuldig.

Aber beim gebannten Blick auf die Gewaltexzesse übersehen wir die Gefährdungen unsrer Demokratie von innen her. Die seit geraumer Zeit beobachtete Entfremdung zwischen Israel und den USA ist in dieser Sicht Ausdruck der intern bedrohten Demokratie im weltweiten Maßstab. Das Verhältnis Israels zu weiteren Bündnispartnern zeigt uns Symptome von Demokratie-Defiziten. So steht das Säbelrasseln Netanjahus mit seinem Verweis auf die staatliche Souveränität nur scheinbar unverbunden der brüsken Rechtfertigung deutscher Waffenexporte nach Saudi Arabien und Ägypten durch den deutschen Verteidigungsminister gegenüber, der Interessen der Rüstungsindustrie als im deutschen Gemeinwohl wirkend ausgeben muss.

Hinzu tritt die schwieriger gewordene Legitimierung militärischer Abenteuer in den fortgeschrittenen Industriestaaten, die am liebsten Krieg mit unbemannten Drohnen führen wollen, um vor kritischen Fragen vermeintlich sich schützen zu können. Die Zurückhaltung der Obama-Administration bei der Frage kriegerischer Interventionen ist auch nicht originär demokratischen Erfordernissen und Strategien geschuldet, sondern trägt den veränderten machtpolitischen Konstellationen wie auch den negativen Stimmungen, die von der Wirtschaftskrise ausgehen, Rechnung. Kriegerische Gewalt für eine vermeintlich gute Sache zu inszenieren, mag flott von der Hand gehen - wie aber wieder unbeschädigt da herauskommen? Die Kontrolle über die eigene Handlungsfähigkeit könnte leiden und Allmachtsillusionen den Sinn für's Machbare zerstören.

Dem steht die Haltung jener Kräfte feindlich gegenüber, die in Obama den perfiden Abrüster amerikanischer Größe und Stärke sehen. Über ihn werden rassistische Vorurteile in Umlauf gebracht und vor allem die freche Behauptung verbreitet, er sei unfähig, der prekären Wirtschaft auf die Beine zu verhelfen. Aus der Sicht dieser Nostalgiker regiert ein gnädiger Gott über den hart erarbeiteten Wohlstand der guten Amerikaner, das Gefängnis über die wachsende Zahl der Taugenichtse und die Suppenküche als mildtätige Schwester über jene, die einfach Pech im Leben haben, und denen auch durch eine Pflichtversicherung für den Krankheitsfall nicht geholfen werden kann.

Norman Birnbaum vertritt in diesem Zusammenhang die These von einer rassistisch unterfütterten Demokratie der USA, wo die Republikaner im Kampf um die bevorstehende Präsidentenwahl von der Wirtschaftskrise profitieren könnten. Aber keineswegs automatisch oder durch einen "starken" Herausforderer Romney. Wenn endlich die Sache knapp ist, steht die Entscheidung des Supreme Court an, die beispielsweise im Jahr 2000 George W. Bush ins Weiße Haus brachte.

Um dieses Risiko zu umgehen, haben sich in den vergangenen Jahren republikanisch regierte Bundesstaaten mit neuen Wahlgesetzen fürsorglich der Wähler angenommen. Wer wählen will, muss sich, wie schon immer, unbedingt registrieren lassen und - vor allem ausweisen. Und das wird für Minderheiten, Alte und junge Erstwähler wahrscheinlich zur Hürde. Das Problem der illegalen Einwanderer ist in den USA ein demagogischer Dauerbrenner. Die Melde-, Ausweispflicht und der Erwerb von Handfeuerwaffen sind völlig unterentwickelte Angelegenheiten, prekär.

So sollten Obama und die Demokraten am Projekt der bescheidenen Krankenversicherungspflicht anknüpfen und eine gründliche, politisierende Massenmobilisierung der Gruppen organisieren, die zunehmend in prekäre Verhältnisse abrutschen. Diese sollen schließlich eines demokratischen Grundrechts beraubt werden und für Obama könnte ohne eine wirksame Politisierung im Wahlkampf das Guantanamodesaster in anderen Formen sich wiederholen. Ohne Stärkung der Demokratie ist der Kampf gegen alle Spielarten des Terrorismus aussichtslos. Die Frage ist, was man Obama zutrauen kann, wenn er so oder so gewinnt. Dreht sich die Spirale der Kriegsgefahr bis zur Unglaubwürdigkeit weiter?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ernst H. Stiebeling

Diplomsoziologe.Als Lehrer gearbeitet.Freier Publizist.Kultur-,Wissenschafts-,Politikthemen

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