Präsidentschaftswahl Frankreich: Hollande zum Abschluss in Toulouse

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Drei Tage vor dem zweiten Wahlgang fand am Donnerstag der Wahlkampfabschluss Francois Hollandes in Toulouse statt. Neben viel Musik, Dankesgrüßen und Menschenmassen gab es wohl auch den kommenden Präsidenten zu sehen.

Nein, es ist doch noch nicht Hollande. Es ist ‚nur’ Lionel Jospin, Sozialist und ehemaliger französischer Premierminister, der die Bühne betritt, um eine Rede zu halten, wie vor ihm bereits zwei andere, unter ihnen der Bürgermeister von Toulouse, Pierre Cohen. Dazwischen mehrere musikalische Beiträge und immer wieder elend lang aufgelistete Dankesgrüße an Unterstützer der Kampagne. Es heißt also weiter warten an diesem sonnigen Tag.

Während das Programm der Reihe nach abgespult wird, füllt sich der Place du Capitole im Zentrum Toulouse’ immer mehr, bis er schließlich wegen Überfüllung gesperrt werden muss. Zu diesem Zeitpunkt sind nach Angaben der Veranstalter 25.000 Menschen auf dem Platz. Auf der nahen Allee Jean Jaurès weitere 15.000 vor Bildschirmen versammelt. Man merkt allein an diesen Zahlen schnell, dass es sich bei dem letzten großen Auftritt Hollandes vor der Wahl am Sonntag nicht um eine normale Wahlkampfveranstaltung handelt.

Und dann kommt er endlich doch auf die Bühne, unter frenetischem Jubel der Menge, die seit über 2 Stunden auf ihn wartet. Schwung, der zunächst nicht auf den Redner überspringen will. Vielleicht liegt es an den großen Erwartungen, vielleicht an der Angst, zu kurz vor dem wahrscheinlichen Sieg doch noch einen Fehler zu begehen. Doch den Vorwurf, dass er kein großer Redner ist, kann er auch zu Beginn dieser Rede nicht entkräften. Die große Nervosität ist ihm anzumerken, die sich im teils langen Ringen um Worte zeigt. Der Beginn gestaltet sich somit recht holprig.

Hollande: Auch heute zunächst kein großer Redner

Doch auch inhaltlich geht es nicht allzu forsch los. Auch er ergeht sich zunächst in Dankesbekundungen und Lobpreisungen über Toulouse und dessen linker politischer Vergangenheit. Danach geht es zunächst weniger um ihn und sein Programm, als vielmehr um das seines Kontrahenten Sarkozy. Der Reihe nach bringt er dabei Programmpunkte und Parolen seines Gegenspielers an. Doch scheint es teils, als würde er dabei vergessen, dem auch die seinigen entgegen zu stellen.

Mit der Zeit aber wird er nicht nur rhetorisch immer sicherer, er schafft es nun auch den Bogen zu sich und seinem Programm zu schlagen. Mehr und mehr gelingt es ihm klar zu machen, wieso er die bessere Alternative zum Frankreich Sarkozys ist. Er nimmt nun die Aussagen Sarkozys zu Ausländern und „wahrer Arbeit“ auseinander und offenbart ihren spaltenden Charakter für die Gesellschaft. Demgegenüber stellt er seine Vorstellung eines Frankreichs, indem Platz für alle ethnischen Gruppen sei und indem die immer größere Distanz zwischen Oben und Unten überwunden werden solle, zum Wohle der Nation. Spätestens ab dieser Phase seiner Rede wird die Stimmung immer überschwänglicher.

Und auch einen Wink Richtung Deutschland gibt es noch. So sei es keineswegs das Ziel, Politik gegen Angela Merkel und Deutschland zu machen. Stattdessen wolle er Politik für Europa machen, was seiner Meinung nach nun auch Angela Merkel durch ihren jüngsten Meinungswandel zur Bedeutung der Wachstumspolitik in Europa eingesehen hätte. Dass er für eine andere Europapolitik als Nicolas Sarkozy steht macht er aber auch klar, als er auf dessen zusammen mit Deutschland eingebrachten Vorschlag zur Wiedereinführung innereuropäischer Grenzen eingeht und seine entschiedene Ablehnung betont.

Er schafft es zu einen, wo ein anderer spaltet

Doch in diesen Momenten könnte er wohl fast alles erzählen und der Jubel wäre ihm trotzdem sicher. Denn der ‚Besoffenheit’ des Jubels zu Grunde liegt der Glaube und die Hoffnung, dass sich mit der Wahl am Sonntag wirklich ein Wandel vollziehen könnte. Und auch wenn für viele der kleinste gemeinsame Nenner sein dürfte, dass eine Wahl Hollandes das Aus für Nicolas Sarkozy und seine Politik bedeuten würde, hat dies trotzdem viele Franzosen in letzter Zeit geeint. Genauso wie die zersplitterte und oft zerstrittene französische Linke, die sich nach den Vorwahlen quasi ausnahmslos für Hollande ausgesprochen hat. So beispielsweise der Kandidat der Front Gauche, Jean-Luc Mélenchon, der für Hollande stimmen wird, auch wenn er ihn nur als „Werkzeug“ sieht, um Sarkozy abzuwählen.

Doch kommen die Wahlbekundungen nicht nur von Parteien aus dem linken Lager. Denn Donnerstagabend gab auch Francois Bayrou, Spitzenkandidat der Zentrumspartei, wie vorhergesehen, bekannt, für Francois Hollande votieren zu werden. Gleichzeitig betonte er jedoch, damit keine Wahlempfehlung an seine Wähler aussprechen zu wollen.

Doch auch wenn er es nicht macht, vielen der Zentrumswähler wird es ähnlich wie ihm gehen. Denn auch wenn das Programm der Zentrumspartei in einigen Punkten eher Übereinstimmungen mit dem von Sarkozys UMP hat, so haben Sarkozys neueste Aussagen gegen Migranten und sein allgemeiner Ton der letzten Wochen doch auch Bayrou und viele seiner Wähler derart abgeschreckt, dass sie eher für Hollande stimmen werden.

Sarkozy: Beim Spiel mit den ‚Schmuddelkindern’ verbrannt

Geschuldet waren diese Äußerungen Sarkozys u. a. dem Zwang für den zweiten Wahlgang möglichst viele Stimmen von der erschreckend großen Gruppe (18,5%) der Wähler Marine Le Pens zu erhalten. Doch statt sich für einen rechten Präsidenten einzusetzen, hat sie sich, wie erwartet, dazu entschieden, ihren Wählern von dem Votum für einen der beiden Kandidaten abzuraten. Sie setzt stattdessen weiterhin voll auf ein baldiges Implodieren der Sarkozy-Partei UMP und einen Wechsel der Vormachtstellung im rechten Lager zu ihren Gunsten nach den Parlamentswahlen im Juni.

Von dieser Seite her betrachtet stehen die Chancen Hollandes also weiterhin sehr gut. Und auch das Fernsehduell der beiden Kontrahenten am Mittwoch ging nach Meinung der meisten Kommentatoren und Umfragen in etwa unentschieden aus, weshalb auch damit eine weitere Chance - vielleicht die letzte - Sarkozys verstrichen ist.

Trotz guter Ausgangsposition, die Angst bleibt bis Sonntagabend

Doch auch bei einer derart guten Ausgangslage versucht man bei den Sozialisten die Euphorie noch immer zu dämpfen, aus Angst, es könnte doch noch schief gehen. So erklang auch an diesem Donnerstag immer wieder der Appell, am Sonntag nur ja zur Wahl zu gehen und noch bis zur letzten Minute selber Wahlkampf zu betreiben. Der Sieg sei zwar schon vor Augen, müsse aber trotzdem erst noch errungen werden.

Sollte sich in der politischen Großwetterlage in Frankreich in den nächsten drei Tagen aber nicht allzu viel ändern, stehen die Chancen für Hollande weiterhin sehr gut. Sodass die Wahlentscheidungen auch den heutigen Rufen auf dem Place du Capitole gleichen würden: „Francois Président!“, „Sarkozys, c’est fini!“.

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hierundjetzt

Studiert in Berlin Soziologie, Politikwissenschaft und Philosophie.

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