Geld oder Leben!

Fahrrad Die Politik erhöht die Bußgelder für Radfahrer. Doch dann sollte man auch endlich mehr für ihre Sicherheit tun. Sonst müssen Radler entweder Geld oder Leben riskieren

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Von der „Verrohung dieser Kampfradler“ sprach der Verkehrsminister Peter Ramsauer vor einem knappen Jahr und schrieb sich auf die Fahnen, künftig härter gegen radelnde Verkehrssünder vorzugehen. Und der Minister hat Wort gehalten. In der Reform des Bußgeldkatalogs, die nun im Bundesrat zur Abstimmung steht, sind die Radfahrer mit einigen empfindlichen Erhöhungen bedacht. So kann sich der Verkehrsminister künftig wider beruhigt im Dienstwagen zurücklehnen und muss nicht mehr beobachten, „wie Radler unter den Augen von Polizisten rote Ampeln und jede Verkehrsregeln missachten“. Es herrscht wieder Frieden auf Deutschlands Straßen.

Wenn, ja wenn die Radfahrer tatsächlich selbst das Problem wären. Natürlich gibt es sie, die bösen Buben auf zwei Rädern, aber sind sie wirklich, wie Ramsauer suggeriert, ein Massenphänomen? Es gibt zwar, gerade in der Hauptstadt Berlin, einige Zeitgenossen, die auf ihrem „Singlespeed“ (Fahrrad war gestern) ohne Rücksicht auf Verluste durch Menschenmengen und Autoschlangen rasen. Es gibt auch Porschefahrer, die die AVUS immernoch für eine Rennstrecke halten. Beide sind besonders auffällig. Aber beide sind vor allem besonders selten. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass Radfahrer in der Mehrheit der Unfälle die Opfer und nicht die Täter sind, 74% der Kollisionen zwischen Automobilen und Fahrräder gehen auf das Konto der motorisierten Zunft. Mal ganz davon abgesehen, dass für den Beteiligten auf vier Rädern selten mehr als ein Lackschaden und für sein Gegenüber auf zwei Rädern häufiger mal ein Krankenhausaufenthalt herausspringt.

Besonders perfide wird es, wenn man sich anschaut, welche Bußgelder für Fahrradfahrer konkret erhöht wurden. Sie zeigen, wie sehr die Verkehrsplaner aus der Sicht des Automobilisten denken. So muss zum Beispiel jeder Radler, der den Gehweg benutzt, 20 statt bisher 10 Euro abdrücken. Manch ein Fußgänger wird befreit aufatmen und laut oder leise denken: „endlich!“. Doch das verkennt die eigentliche Ursache. Fahrradfahrer fahren nicht auf den Gehwegen, weil sich Passanten so ausgezeichnet als Slalomstangen eignen, sondern weil sie schlicht keine eigene Spur besitzen. Da der Aufprall mit einer Rentnerin zumeist weniger schmerzhaft ist, als selbiger mit einem Mercedes S-Klasse, fällt die Wahl zumeist auf den Gehweg. Das ist Verkehrsdarwinismus: Die starken Autos verdrängen die schwächeren Radfahrer von der Straße auf den Fußweg. Nur wenn man künftig Fahrradfahrer nicht nur im Bußgeldkatalog, sondern auch bei der Verkehrsplanung bedenkt, könnte sich die Situation verbessern. Bis dahin bleibt nur der Appell an die Radfahrer: Fahren Sie rücksichtsvoll und vor allem verschonen Sie Rentnerinnen!

Ein zweites Beispiel ist das falsche Einbiegen in eine Einbahnstraße, künftig kostet das etwa 20 statt bisher 15 Euro. Ein besonders schöner Fall. Seit vielen Jahren gilt, dass Einbahnstraßen auch für Fahrradfahrer geöffnet werden können. Voraussetzung dafür ist, dass ein Schild „Radfahrer frei“ an die Einbahnstraße angebracht ist. An vielen Straßen ist das der Fall, an vielen anderen nicht. Warum? Das ist für den, der tatsächlich mit dem Fahrrad unterwegs ist – und das sind ganz offensichtlich nicht die Verkehrsplaner – ein großes Geheimnis. Die Regelung für Einbahnstraßen ist unübersichtlich und scheint willkürlich. Nicht selten wird einer zweiten Parkspur auf der linken Straßenseite der Vorrang vor einer Fahrradspur gegeben. Am Ende muss der Radfahrer unnötige Umwege in Kauf nehmen – oder trotzdem fahren und im Fall der Fälle einen blauen Schein an die Freunde in Grün überreichen. Dabei haben sich für Radfahrer freie Einbahnstraßen durchaus bewährt. Man könnte die Regelung ja auch umdrehen: Radfahrer dürfen Einbahnstraßen in Gegenrichtung nutzen, außer es ist ein gegenteiliges Schild angebracht. Aber das hieße ja aus der Perspektive der Radfahrer zu denken....

Man könnte noch viele weitere solcher Beispiele nennen, die zeigen, wie wenig die Verkehrsministerinnen, -minister, -plannerinnen und -planer über das Schicksal der radelnden Menschen in diesem Land wissen. Nur Radfahrer müssen an drei Ampeln stehen um links abzubiegen oder Hupkonzerte über sich ergehen lassen, wenn sie auf ihre Vorfahrt bestehen. Sehr häufig geht es dabei zum Glück mehr um Bequemlichkeit. Zur Not muss man halt ein Stück schieben, ein bisschen länger warten, ein paar hundert Meter Umweg fahren oder ein Mal zu viel bremsen. Aber es summiert sich. Und nicht selten – das beste Beispiel dafür ist der berüchtigte Radfahrer auf dem Fußweg – geht es schlicht und ergreifend um die eigene Sicherheit. In engen Straßen, in denen Autofahrer die Zweiräder nicht sehen oder nicht sehen wollen, wird die Bußgelderhöhung schnell zu einer Farce. Dann nämlich, wenn die Radfahrer mit Bußgeldern bestraft werden, weil sie aus Sorge um ihre Gesundheit auf den Gehweg ausweichen. Die Entscheidung des Radfahrers erinnert dann schon an den alten Spruch aus dem Wilden Westen: Geld oder Leben!

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