Europa und die Menschenrechte

Europatag Auf der Suche nach dem europäischen Grundgedanken

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Das Europäische Gebilde – das neueste Werk von Street Artist Banksy legt es nahe – hat in letzter Zeit oft Schaden genommen
Das Europäische Gebilde – das neueste Werk von Street Artist Banksy legt es nahe – hat in letzter Zeit oft Schaden genommen

Foto: DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP/Getty Images

Heute wird – von der Öffentlichkeit kaum bemerkt – der Europatag gefeiert. Gedacht werden soll den Anfängen der europäischen Vereinigung: Am 9. Mai 1950 schlug der französische Außenminister Robert Schuman in einer Rede die Montanunion vor, aus der später die Europäische Union hervorging.

Vorausgegangen war die Gründung des Europarates am 5. Mai 1949, eine von der EU unabhängige Institution (,die nicht zu verwechseln ist mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union). Dem Europarat gehören 47 europäische Staaten an, und seine Aufgabe ist die Wahrung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Demgegenüber war die Grundidee der EU eine rein wirtschaftliche, und entsprechend hat sich die EU zum größten Handelsraum der Welt entwickelt. Menschenrechte und Demokratie spielen dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die minimalen Gestaltungsmöglichkeiten des Europäischen Parlaments machen die EU eher zu einer internationalen Super-Behörde als zu einem demokratischen Staatengebilde, und bisher gibt es kaum ernsthafte Versuche, das Demokratiedefizit zu beseitigen.

Mit der EU-Grundrechte-Charta hat sich die EU zwar auch mit bürgerlichen Rechten jenseits von Handelsinteressen befasst, doch bleiben diese Grundrechte hinter dem zurück, was etwa die europäische Sozialcharta des Europarats garantiert.

Dass die EU als wichtig wahrgenommen wird, sich aber niemand so richtig für die Arbeit des Europarats interessiert, sagt einiges über die Gewichtung von Wirtschaft auf der einen Seite und Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf der anderen.

Die mangelnde Aufmerksamkeit hat Konsequenzen: Das Budget der EU beträgt ein Vielfaches des Europarats, und selbst diese geringen Mittel werden in Frage gestellt.

Das fehlende Interesse führt aber auch zu fehlender Kontrolle, und so macht der Europarat seit Jahren als „Kaviardiplomatie“ von sich reden.

So muss sich aktuell der frühere italienische Europaratsabgeordnete Luca Volonté wegen Geldwäsche vor Gericht verantworten, und der Vorwurf der Korruption steht im Raum – mehr als zwei Millionen Euro soll er vor einer Abstimmung aus Aserbaidschan erhalten haben. Möglicherweise ist das Ausmaß aber viel größer, die Rede ist von fast einer Milliarde Euro, die geflossen sein sollen.

Dennoch nimmt die Öffentlichkeit kaum Notiz von diesen Vorgängen, die Medien berichten spärlich, erfreuliche Ausnahme ist der Tagesspiegel. Besonders erstaunlich ist das insofern, als auch deutsche Delegierte im in der Kritik stehenden Europarat sitzen. So erklärte der SPD-Menschenrechtsexperte Frank Schwabe – selbst Mitglied in der parlamentarischen Versammlung des Europarats – in einem Interview mit der – nicht sehr auflagestarken – Badischen Zeitung im Februar:

„Die CDU schickt Axel Fischer. Den kennt in Deutschland niemand. (....) Es gibt hier ein Netzwerk von Politikern, dazu gehört auch Herr Fischer oder der Präsident der Versammlung, Pedro Agramunt aus Spanien. Die sehen ihre Hauptaufgabe darin, Regierungen vor Kritik zu schützen. Die einen schützen die anderen.“

Wofür also steht Europa? Ein Europa, das Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ernst nimmt? Oder das sich vor allem als Wirtschaftsunion versteht, wem auch immer das am Ende nutzt?

Die jungen Europäer zwischen 16 und 26 Jahren haben diese Frage in einer Yougov-Umfrage jedenfalls sehr deutlich beantwortet: Europa, finden 76 Prozent der Befragten, ist einfach ein großer Binnenmarkt – mehr nicht. Wer könnte es ihnen verübeln?

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