Angriff auf die Krone der Schöpfung?

künstliche Intelligenz Innovationsforum zu Künstlicher Intelligenz und Smart Industry

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Intelligente Unterstützerin, Vernichterin von Arbeitsplätzen oder Gefahr für die Menschheit? Beim Thema künstliche Intelligenz liegen Hoffnungen, Faszination und Angst nah beieinander. Das wurde auch beim Innovationsforum deutlich, bei dem in Berlin unter dem Titel „Künstliche Intelligenz (KI), Smart Industry und Big Data – von der Nische zum Massenmarkt“ ein ganzer Strauß an Themen diskutiert wurde, die mit Digitalisierung zusammenhängen.

"Der Mensch wird nicht die Krone der Schöpfung sein", sagt Oliver Frese, Vorstandsmitglied derDeutschen Messe AG und greift dabei auf ein Zitat des Informatikers Professor Jürgen Schmidhuber zurück. "Ich persönlich finde das gruselig", sagt der Messemanager. Man müsse schauen, wie man mit solchen Ängsten umgehen könne. Seien es Pflegeroboter, wie sie in Japan eingesetzt werden, selbstfahrende Autos, automatisierte Dolmetsch-Systeme oder datenbasierte Prognosen zur Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern: Solche Innovationen hätten immer ethische und wirtschaftspolitische Komponenten, die es zu diskutieren gelte.

Umfragen des Meinungsforschungs-Start-ups CIVEY belegen Skepsis und Unsicherheit vieler Menschen. Mehr als 30 Prozent der Teilnehmenden denken, dass künstliche Intelligenz die Gesellschaft eher negativ verändern werde, berichtet Axel Böhm von CIVEY. Demgegenüber stehen jedoch 25 Prozent, die an eher positive Auswirkungen glauben. In Bezug auf Arbeitsplätze sind die Ergebnisse eindeutiger: 46 Prozent glauben, dass künstliche Intelligenz deren Anzahl eher verringern werde. "Hier zeigt sich die Verunsicherung der Gesellschaft", sagt Axel Böhm. So verwundert es auch nicht, dass 33 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden finden, künstliche Intelligenz solle politisch eher stark reguliert werden. Fast 16 Prozent sind sogar für eine sehr starke Regulierung.

Was ist, wenn Maschinen die Menschen überflügeln?

Es herrscht Unsicherheit darüber, was passiert, wenn Maschinen nicht mehr nur tun, was Menschen ihnen sagen. Was ist, wenn sie selbstständig agieren und sich neue Dinge beibringen? Ein Thema sei dabei, wie viel der Mensch in der Lage ist, aufzunehmen und zu kuratieren, erklärt Dr. Sebastian Hallensleben vom VDE, Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik bei der Diskussionsrunde zum Thema: „Wer programmiert wen? Big Data und Sicherheit“.

Statt ethisch-philosophischer Fragestellungen gerät dabei jedoch schnell ein ganz praktisches Thema in den Fokus: Der Schutz von Daten. Alexander Kulitz von der FDP-Bundestagsfraktion kritisiert dabei aus der Warte deutscher Mittelständler die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese soll den Umgang von Unternehmen und öffentlichen Stellen mit personenbezogenen Daten europaweit vereinheitlichen und gilt ab dem 25. Mai. Kulitz kritisiert, dass es für kleine und mittelständische Unternehmen kaum möglich sei, die Verordnung bis zu diesem Zeitpunkt umzusetzen, da es noch viel zu viele Unklarheiten gebe. Problematisch sei auch der Mangel an Fachkräften, die Unternehmen als Datenschutzbeauftragte engagieren könnten.

Der Tenor der anderen Diskutanten ist ein anderer. Normalerweise seien Tech-Unternehmen zwar gegen Regulierung, sagt Jens Redmer, Head of New Products and Solutions von Google. "Aber in diesem Fall ist es absolut sinnvoll zu regulieren." Für kleine Start-ups sei es tatsächlich schwierig, die Anforderungen umzusetzen. "Aber ich glaube, es ist im Sinne der Nutzer." Auch Oliver Frese betont: "Es ist wichtig, dass wir in Europa einen gemeinsamen, digitalen Binnenmarkt haben."

Cobot versus Patriarch

Deutlich wird bei dem Innovationsforum die große Spaltung zwischen technischer Innovation auf der einen Seite und deren praktischer Umsetzung auf der anderen. Unterstützt wird der Abend, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe "sitzungswoche" der meko factory im Telefónica Basecamp in Berlin-Mitte stattfindet, von der Deutschen Messe AG, der Cebit und Telefónica.

Während die Vertreter der Industrie- und Digitalisierungsmessen erwartungsgemäß aktuelle Beispiele für Innovationen geben, wird auf der anderen Seite klar, dass das in der Breite nicht so einfach umzusetzen ist – nicht nur wegen der offensichtlichen Skepsis vieler Deutscher.

Marc Siemering, Geschäftsbereichsleiter Industry, Energy, Logistics der Deutschen Messe AG berichtet, wie sogenannte Cobots (collaborative robots) Menschen bei ihrer Arbeit unterstützen können. Sie merkten beispielsweise, wenn ein Mitarbeiter müder und langsamer werde und reichen dann Gegenstände an oder verändern Lichtverhältnisse. "Dieser Cobot wird nicht aufwändig programmiert, sondern ist ein lernendes System", sagt Siemering. Er betont, dass er nicht in Konkurrenz zu Arbeitsplätzen stehe, sondern diese ergänze.

Dr. Thomas Becks, Leiter des Bereichs Technik und Innovation beim VDE prognostiziert, dass auch in kleineren und mittelständischen Betrieben in Zukunft verstärkt Roboter eingesetzt werden – aus dem einfach Grund, dass diese immer billiger produziert werden können.

Er und Prof. Dr. Julian Kawohl von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) erklären aber auch, dass es grundsätzlich mit der Innovation in deutschen Betrieben nicht so einfach ist. "Da ist der mittelständische Patriarch, der sagt, er hat schon zwei Weltkriege überlebt, er wird auch die Digitalisierung überleben", sagt Julian Kawohl. Viele Vorstände seien an ihre Posten gekommen, weil sie Risiken eher vermeiden und nicht, weil sie so innovative Unternehmer seien. Er plädiert dafür, junge und digitalaffine Kreative in hohe Positionen zu holen – etwa einen Flixbus-Gründer ins Management der Deutschen Bahn. "Nur so geht Innovation", betont er.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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