Hart in der Sache, höflich in der Form

MdB im Gespräch Der FDP-Bundestagsabgeordnete Otto Fricke spricht über den „Rollladen-Effekt“ und wie die AfD das Parlament verändert hat.

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Eine politische Karriere wurde dem FDP-Bundestagsabgeordneten Otto Fricke nicht in die Wiege gelegt. Die Frage sei: „Hast du Eltern oder Freunde, die in der Politik sind? Das war bei mir nicht der Fall“, erzählt er bei der Dezemberausgabe von „sitzungswoche Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung in Berlin. Regelmäßig interviewt die Politikberaterin Alice Greschkow dort morgens Abgeordnete unterschiedlicher Parteien.

Fricke berichtet, dass sein Vater, der als Kind seinen eigenen Vater im Zweiten Weltkrieg verloren hatte, grundsätzlich gegen Politik gewesen sei. 1989 trat Otto Fricke trotzdem in die FDP ein. Eine Folge von Diskussionen in seiner Studentenverbindung, die liberal und weder schlagend noch farbentragend gewesen sei, wie Fricke betont. Beim Debattieren hätten er und seine Verbindungskollegen bemerkt, dass sie zwar über Politik lästerten, aber nichts taten. Vier von ihnen seien daraufhin in unterschiedliche Parteien eingetreten.

Beinahe bei den Grünen gelandet

Er habe sich die damals vier Parteien angesehen, erzählt der Rechtsanwalt, 1965 geboren und im nordrhein-westfälischen Krefeld aufgewachsen. „Ich wäre fast bei den Grünen hängengeblieben“, erzählt er. Der realpolitische Flügel habe ihm gut gefallen.

Schließlich entschied er sich jedoch für die Idee des Liberalismus’. Fricke betont, dass der Begriff für ihn nicht „Freiheit von...“ bedeute. Wichtiger sei die Freiheit dazu, etwas zu tun. Aus dem weit entfernten Freiburg habe er fasziniert die Entwicklungen im Osten Deutschlands beobachtet – wie Menschen dort wieder die Möglichkeit gehabt hätten, Dinge zu tun, weil sie es wollten. „Wir haben alle keine verdammte Ahnung, warum wir hier sind“, sagt der Abgeordnete. Aber wenn man in Freiheit handele, komme man weiter.

Er selbst hat es in seiner politischen Karriere weit gebracht. Seit 2002 sitzt er im Bundestag – abgesehen von den vier Jahren, als die FDP nicht im Parlament vertreten war.

Über seinen Wahlkreis Krefeld I – Neuss II sagt er trotz Arbeitslosigkeit von knapp zehn Prozent: „Das ist ein Wahlkreis, dem geht es gut.“ Als Politiker sieht er sich in der Rolle des Erklärers und Übersetzers. Zuhören und Antworten zu geben sei sein Job.

Dabei kämpft er gegen den „Rollladen-Effekt“, wie er es nennt: Nach zehn Sekunden gingen bei den Menschen die Rollläden runter, wenn sie mit einem Politiker sprächen, erklärt er lächelnd. Innerhalb dieser Zeit müsse man sie überzeugen, dass man zuhöre und normal miteinander sprechen könne. Bei Themen wie Migration sei es falsch zu sagen: „Wir hier in Berlin machen das schon“, statt Ängste ernst zu nehmen. Andererseits: So schnell und einfach, wie es sich Menschen oft wünschen, könne man als Politiker keine Lösungen anbieten.

Mehr Applaus für Konfrontation als für sachliche Argumentation

Seit seiner letzten Amtszeit habe sich die Arbeit im Parlament verändert, berichtet Fricke. Die Phase, in der Debatten ruhiger geworden seien und weniger provoziert wurde, sei vorbei. Das liege an der AfD, aber auch an den Reaktionen auf diese Partei. Man bekomme mehr Applaus für einen Konfrontationskurs, als wenn man die Argumente der AfD ruhig auseinandernehme, sagt der Abgeordnete. Sein eigenes Motto sei jedoch: „Man muss in der Sache hart kämpfen, aber in der Form höflich bleiben.“

Ein wichtiges Thema für den haushaltpolitischen Sprecher der FDP ist Bildung. Alice Greschkow spricht ihn auf ein Interview an, in dem er die deutschen Bildungsausgaben gegen die Verteidigungsausgaben aufgerechnet hat. „Das heißt nicht, dass ich nicht sehe, dass bei der Verteidigung viel zu tun ist“, erklärt er. Wenn es aber darum gehe, zusätzliches Geld zu verteilen, sei die Frage: Was ist essentieller? Für Fricke lautet die Antwort: Bildung.

Die Moderatorin fragt nach dem Vorurteil, dass die FDP im sozialen Bereich grundsätzlich spare. „Einsparungen gibt es bei Sachen, die wir immer schon für falsch hielten – wie die Rente ab 63“, erklärt Fricke. Bei der FDP würde oft hinterfragt, ob sie wirklich wirtschaftliche Kompetenz habe. Wenn Robert Habeck von den Grünen hingegen das bedingungslose Grundeinkommen fordere, rechne niemand nach, kritisiert Fricke.

Eine eigene Steuer für Länder und Kommunen

Auch über den Konflikt zwischen Bund und Ländern beim Digitalpakt spricht der Politiker. Grundsätzlich wolle der Bund verhindern, dass die Länder in Bereichen, in denen Bundesmittel fließen, eigene Ausgaben kürzen. Dabei gehe es nicht um Parteipolitik, sondern um Macht und Kompetenz. Zwar bekämen Länder und Kommunen einen Großteil der Steuereinnahmen, aber der Bund sei für deren Erhöhung verantwortlich. „Wir müssten sagen: Länder und Kommunen sollten ihre eigene Steuer bekommen“, lautet Frickes Vorschlag.

Aus dem Publikum kommt die Frage, ob die FDP nicht diejenige Partei sei, die eine vollständige Steuerreform vorschlagen sollte. Fricke betont, dass Finanzexperten daran arbeiteten. Er glaube, dass bis 2020 ein grober Vorschlag vorgestellt werde. „Das ist eine Mammutaufgabe“, unterstreicht er, sagt aber auch: „Ich glaube, dass das Thema von uns noch deutlicher besetzt wird.“

Zum Schluss fragt Alice Greschkow, ob sich Fricke eine Neuauflage der Jamaika-Verhandlungen vorstellen könne? „Der Politiker in mir sagt: Ja, das kann ich mir vorstellen“, sagt der Abgeordnete. Das Verhältnis von Grünen und FDP werde entspannter. „Wenn man miteinander reden kann, findet man auch Kompromisse.“

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Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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