Surfen auf jedem Acker

Schnelles Internet Und tschüss, ihr weißen Flecken? Eine Diskussion widmet sich dem Ausbau des Mobilfunknetzes und der Versteigerung von 5G-Frequenzen

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Auch in Zukunft werden wohl nicht alle Haushalte erreicht
Auch in Zukunft werden wohl nicht alle Haushalte erreicht

Foto: Andreas Rentz/Getty Images

Ob Bauernhof oder Start-up: Es gibt wohl nur noch sehr wenige Unternehmen, die ohne schnelle Internetverbindung auskommen. Das gehe so weit, dass Firmen ländliche Regionen verlassen, weil sie von dort aus ihre Datenmengen nicht mehr sichern können, berichtet die Bundestagsabgeordnete Margit Stumpp (Bündnis 90/Die Grünen). Das von der Meko Factory organisierte Diskussionsformat Whatnext widmet sich am letzten Dienstagmorgen im November in der Telefónica Digital Lounge in Berlin der Frage: Wo bleibt das schnelle Netz im Neuland?

Wenn die Konzentration auf städtische Zentren – mit ihren Folgen für Mensch und Umwelt – verhindert werden solle, „dann brauchen wir das schnelle Netz natürlich überall“, betont Stumpp, Mitglied im Ausschuss für Forschung und Technikfolgenabschätzung des Bundestags.

Nur: Wie kommt das Internet in die Provinz? Am Tag zuvor hat der Beirat der Bundesnetzagentur getagt. Die Mitglieder haben sich schließlich für den Entwurf über die Vergaberegeln bei der Versteigerung von 5G-Frequenzen ausgesprochen. Im Frühjahr 2019 soll es eine Auktion geben, bei der die drei Netzbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica Frequenzen ersteigern können, die sie brauchen, um den leistungsfähigen Mobilfunkstandard 5G anbieten zu können. Mit dieser sogenannten fünften Generation lassen sich Daten in Zukunft viel schneller übertragen als beispielsweise mit 4G, besser bekannt unter dem Namen LTE.

Schnelles Internet auch auf Straße und Schiene

Die Anbieter, die die Frequenzen ersteigern, gehen damit bestimmte Verpflichtungen zum Netzausbau ein. Konkret bedeutet das: Sie müssen unter anderem bis Ende 2022 98 Prozent der deutschen Haushalte mit schnellem mobilen Internet von mindestens 100 Megabit pro Sekunde versorgen. Thomas Jarzombek (CDU), Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur im Deutschen Bundestag, bezeichnet es als einen wichtigen Schritt, dass bei den Vorgaben der Bundesnetzagentur auch die Versorgung in der Fläche einbezogen wird. Das bedeutet: Nicht nur Orte, an denen Menschen leben, sondern auch Autobahnen und alle anderen Straßen, Schienen sowie Wasserwege sollen mit schnellem Internet versorgt werden.

Einer der größten Streitpunkte beim 5G-Ausbau ist das sogenannte National Roaming. Es geht dabei um die Frage, ob Kunden die Netze anderer Anbieter nutzen dürfen, wenn ihr eigener dort kein Netz anbieten kann. Die Bundesnetzagentur entschied sich letztendlich dagegen, die Telekommunikationsunternehmen zu verpflichten, ihre Netze zu öffnen. Stattdessen sollen die Anbieter über entsprechende Möglichkeiten verhandeln. Margit Stumpp kritisiert diese Entscheidung. Sie betont, dass die Netze ja nicht kostenlos, sondern zu fairen Bedingungen zu Verfügung gestellt werden sollen.

Gustav Herzog, Berichterstatter für digitale Infrastruktur der SPD-Fraktion im Bundestag, argumentiert hingegen, dass Unternehmen keinen Anreiz mehr hätten, das Netz auszubauen, wenn sie es später ihren Mitbewerbern zur Verfügung stellen müssten: „Das ist ein ungeeignetes Instrument, in die flächendeckende Versorgung zu kommen.“ Nick Kriegeskotte, Bereichsleiter Telekommunikationspolitik beim Bitkom e.V., sieht das genauso. Durch National Roaming würde der Wettbewerb zwischen den drei Anbietern ausgehebelt, kritisiert er.

Live-Stream an der Milchkanne?

Aber braucht es überhaupt eine flächendeckende Versorgung? Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat vor ein paar Tagen gesagt, man könne sich damit noch ein bisschen Zeit lassen. 5G brauche es nicht an jeder Milchkanne, mit 4G sei man bereits gut ausgestattet. Die Bundestagsabgeordnete Daniela Kluckert (FDP), Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, kritisiert diese Äußerung. „Es geht um die Zukunftsfähigkeit von Deutschland. Da braucht man 5G an jeder Milchkanne“, betont sie. Auch Margit Stumpp betont, dass auch Landwirte heutzutage auf ein gutes Netz angewiesen sind. Der Beschluss der Bundesnetzagentur gehe nicht weit genug, kritisiert Kluckert. „Die Ziele sind zu unambitioniert.“ Ob digitale Landwirtschaft oder autonomes Fahren: „Da brauchen wir 100 Prozent“, betont sie.

Auch Thomas Jarzombek stimmt zu, dass das Ziel bei hundert Prozent liegen sollte. Er sagt aber auch, dass Unternehmen auf ihrem Gelände selbst für schnelles Internet sorgen könnten. „Ich finde, es ist nicht unsere Aufgabe, auf dem letzten Acker ein Netz zu errichten.“

Denn: Neben der Versteigerung der 5G-Frequenzen an die großen Netzbetreiber wird ein Teil auch lokal vergeben. So haben zum Beispiel Unternehmen die Möglichkeit, eigene 5G-Netze auf ihrem Gelände aufzubauen.

Hilfe für Kommunen

Kritik an den Vergaberegelungen der Bundesnetzagentur äußert neben den Vertreterinnen von Grünen und FDP auch Nick Kriegeskotte von Bitkom, dem Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche. Ob Klage gegen die Vergaberegelungen eingereicht werde, sei noch offen, sagt er. Zuerst müsse geprüft werden, was die Auflagen kosten werden. Denn die Vorgaben der Bundesnetzagentur zwingen die Anbieter, den Netzausbau auch an Orten einzurichten, an denen es sich für sie finanziell nicht lohnt.

Ein großes Problem seien grundsätzlich langwierige Genehmigungsverfahren und fehlende Investitionssicherheit, kritisiert Kriegeskotte. Er fordert deshalb eine frühzeitige Verlängerung der ersteigerten Frequenzen.

Die Einnahmen aus der Versteigerung der neuen Mobilfunk-Frequenzen fließen in den Digitalfonds, mit dem die Bundesregierung unter anderem den Gigabitnetzausbau auf dem Land fördern will. Die Diskussionsteilnehmer betonen, dass der Ausbau des Glasfasernetzes und die Einführung des 5G-Standards nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. „Man kann das eine nicht ohne das andere denken“, sagt Nick Kriegeskotte von Bitkom. Daniela Kluckert betont, dass der Ausbau des Glasfasernetzes nicht nur auf dem Land ein Problem ist. Selbst in ihrem Wahlbezirk in Berlin-Pankow sei nur jeder hundertste Haushalt mit Glasfaser angeschlossen.

In ländlichen Gebieten, in denen kein marktgetriebener Ausbau des Mobilfunknetzes stattfindet, können Kommunen staatliche Fördergelder beantragen. Dass diese Mittel so schlecht abgerufen werde, hänge damit zusammen, dass den Gemeinden die Beratung fehle, sagt Margit Stumpp. Sie plädiert deshalb für „Kompetenzzentren“, die die Kommunen unterstützen können.

Wird es in Zukunft möglich sein, auf jedem Brandenburger Acker Live-Streams zu sehen? Mit 98 Prozent der Haushalte sind noch lange nicht 100 Prozent der Fläche des Landes abgedeckt. Moderatorin Jana Kugoth kündigt in weiser Voraussicht schon einmal an, die Runde in einiger Zeit noch einmal einzuladen. Vielleicht gibt es bis dahin ja tatsächlich nicht nur 5G in großen Städten, sondern auch ein paar weiße Flecken weniger.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Inga Dreyer

Freie Journalistin in Berlin. Schreibt über Kultur, Gesellschaft und Politik. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Inga Dreyer

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