Glaubt man den Zahlen, herrscht in Deutschland kein Mangel an Literaturzeitschriften. Rund 115 Titel hat eine Initiative kürzlich gezählt. Eine mehr oder weniger sollte da nicht negativ auffallen. Sollte man meinen.
Das Problem mit Literaturen – der im Friedrich-Berlin-Verlag erscheinenden Literaturzeitschrift, um die es nach dem Hinauswurf zweier Redakteure vergangene Woche heftigen Streit, nicht nur im Feuilleton gab – jedoch ist: Anders als Organe wie Akzente, Kolik oder Schreibheft erreicht das im Jahr 2000 von der Reich-Ranicki-Antipodin Sigrid Löffler gegründete Magazin ein Massenpublikum. Sofern man das bei einer Auflage von 12.000 Exemplaren überhaupt so sagen kann.
Jedenfalls hatte Literaturen eine gewisse Leitfunktion. Und schlug eine kleine Bresche der Aufmerksamkeit für eine Fertigkeit, die sich ihre einstige Rolle als ästhetische Königsdisziplin längst mit Film und Kunst teilen muss.
Literaturen kämpfte mit den Problemen aller Literaturzeitschriften. Nicht jedes Heft hatte einen mitreißenden Schwerpunkt. Manchmal verschwand die Welt da draußen hinter lauter Rezensionen. Und meistens betrieben in Literaturen dieselben Rezensenten das Geschäft der Differenzierung, die sich auch in den anderen Tages- und Wochenzeitungen um die wenigen Kritik-Plätze balgten.
Die Schwächephase nach dem unrühmlichen Abgang Sigrid Löfflers vor einem Jahr hatte das Blatt inzwischen überwunden. In seiner aktuellen Ausgabe spielt Literaturen seine Stärken aus: Anschaulichkeit, Kompetenz und Prominenz. Der renommierte Literaturkritiker Jörg Magenau, im Frühjahr erst zum Blatt geholt, jetzt Knall auf Fall entlassen, berichtet von einer Reise ins Buchmessenland China, FAZ-Feuilleton-Chef Patrick Bahners schwärmt von Brigitte Kronauers neuem Roman Zwei Schwarze Jäger. Literaturen-Redakteurin Frauke Meyer-Gosau interviewt die Berliner Schriftstellerin Terézia Mora, und deren Kollegin Felicitas Hoppe schwärmt in einer Autoren-Kolumne – ganz antizyklisch – für die alten russischen Meister, allen voran Michail Bulgakow.
Auf all das werden Literaturen-Leser ab Oktober verzichten müssen. Das „Leseerlebnis“ ist dem Verlag in Zukunft wichtiger als Analyse und Kritik. Was immer das heißen mag. Und statt zehn Ausgaben soll es nur noch sechs geben. Wie der Verlag das Blatt damit aus der Krise steuern will, bleibt unklar. Denn eine Bäckerblume des Literaturbetriebs blüht bereits. Sie heißt Bücher. In ihrem Schatten ist nur noch Platz für Mauerblümchen.
Ingo Arend
„Literaturen“ muss leben – sonst kränkelt die Literatur
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