Demokratie heißt, das Volk direkt zu befragen

Demokratiemangel. Ob Asselborn oder Augstein. Die These, dass Demokratie nur ohne Volk funktioniert, scheint salonfähig zu sein. Erfährt Thomas Hobbe's Leviathan eine geistige Renaissance?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Homo homini lupos, oder der Mensch ist ein Wolf für den Menschen. Die Grundlage des Leviathan, Titel einer staatstheoretischen Schrift des Engländers Thomas Hobbes aus dem Jahre 1651, mit der er einen neuen Gesellschaftsvertrag begründete. Dieser sollte Sicherheit und Schutz ermöglichen und die Verfolgung der eigenen Leidenschaften über einen gesetzlichen Rahmen eindämmen. Mit diesem Gesellschaftsvertrag sollten alle Bürger unwiderruflich und freiwillig auf "alle Macht", ihre Freiheit und insbesondere ihr Selbstbestimmungsrecht zugunsten "eines Einzigen" verzichten. Der Monarch als Souverän, der über Land, Städte und deren Bewohner herrschte. In den Händen hielt er ein Schwert und Krummstab, die Zeichen für weltliche und geistliche Macht.

Dieser Geist scheint sich jetzt in den Köpfen unserer "Eliten" wieder festzusetzen. Ob Jean Asselborn, Hans van Baalen oder Jakob Augstein in seiner Kolumne des Spiegel vom 11. April 2016 ¹, viele scheinen Ursache und Wirkung zu verwechseln. Wer die sozialen Daumenschrauben täglich nachzieht, muss sich über den Volkszorn an jeder beliebigen Wahlurne nicht mehr wundern. Es ist daher angeraten, alle politischen Denkzettel als ernst zunehmende Warnzeichen wahrzunehmen. Denn auch die Französische Revolution war die letzte Konsequenz eines nicht rechtzeitig bemerkten Aufstandes gegen die alte Weltordnung.

Demokratie ist, wenn der Bürger nicht stört. Unter dieser Prämisse betreibt die politische Elite ihr Geschäft seit Jahrzehnten. Wer die Zornesröte der Wähler jetzt mit Unfähigkeit kleinreden will, um ihnen die Politikfähigkeit zu direktdemokratischen Prozessen abzuerkennen, macht einen Fehler. Auch das Argument, nur eine kleine männliche Bildungselite würde das Abstimmungsverhalten bei Referenden zugunsten des Partikularwohls prägen, bei denen das Gemeinwohl herunterfallen würde, hinkt erheblich ¹. Denn der Lobbyismus, der die parlamentarische Demokratie vor sich her treibt, ist ein ganzes Heer von Partikularinteressen. Der Bürger als Wackeldackel auf der Hutablage. Den Blick stets nach hinten gerichtet auf das Geschehen, dass bereits an ihm vorbeizog.

Die Willensbildung über die Parteien funktioniert schon lange nicht mehr. Der tapfere Parteisoldat an der Basis, der die Luftballons verteilt und die Spitze nie erklimmen wird, hat ausgedient. Auch hier werden wir außerhalb der klassischen Parteienlandschaften vereinfachte Zugänge bis in die Bundespolitik finden müssen. Die berühmte Schwarmintelligenz gibt es tatsächlich, denn wir verfügen über ein kompetentes Bildungsbürgertum. Wo der Bürger eingreift, ist der Staat außen vor. Damit schwindet der Einzugsbereich staatlicher Gewalt. Diese Auflösungserscheinungen sind immer da zu finden, wo die bürgerliche Selbstverwaltung Fuß fasst. Auch der Einfluss der Geldeliten würde damit ins Hintertreffen geraten. Man stelle sich z. B. eine genossenschaftlich betriebene Energieversorgung auf kommunaler Ebene vor, was wäre TTIP und der Investorenschutz noch wert?

Wer also die direkte Demokratie in Frage stellt, hat Demokratie nicht wirklich verstanden oder hält es mit dem Erhalt der alten Machtstrukturen. Wir leben in einer globalisierten Welt, in der wir uns als Weltbürger verstehen sollten und die Pflicht haben, uns spürbar einzumischen. «Der Mensch ist frei geboren, aber überall liegt er in Ketten.», so heißt es im Gesellschaftsvertrag von Jean-Jacques Rousseau. Auch das 21. Jahrhundert benötigt einen neuen Gesellschaftsvertrag. Hier sollten wir uns Hannah Arendt zum Vorbild nehmen, die unter dem Begriff der «Revolution» einen Geist der Befreiung, einen Gründergeist und keinesfalls einen Geist der Subversion versteht. Und ohne diesen Geist der Befreiung in jedem einzelnen von uns wird es nicht gehen.

Quelle:

¹ http://www.spiegel.de/politik/deutschland/keine-gerechtigkeit-durch-demokratie-volk-und-wahrheit-a-1086533.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

initiative146

Die Initiative 146 wirbt für eine Verfassung in Deutschland und hat dazu bereits einen ausformulierten Verfassungsvorschlag ins Netz gestellt.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden