Hartz-IV trotz ehrenamtlicher Betätigung?

Wer ist arbeitslos. Gut 23 Millionen Deutsche sind Ehrenamtler. Davon sind viele ältere Hartz-IV-Empfänger, die nach dem SGB nur eine der Privatwirtschaft dienende Tätigkeit ausüben dürfen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Grundsätzlich gehört der individuelle Beitrag zum Wohle der Allgemeinheit zu einem sinnerfüllten Leben. Gerade in Deutschland, einem Land, das am meisten von Vereinen geprägt ist, sind die sogenannten Ehrenämter für viele zu einem festen Bestandteil des Lebens geworden. Ob Parteien, oder die klassischen Non-Profit-/ Non-Government-Organisationen, alle profitieren vom Engagement der Bürger. Mittlerweile werden diese "fleißigen Bürgerinnen und Bürger" nicht nur in Neujahrsansprachen der Kanzlerin hochgelobt, sondern erhalten auch Ehrennadeln vom Bundespräsidenten oder besondere Ausweise von den jeweiligen Sozialministerien, mit denen dann ausgewählte Einzelhändler Rabattpunkte im Rahmen des Förderprogramms "Bürgerliches Engagement" vergeben. Nur in der Gesetzgebung der Arbeitsförderung gilt diese Arbeit nicht als Arbeit. Im Gegenteil. Gemäß § 138 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gilt derjenige, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, als «arbeitslos». Und weil wir noch immer mit der Arbeit eine für andere gewinnbringende Tätigkeit verbinden, hat die berufliche Eingliederung eines Arbeitslosen auch Vorrang vor der Ausübung einer ehrenamtlichen Betätigung. Sie ist zu erzwingen und im Zweifelsfalle auch zu sanktionieren. Und so buhlen nicht nur Fünfzigjährige um immer rarer werdende Plätze in der freien Wirtschaft, schreiben unzählige Bewerbungen, nur weil es die Arbeitsagenturen von ihnen verlangen. Dabei gäbe es in der Gesellschaft reichhaltige andere Aufgaben, die zur Zeit nicht stattfinden, weil wir unser Humankapital noch immer in das Zeitalter der Industrialisierung pressen. In diesem Falle wäre es sogar angebracht, nicht mehr von Arbeitslosengeld zu sprechen, sondern von Bürgergeld. Solange sich an dieser grundlegenden Betrachtungsweise nichts ändert, sind die verliehenen Ehrennadeln des Bundespräsidenten nicht einmal das Material wert. Man kann nur darauf hoffen, dass irgendwann einer dabei sein möge, der auch hier laut und deutlich verkündet. "Nein, ich nehme diesen Preis nicht an."

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

initiative146

Die Initiative 146 wirbt für eine Verfassung in Deutschland und hat dazu bereits einen ausformulierten Verfassungsvorschlag ins Netz gestellt.

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden