Alt sein ist nicht schön

Krankenkommunion Leben im Alter - Ein sehr persönlicher Einblick

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Die Messnerin ruft mich an und fragt, ob ich nicht mitgehen könnte zur Krankenkommunion. Es ginge nicht lang und käme auch überhaupt nur drei, vier mal im Jahr vor. Sie möchte nicht allein gehen. Ich könnte doch lesen, bitte.

Bewaffnet mit den notwendigen Utensilien machen wir uns auf den Weg und stehen bald - im Sonntagsstaat - vor der ersten Haustür, ein bisschen komme ich mir vor wie die zeugenden Jehovas, nur dass wir gern gesehen sind und erwartet werden - der Besuch ist im Pfarrblatt angekündigt.

Das alte Ehepaar hat sich vorbereitet - alles ist sauber und ordentlich, sie haben sich extra hübsch gemacht, ein weißes Tischtuch aufgelegt, es brennt eine Kerze...

Zunächst aber müssen sie wissen, wer ich bin. Ich nennen meinen Namen, das hilft ihnen nicht weiter, auch der Ort, aus dem ich komme, ist keine Hilfe. Schließlich sage ich, dass ich den Sohn vom Maler geheiratet habe und nenne den Namen der Schwiegermutter. Ah. Sie erzählen ein wenig von Enkeln und Urenkeln, zeigen Bilder. 90 Jahre ist sie unlängst geworden, sagt die Frau. "Alt sein ist nicht schön! Wenn sie noch ein paar Schritte mit dem Rollator machen kann, ..." Ich denke an meine Omma, die ihre letzen Jahre in einer ähnlichen Lage verbrachte. Gut versorgt, medizinisch und auch menschlich - sie wohnte bei uns - und auch geistig noch ziemlich klar, war ihr täglicher Seufzer "Wenn der Herrgott mich doch endlich holen wollte." Das Leben ist eigentlich schon zu Ende, nur der Körper weiß das noch nicht. Der Tod hat seinen Schrecken verloren, langsam, nach und nach, er wird erwartet wie ein Freund, ohne lange darüber nachzudenken oder zu reden.

Wir beginnen. Die Gebete, die ich nachlesen muss, kommen den beiden mühelos über die Lippen, sind vertraute Formeln. Sie lächeln, als ich einen Text vorlese, finden offensichtlich Trost im vertrauten Ritual, die Augen werden feucht. Das sei für sie besonders schlimm, sagt der Mann, dass sie nicht mehr in die Kirche gehen könnten, sie seien uns sehr dankbar. Was soll ich darauf sagen? Es berührt mich, ohne peinlich zu sein. Die Kinder kümmerten sich, sagen sie, aber die Religion, das interessiere sie nicht so sehr. Wir müssen gehen, es gibt andere, die auf uns warten. Die Kerze brennt noch eine Weile.

Nach einer guten Viertelstunde stehen wir wieder auf der Straße und machen uns auf den Weg zum nächsten Ehepaar.

Ich weiß nicht, ob das typisch ist für diese Generation oder für alte Menschen auf dem Land und es ist mir auch egal. Ich bin froh, mitgegangen zu sein.

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

Ismene

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