Bevor ich Kinder hatte war ich in meiner grenzenlosen Naivität davon ausgegangen, wenn man eine sinnvoll Regel erklärt, dann wird sie auch befolgt.
Heute weiß ich: das Erklären einer sinnvollen Regel führt höchstens dazu, dass sie nicht absichtlich übertreten wird. Will ich, dass sie auch eingehalten wird, muss ich mir was einfallen lassen.
Ich hatte mal ein Plakat, auf dem das stand:
gedacht ist nicht gesagt
gesagt ist nicht gehört
gehört ist nicht verstanden
verstanden ist nicht einverstanden
einverstanden ist nicht umgesetzt
umgesetzt ist nicht beibehalten.
Es stimmt! Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Irgendwo zwischen den Zeilen verlieren wir den Anschluß und bleiben - immerhin mit guten Vorsätzen - stecken.
So habe ich jahrelang nach einzelnen Socken gefahndet, die ich auch regelmäßig in irgendwelchen Ecken des Kinderzimmers fand, obwohl mein Kind tapfer behauptete, überall nachgesehen zu haben. Seit ich nicht mehr auf Sockenjagd gehe, fehlen eben manchmal am Morgen passende Socken. Wer auch nur einmal mit einer hellblauen Socke rechts und einer dunkelblauben Socke links zur Schule gegangen ist, weiß: die Zahl der einzelnen Socken hat sich drastisch reduziert.
Na gut, bei Kindern muss man halt immer etwas mehr Geduld aufbringen, bis sich was ändert. Stimmt nicht ganz.
Ich bin Schriftführerin in verschiedenen Gremien. Als ich anfing, tagte man mindestens drei Stunden, meist länger. Nötig war das sicher nicht, da waren sich alle einig. Geändert hat diese Einsicht aber nichts. Geärgert haben sich alle, geändert aber nicht. Eines schönen Sitzungsabends musste ich spätestens um 22.30 weg, weil der Babysitter länger nicht konnte. Tja, was soll ich sagen, zweieinhalb Stunden reichten für den Abend und reichen seither immer. Der Babysitter kann einfach nicht länger.
Es ist eine Form von Erpressung - wenn Du mir nicht die Socken an die Sonne bringst, musst Du halt mit verschiedenen in die Schule gehen - wenn Ihr Euch nicht zusammenreißt, muss halt ein anderer den Rest des Protokolls schreiben - wenn, ... mir fallen echt viele Beispiele ein (nicht nur für Kinder). Es funktioniert immer nur, wenn Schmerzen (welcher Art auch immer) drohen.
Es bleibt ja eine alte Frage: was hilft besser Lob oder Strafe? Strafe wirkt sofort, aber nicht nachhaltig. Lob braucht einfach unheimlich lange. Die Mischung macht's - da bin ich sicher.
Mittlerweile erkläre ich Regeln und Anweisungen und mache gleich klar, was passiert, wenn diese nicht eingehalten werden.
"Erpressung" ist so ein hässliches Wort und meine Kinder finden mich dafür auch gemein (die Erwachsenen nennen das anders, aber das kriege ich ja nicht mit). Andererseits steht in meinem Arbeitsvertrag "Bereitschaft zum gelegentlichen Gemein- und Peinlich-Sein".
Verblüffender Weise funktioniert das aber ganz prima und nicht nur bei den Kindern. Ich bin ja nicht besser, so manche Regel halte ich nicht ein, weil ich nur einsichtig bin, sondern auch weil ich die Folgen fürchte... - aber "Erpressung" ist wirklich so ein schäbbiges Wort
Kommentare 18
;-)
Dieser Beitrag macht Dich noch sympathischer liebe Ismene. Er trifft genau ins Schwarze.
Erpressung liest sich zwar schäbig, zeigt aber in manchen Situationen tatsächlich Wirkung. ;-)
Ich hasse übrigens Sitzungen. Warum? Diverse Personen sich dann in Szene setzen und total aufgebläht, quasi von Hinten durch die Brust ins Auge formulieren. Und könnten dieses „Viel Wind um nichts-Geschwafel“ eigentlich in einem Satz erledigen. Das Schlimme darin ist dann noch, dass diese nicht wirklich zur Lösung eines Problems beitragen und ich dann immer denke: Warum sitze ich hier und muss mir das doofe Geschwätz anhören.
Neulich fragte ich bei einer Veranstaltung eine Freundin, wer die Frau da vorne in der ersten Reihe sei. Die knappe Antwort war: Frau Wichtig.
Später wusste ich warum man sie Frau Wichtig nannte. Die Dame hatte eine Profilierungsneurose. ;-) Wer mit ihr dann in einem Meeting sitzt, muss wahrscheinlich Sitzfleisch und gute Nerven haben. Kann natürlich ein Vorurteil sein. Die Sockenschwund-Thematik kenne ich übrigens auch.
Liebe Grüße
Corina
Och, die Konsequenzen des eigenen Handelns kann mensch doch nicht früh genuch erfahren. Man kann es ja gesächselt aussprechen, dann klingt es nicht so nach Erpressungshärte: Gonnsegwänsn :o) Gruß! A.
Danke, liebe Corina, Tatsache ist: ich erpresse nicht, ich zeige nur die Konsequenzen auf und lasse sie auch wirklich eintreten. Das kann man leicht miteinander verwechseln... In Sitzungen kann man viel mit Methoden machen, natürlich nur, wenn den Vorsitz hat. Als Protokollantin hab ich naturgemäß auch mehr Möglichkeiten... Ich hab's aber auch schon gebracht, zu sagen, ich würde jetzt langsam müde und würde dann gleich mal gehen... Manchmal ist es aber gar nicht so einfach, logische Konsequenzen zu finden. Dann muss ich mich natürlich fragen, warum mir das jetzt auch so wichtig ist... Liebe Grüße Ismene
Liebe Amanda,
ich kann gar nicht sächseln ind muss also das böse Wort erdulden, aber - wie gesagt - es handelt sich ja nur um Verwechslung...
Liebe Grüße
Ismene
Hm...
...liebe Ismene, ja Konsequenzen aufzeigen und auch dementsprechend handeln...
Ich hab' Dich schon verstanden. ;-)
LG
Corina
Mir gefällt der Gegensatz zwischen der Vernunft und dem Erleben von schmerzhaften Folgen nicht. Man kann ja gar nicht beurteilen, was vernünftig ist, wenn man nicht verschiedene Erfahrungen mit den Wirkungen des eigenen Handelns gemacht hat. Was man von Kindern meines Erachtens nicht erwarten kann ist, dass sie auf eigene Erfahrungen verzichten und statt dessen die Vernunft ihrer Eltern übernehmen.
Hallo snow_in_june,
natürlich sollen Kinder selbst Erfahrungen machen und ich nehme dabei gern das ein oder andere umgestoßene Glas klebrigen Zeugs (Mineralwasser kippt ja nie um) oder mal einen zerbrochenen Teller in Kauf. Andererseits gibt es auch Erfahrungen, die ich meinen Kindern so gut ich kann verwehre - klassisch: sie müssen sich das Ohmsche Gesetzt nicht mit Hilfe zweier Stricknadeln an der Steckdose aneignen.
Mir geht es allerdings nicht darum, dass man keine (oder nur wenige) eigene Erfahrungen macht und sich auf dem Wissen der Altvorderen ausruht. Mir geht es um die Verhaltensweisen, die sich trotz gemachter schlechter/unangenehmer/schmerzhafer Erfahrungen nicht ändern.
War vielleicht etwas missverständlich formuliert.
Liebe Grüße
Ismene
Liebe Ismene,
bei Kindern braucht es ganz viel Liebe, Regelmässigkeit, also feste Tagesabläufe , aber auch Konequenz, wobei die Konsequenz dem Kind als kleinem Menschen jedoch seine Würde lassen muss.
Ich habe keine Kinder und noch nicht einmal eine Partnerin. Vielleicht habe ichda leicht reden.
Ich stelle mir aber vor, dass wenn ich Kinder gehabt hätte,, ich sie nach diesen Grundsätzen ins Leben begleitet hätte.
Ich glaubeaber, so wie du das bei Dir beschreibst, dass Du das ziemlich gut machst.
Herzliche Grüße
por
liebe ismene,
ohne sanften druck verwildern die lieben sprösslinge. aber im laufe der jahre müssen sie lds erfahren. sonst wird das nie was.
lg
hy
"...Ich hab's aber auch schon gebracht, zu sagen, ich würde jetzt langsam müde und würde dann gleich mal gehen..."
Vorsicht, erzähl das mal nicht Deinen Kindern... Nich - das die das noch in der Schule so anwenden ;-)
"Die Mama hat gesagt..."
Hallo Oberham,
Wir haben jeden Morgen die Wahl - mitfunktionieren oder dagegen stehen
Ich lebe in diesem System, in der Tat, und seit meine Tochter sechs ist allerspätestens habe ich diese Wahl nicht mehr. Da muss sie zur Schule, ich kann grade noch entscheiden, in welche.
- unseren Kindern wollen wir die Konsequenzen (keine gute Ausbildung = würdelose Existenz am Rand der Gesellschaft? - stimmt nicht, es geht auch anders! Man kann durchaus ohne Schulbildung eine würdevolle Existenz aufbauen - nur nicht in den etablierten Bahnen....)
ersparen - also müssen wir sie erpressen = gut erziehen!
Der Zusammenhang zwischen Ausbildung und Würde ist mir nicht nachvollziehbar. Ich hab - nur als Beispiel - Flüchtline kennengelernt, die in Deutschland unter entwürdigenden Bedingungen gelebt haben und dennoch mehr Würde ausgestrahlt haben als so mancher, der wohlgebildet oder mächtig reich daher kommt.
Aber: Eine gute Ausbildung ermöglicht eine Wahl und das meine ich nicht in Bezug auf eine berufliche Laufbahn, sondern auch und gerade in Bezug auf die persönliche Entwicklung. Schon aus diesem Blickwinkel heißt für mich Erziehung, dafür zu sorgen, dass mein Kind die Chance hat zu werden "der es sein kann". Das geht sowieso nicht durch vollständige Integration in diese Gesellschaft.
Ich seh das anders - übrigens - jeder kann doch jederzeit eine Sitzung verlassen - oder nehmen sie an Zwangsgruppentreffen teil?
Nein, ich nehme nicht an Zwangsgruppentreffen teil, sondern an Sitzungen von Gremien, in die ich gewählt wurde und diese Wahl verpflichtet mich. Ich muss mich natürlich nicht in dieser Weise engagieren, aber wenn ich es tue, dann nehme ich auch z.B. an Sitzungen teil.
Liebe Grüße
Ismene
Danke lieber Poor,
im Großen und Ganzen bin ich auch ganz zufrieden, aber nicht immer ohne Zweifel. Aber das halte ich eher für ein gutes Zeichen...
Einen sonnigen Tag wünscht
Ismene
Einverstanden, lieber Kallewirsch,
Erpressung ist das Wort, mit dem mein Kind versucht, mich weichzuklopfen. Hätte auch mal fast geklappt. Heulende saß der Knabe da und schnieft "immer erpresst du mich, damit du deinen Willen kriegst, nur weil du süchtig bist nach Sauberkeit und Ordnung, ..." das hat mich mächtig schockiert und dazu geführt, dass ich mittlerweile ganz gut differenzieren kann.
Tu, was ich sage, oder ich schmeiß Dein Lieblingsspielzeug weg, das ist Erpressung. Ich wasche nur, was am Waschtag im Wäschekorb ist, das ist keine.
Gerade bei Erwachsenen fühlt es sich aber komisch an. Dass etwas funktioniert, weil es sonst "negative" Auswirkungen hat, statt einfach so auf Grund von Einsicht, kratzt schon ein bisschen an meinem Bild von erwachsenen Menschen...
Liebe Grüße
Ismene
Hallo h.yuren,
das lasse ich die Kinder auch erfahren. Ihre "Schmerzgrenze" ist einfach deutlich höher als meine, aber irgendwann finden sie selbst, dass man aufgeräumt werden muss...
Liebe Anchesa,
an der Stelle kann ich Entwarnung geben. Die Kinder wissen sehr gut, dass es eine Schulpflicht gibt und dass diese zu den besten Sachen seit Erfindung des Scheibenbrots gehört (über das System kann man natürlich streiten) und warum. Im Wesentlichen gehen die ziemlich gern zur Schule.
Liebe Grüße
Ismene
als ich deinen blogtitel las, dachte ich im ersten augenblick an traumatisches lernen, liebe ismene. so hart ist es nicht gemeint, dein kürzel lds.
eine andere assoziation jetzt führt zur alten prügelpädagogik. da war ja auch der schmerz das angebliche allheilmittel.
einfacher ist es durch mitleid zu lernen, wenn denn die legende über buddhas erschrecken angesichts dessen, was er um sich herum sah, mehr ist als eine fromme erfindung.
liebe grüße, hy
Lieber H.Yuren,
der Begriff selbst stammt - soweit ich das persönlich rekonstruieren kann - vom Bund, nicht von ungefähr möchte ich meinen.
Ja, ich hätte auch so manches lieber durch Mitleid oder Einsicht als durch Schmerz gelernt, ....
Schmerz ist kein Allheilmittel, aber einige Wachstumsprozesse sind tatsächlich mit Schmerzen verbunden. Nun ja, so hart war es tatsächlich nicht gemeint.
Liebe Grüße
Ismene
Lieber Oberham,
ich bin in der Tat eine große Optimistin - trotz aller Rückschläge, die es immer mal wieder gibt. Und ich fühle mich sicher nicht angegangen. Im Gegenteil, ich empfinde Ihre Kommentare als Denkanstoß, nachzuspüren, wie tief ich schon drin stecke im System und ob das für mich noch in Ordnung ist.
Ich werde wohl das System nicht gänzlich verlassen, aber anecken, das ist nicht zu vermeiden - das erleben meine Kinder auch jetzt schon - und das ist oft auch richtig (wenn auch nicht immer schmerzfrei). Gerade dann, wenn man sich z.B. in einer Gruppe von Kindern um jedes bemüht, auch gerade um das, das sowieso immer anders ist.
Kinder wachsen immer in ein System hinein und sie müssen - so oder so - lernen, dass manche Dinge nicht gehen. Ich kann das System ungefragt mitnehmen oder ein anderes (vielleicht nur modifiziertes) dagegen setzen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, aber ich versuche es und weil ich eben optimistisch bin, höre ich damit auch nicht auf. Aber - und da danke ich noch einmal ausdrücklich für Ihre Ansicht - es ist manchmal mühselig, zu schauen, ob ich da noch auf dem (für mich) richtigen Weg bin.
Liebe Grüße
Ismene
Lieber Kallewirsch,
Eigenverantwortung will auch gelernt sein. Ich erlebe es grade. Da ist die Aufgabe für eine Gruppe zu groß und sie dümpelt orientierungslos vor sich hin. Da braucht es Anweisung und Anleitung. Solange das Ziel aber Selbständigkeit und Eigenverantwortung bleibt, bist Du ja auf einem guten Weg.
Ich muss ja auch nicht jede Regel oder Vorgabe durchsetzen und kann durchaus auch mal erlauben, dass ein Umweg oder sogar Irrweg eingeschlagen wird. Vieles ist verhandelbar, aber nicht alles und da ist es die Pflicht des Chefs (wie auch immer der heißt) einzugreifen. Das gilt für Mitarbeiterinnen ebenso wie für Kinder.
Liebe Grüße
Ismene