Tage des Grauens - im Banne des Feudels

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Vorweg zwei Bemerkungen:

1. Ich kann putzen und das sogar recht ordentlich, ich tue es aber nicht gern.

2. Ich mag meine Schwester und kann sowohl Mutter als auch Schwiegermutter im Großen und Ganzen gut ertragen. Die Kombination aber kann mitunter grauenhaft sein.

Das Fest ist lange geplant und trotzdem ist es dann überraschend da. Weil die ganze Sippschaft anreist, muss geputzt werden, was ich auch tue, aber - es ist wie sooft, ich werde nicht rechtzeitig fertig. Der Hof ist ungeputzt und die Böden wollen noch aufgewischt werden. Kein Problem, denke ich als ich zum Bahnhof fahre, um die Schwester samt Kindern abzuholen, das Fest ist ja erst übermorgen.

Kaum wieder daheim teilt die Schwester mit, sie könne unmöglich im Hof sitzen, so wie das da aussähe (also wirklich).

Na gut.

Nachdem ich diesen Makel beseitig habe, mache ich mich ans Böden aufwischen. Das kann die Schwester kaum ertragen und beschließt zu helfen. Ich hätte nur die Böden zu wischen, aber ich sehe das wahrscheinlich auch nicht richtig und so kommt mein Bad in den Genuß zweimal an einem Tag geputzt zu werden.

Na gut.

Ich bleibe gelassen und merke: es geht gar nicht ums Putzen oder um Sauberkeit, sondern um etwas anderes, was ich aber gar nicht erst ergründen will.

Beim Bezug der Schlafstätte im Kinderzimmer seufzt die Schwester erleichtert "wie schön, dass andere Kinder genauso schlampig sind wie meine". Ich seufze auch (aber nur innerlich) und bin dankbar dafür, dass die Kinder das nicht gehört haben. Die haben nämlich - für mein Verständnis - vorbildlich aufgeräumt.

Nun ist alles ordentlich geregelt und der Tag endet ausgesprochen harmonisch. Bei Sekt sitzen wir im Hof und reden aneinander vorbei, bis wir betrunken genug sind, um schlafen zu gehen.

Der nächste Tag ist voll. Das Fest will noch mal geplant und vor allem die Tischdekoration will gerichtet sein.

Alles nett.

Bis am späten Nachmittag Mutter eintrifft. Die hält ich gar nicht lange mit Begrüßungen auf und spricht (wohl in lobender Absicht) "Hast Du aufgeräumt? Man kann sich ja mal richtig wohl bei Dir fühlen!"

Danke, Mutter.

Diese Bemerkung erzürnt nun wiederum die Schwester, die mir bei nächster Gelegenheit mitteilt, dass das ja nun wirklich eine Unverschämtheit gewesen sei (ich wäre da von allein gar nicht drauf gekommen). Es sei zwar richtig, dass es bei mir immer fruchtbar aussähe und so sähe es bei ihr niemals aus, aber schließlich käme man ja mich besuchen und nicht ... den Rest kriege ich nicht mehr mit, weil ich dann doch gekränkt bin.

Ja, ich weiß, es geht gar nicht ums Putzen und ich kann da locker drüber stehen. Tu ich aber nicht. Jedenfalls nicht sofort.

Der Rest des Tages verläuft etwas weniger harmonisch, endet aber mit ungefähr dem gleichen Promillesatz.

Endlich: der Festtag! Eine rundum gelungene Sache. Alles ist offensichtlich sauber und ordentlich genug. Außerdem geht es nicht zu lange - Montag ist Arbeitstag.

Am Montagmorgen bringe ich die Schwester wieder zum Bahnhof. Als ich heim komme, finde ich Schwiegermutter und Mutter in trauter, wenn auch ausgesprochen seltener, Einigkeit im Hof vor.

Nein, sind sie sicher, bei uns würde niemand etwas stehlen. Wenn da ein Dieb käme und die Unordnung sähe, wüsste der gleich, dass hier nichts zu holen ist.

Da kommt meine Gelassenheit zurück (hallo!). Bei mir ist es eindeutig sauber genug, um gesund zu sein, und schmutzig genug, um glücklich zu sein. Fertig. Es gibt nämlich so viele andere Dinge, die ich gern mache!

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

Ismene

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