Wäsche auf der Leine - wann beginnt der Frühling?

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Sprache ist in der Beschreibung der Realität nicht gerade besonders gut. Widersprüche und Ungenauigkeiten wohin wir uns auch wenden. Zum morgigen meteorologischen Frühlingsbeginn hier eine kleine sprachliche Betrachtung von Wolf Schneider mit einigen Alltagskommentaren:

„Man betrachte die sogenannten Jahreszeiten. Die Natur hat keine gemacht; allefalls, bei hinlänglich bescheidenen logishen und meteoroloschischen Ansprüchen, lassen sich zwei unterscheiden: Regenzeit und Trockenzeit, … oder Heizzeit und Nichtheizzeit. Wir bestehen jedoch darauf, dass es vier Jahreszeiten gebe, und richten, da wir dem ewig wendischen Wetter nun einmal die sprachliche Klassifizierung aufgenötigt haben, sogleich bestimmte Erwartungen an dasselbe: Im Sommer soll es warm und im Frühling schön sein. Frühling! Für Astronomen, Taschenkalenderredakteure und den Durchschnittsbürger beginnt er am 21. März, mit einer Gewissheit, die dem Fernsehen am 18. März die klassische Einsicht ermöglicht: »Drei Tage vor Frühlingsanfang ist in Deutschland schon der Sommer ausgebrochen«. Keiner will beschreiben, was war: Am 18. März herrschten 25 Grad im Schatten. »Wärme« wäre ein angemessenes Wort dafür, auch »überraschend frühe Wärme«, sogar »endlich Frühling«. Aber da darf nichts Frühling heißen, der beginnt am 21. März, so will es unser Klassifizierungsdrang – noch dazu im Widerspruch zu anderen Einteilungen: Für die Meteorologen hat der Frühling schon am 1. März begonnen, und die Phänologen beschreiben den Frhling so: Der Vorfrühling setzt mit dem mittleren Beginn der Schneeglöckchenblüte ein, der Erstfrühling mit dem Aufbrachen der Stachelbeerknopsen oder dem Erscheinen der Blattoberfläche der Rosskastanie, der Vollfrühling mit der Flieder- oder Apfelblüte, die in Deutschland je nach Jahr und Gegend zwischen Anfang April und Anfang Juni einsetzt. »Der Frühling« beginnt also ununterbrochen von Februar bis Juni, …“ (Wolf Schneider: Wörter machen Leute, München 1996).

Eine nichtrepräsentative Umfrage im Familien- und Bekanntenkreis förderte u.a. folgenden Definitionen zu Tage: Frühling ist, wenn

- es auf dem Schulweg anfängt, hell zu werden
- die Wäsche draußen auf der Leine hängt
- das Brummen von Motorräden an Wochenenden wieder deutlich vernehmbar ist
- es keine Süßigkeiten mehr gibt (da wurde was mit der Fastenzeit verwechselt)
- die Störche wieder zurück kommen
- ewig Matsch im Haus ist
- die Spitzen der Tulpen aus der Erde krabbeln
- …

Hallo Community, wann ist für Euch Frühling?

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Geschrieben von

Ismene

Kein Mensch ist freiwillig schlecht.Aber es sind schon viele ganz komisch unterwegs.antigone@weibsvolk.org

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