Die Befürchtungen, die FDP könnte in ihrer Not auf den Siegeszug der europäischen Rechtspopulisten aufspringen, haben sich mit der Wahl von Philipp Rösler zum Parteivorsitzenden am vorigen Wochenende erledigt. „Da ist die Tür ins Schloss gefallen“, sagt der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge. Für Rösler sei das Vorgehen gegen Rassismus immer eine Triebkraft gewesen.
Dass das Wählerpotenzial für eine rechtspopulistische Partei in Deutschland vorhanden ist, hatte vergangene Woche deutlich eine repräsentative Umfrage gezeigt, die der Freitag beim Forsa-Institut in Auftrag gegeben hatte (siehe Freitag Nr. 19). Danach erhielten Kernaussagen europäischer Rechtspopulisten Zustimmungswerte zwischen 30 und 70 Prozent. Knapp die Hälfte der Befragten sprach sich etwa für eine drastische Beschränkung der Zuwanderung aus.
„Das ist erschreckend“, kommentiert Butterwegge die Ergebnisse. Überrascht sei er aber nicht. „Das ist im Rahmen dessen, was man erwarten kann“, sagt auch Kai Arzheimer, Politikforscher in Mainz. Allerdings seien nicht alle Aussagen nur rechtspopulistisch zu interpretieren. „Dass Deutschland zu viel Geld nach Europa gebe, hat auch Schröder gesagt“, verweist Arzheimer. Ähnlich sieht es Alexander Häusler, Düsseldorfer Neonazismus-Forscher: „Europa-Skepsis muss nicht immer Ausdruck nationalistischer Ressentiments sein, sondern kann auch auf berechtigter Kritik an Entdemokratisierungsprozessen beruhen.“ Um Fremdenfeindlichkeit dezidiert nachzuweisen, „bedarf es wesentlich differenzierterer Erhebungsmuster“.
Etwas andere Indikatoren für Rechtspopulismus benutzt auch der Bielefelder Autor der Langzeitstudie zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, Wilhelm Heitmeyer. Er nennt Rassismus, Antisemitismus und „autoritäre Aggression“ (Law-and-Order-Rhetorik) als Indikatoren für Rechtspopulismus und kommt auf ein Potenzial von 20 Prozent in der deutschen Bevölkerung. Generell sei Rechtspopulismus schwer messbar, da dieser je nach Stimmung unterschiedliche Themen besetze und entsprechend inkonsistent sei.
Eher zurückhaltend
Einigkeit herrscht unter den Forschern darüber, dass der Rechtspopulismus derzeit keine Verbindung „zur Sphäre der Parteipolitik“ (Butterwegge) aufweise. Die Pro-Bewegung oder die Berliner Partei „Die Freiheit“ agierten noch zu dilettantisch oder zögen keine ausreichend klare Trennlinie zur rechtsextremen NPD.
Drei Gründe erkennen die Experten – neben deutscher Geschichte und Mangel an charismatischen Anführern – für den ausbleibenden überregionalen Erfolg einer rechtspopulistischen Partei: Erstens gingen die Medien das Thema insgesamt noch recht vorsichtig an. „Was die Bild-Zeitung über Asylbetrüger schreibt, ist zwar bisweilen hanebüchen, aber nichts im Vergleich etwa zur Kronenzeitung in Österreich“, so Arzheimer.
Zweitens kanalisierten die etablierten Parteien derartige Positionen derzeit noch recht gut. Drittens hält Arzheimer den funktionierenden Sozialstaat für ein Bollwerk: „Wo die sozialen Sicherungssysteme relativ stark sind, haben solche Parteien kaum eine Chance.“ Die Wählerschaft von rechtspopulistischen Parteien rekrutiert sich besonders aus den so genannten Modernisierungsverlierern – also Gruppen, „die im Prozess der Deindustrialisierung abgehängt werden oder sich abgehängt fühlen und die dafür einen Schuldigen suchen“. Solche Faktoren zeigen aber auch, dass niemand sich auf dem Status quo ausruhen sollte. Bleibt noch die Frage nach der richtigen Prävention. Alexander Häusler vermisst eine offene, demokratische Debatte auch über die Probleme „auf dem Weg in die europäische Bürgergesellschaft“. Rechtspopulistische Positionen dürften nicht tabuisiert, sondern müssten inhaltlich-argumentativ entkräftet werden. „Erklären ist wichtig“, sagt auch Tim Spier, der an der Universität Düsseldorf über rechtspopulistische Themen forscht. Sollte einer rechtspopulistischen Partei der Sprung in ein Parlament gelungen sein, hält Spier die so genannte „Umarmungsstrategie“ für erfolgversprechend – sofern nicht bekennende Neonazis umarmt werden müssen: „Rechtspopulisten in Regierungsverantwortung haben bei den nächsten Wahlen immer verloren.“
Jörn-Jakob Surkemper ist Journalist in Hamburg
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