Bemerkungen zu einer Anti-Leitkultur

Maxim Gorki Studiobühne Eine klare Stellungnahme für die jüdische Diaspora - Micha Brumlik und Max Czollek präsentierten in der Ahnengalerie der Auserwählten das neue Periodikum „Jalta“

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Der Bogen von der AFD bis zu Donald Trump spannt sich selbst. In der westlichen Welt schwindet die Freiheit, während ein überwunden geglaubter Chauvinismus an die Tröge der Macht zurückkehrt. Die Zivilgesellschaft steht unter Druck. Ihr begegnen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Nationalismus. Dem stemmen sich die Herausgeber*innen des im Neofelis-Verlag erscheinenden Diskursmagazins „Jalta“ entgegen. Eingerahmt von Max Czollek, stellte Micha Brumlik stellvertretend für Anna Schapiro, Hannah Peaceman, Lea Wohl von Haselberg und Marina Chernivsky die neue Wunderwaffe für den intellektuellen Nahkampf in der Ahnengalerie der Auserwählten vor. Das Foyer der Maxim Gorki Studiobühne besticht während der Radikalen Jüdischen Kulturtage als Galerie von Ansichten weiblicher Scharfschützen der Roten Armee. Brumlik sprach von „Flintenweibern“. Man ließ ihm das durchgehen.

„Wir sind die Differenz“ – Bemerkungen zu einer Anti-Leitkultur

Brumlik forderte die Abkehr von der Imagination einer gesellschaftlichen Mitte. „Wir definieren die deutsche Leitkultur von außen“, ergänzte Czollek.

Der Magazinname spielt nicht nur auf eine Konferenz im Winter Fünfundvierzig an, die Deutschland zur Verfügungsmasse der Alliierten erklärte. Die Herausgeber*innen berufen sich mit „Jalta“ auf eine jüdische Feministin des vierten Jahrhunderts, die ihre Vehemenz in den Dienst einer Kritik der männlichen Thoraauslegung stellte und als Tochter eines Führers in der babylonischen Diaspora sieben Mal im Talmud erwähnt wird. Brumlik rezitierte „An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten. Wir hängten unsere Harfen an die Weiden in jenem Land“ in hessischer Mundart. Babylon bot sich als Stichwort für ein korrespondierendes Periodikum an. „Babylon“ erschien von 1986 bis 2010 mit „klaren, vom Glanz der Frankfurter Schule beschienenen Stellungnahmen für die jüdische Diaspora“ im Verlag „Neue Kritik“.

„Die Frage nach der Identität ist immer eine Art von Wurzelbehandlung.“ Max Czollek

Die „Jalta“-Macher*innen sondieren „Hybride jüdischer Identitäten“. Die erste Ausgabe widmete sich der „Selbstermächtigung“. Im letzten Jahr fiel bei den „Radikalen Jüdischen Kulturtagen“ kein Podiumswort häufiger als Empowerment. Im Heft geht es um Rebellinnen, Schäferhunde und „die Verbindungen von Schwarzen und Juden“. Es geht darum, aus der Sterilität einvernehmlicher Radikalität herauszutreten und es auf Krach ankommen zu lassen.

„Wir positionieren uns. Wir nehmen keine Rollen an, die uns von außen zugetragen werden.“

Der erste Nachschlag verhandelt die Standpunkte der „Desintegration“ als Metapher und Methode im Kulturkampf. Brumlik begrüßt die Ungemütlichkeit der verschärften Teilhabeforderungen von Minderheiten. Desintegration ist „die Diskokugel der Migration“. Die Zauberformulierung lautet: „Radical Diversity im Zeichen von Social Justice.“ Hierzu: https://www.forum-politische-bildung.de/sites/forum-politische-bildung.de/dateien/multi/czollek_perko_weinbach_text_socialjustice_diversity_09.pdf

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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