Blowout

17. Literaturfestival „Das zerstörte Leben des Wes Trench“ - Der Schriftsteller Tom Cooper las auf dem 17. Internationalen Literaturfestival

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Tom Cooper

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Foto: Jamal Tuschick

Katrina machte Wes Trench zum Halbwaisen. Die Mutter rutschte ihm durch die Finger und wurde zum Spielball des Hurrikans. In der Handlungsgegenwart liegt das hausgemachte Unglück, Vater Bob, ein halsstarriger Shrimpsfänger, hatte sämtliche Evakuierungsfristen verstreichen lassen, fünf Jahre zurück. Wes ist siebzehn und sieht sich der nächsten Heimsuchung ausgesetzt. Ein Blowout hat die Bohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko abgefackelt. Eine Ölpest bedroht weit und breit alles. Das erzählt Tom Cooper in seinem ersten Roman „Das zerstörte Leben des Wes Trench“. Im Original: „The Marauders“.

Der deutsche Titel verfehlt die Geschichte. Wes wurde in einer Gemeinschaft sozialisiert, die frei von Pathos biblische Gleichungen annimmt. Sie lebt nach der Hemingway’sche Formel „Man kann zwar vernichtet werden, aber man darf nie aufgeben“.

Grandios in den Seilen hängende Typen bevölkern die Barataria Bay. Die von Zypressenwäldern verdunkelte Marsch westlich des Mississippi Deltas entspricht als Landschaft einem Meskalinrausch. In den alten Tagen des französischen Südens war sie ein Rückzugsraum des Piraten Jean Lafitte. Immer noch lädt der Sumpf zu Verbrechen, maßlosen Erwartungen und Autonomiebehauptungen ein.

„Der Sumpf ist ein Romancharakter“, erläuterte Tom Cooper im Rahmen des 17. Internationalen Literaturfestivals. Der Schriftsteller stammt aus Florida und begreift sich als Southerner – als Mann des Südens. Das sei eine stoische Existenzform. Coopers Helden sind auf eine introvertierte Weise eher explosiv. Sie orientieren sich an der Natur und vergleichen sich mit Ratten. Der Autor übertreibt es beinah mit seiner Menagerie und dem Reptilienaufkommen. Alligatoren und Schlangen sind in der fiktiven Bayou Siedlung Jeanette genauso so zuhause wie Tres und der einarmige, zwanghaft witzelnde, seinen Traum tablettensüchtig jagende Schatzsucher und Shrimper Gus Lindquist. Außerdem wirken da noch die traurigen Gestalten Cosgrove und Hanson und die handfesten Zwillinge Toup. Als Marihuanafarmer genießen sie einen tadellosen Ruf. Sie erscheinen der Gemeinde wie Castor und Pollux. Zumal Lindquist, den die Brüder zu Unrecht verdächtigen, sich an ihren Pflanzen vergriffen zu haben, spielen sie übel mit.

Lindquist ist der heimliche Held des Romans. Er ist viel zu großartig für das klägliche Schicksal, das ihm Cooper verpasst hat. Sein Comeback wäre sogar dann realistisch, wenn man ihn von den Toten wiederauferstehen lassen müsste. Wes steigt bei ihm ein.

„Das zerstörte Leben des Wes Trench“ wird verfilmt. Cooper versteht die mediale Verwandlung als eine Möglichkeit, all das auszupacken, was er und sein Bruder dem Text aus dramaturgischen Gründen weggenommen haben, wie zum Beispiel siebzehn weitere Charaktere. Der Bruder habe grundsätzlich die Funktion eines „bullshit detector“.

Cooper bekannte, nicht zu wissen, was er als nächstes schreiben soll. Ich habe sogar schon den Titel für ihn: „Gus Lindquist kommt zurück“.

Tom Cooper, „Das zerstörte Leben des Wes Trench“, Roman, aus dem Amerikanischen von Peter Torberg, Ullstein, 384 S., 22,-

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick