Little money, no fame

Kunst im Iran Jede Generation hat ihr eigenes Schicksal – Hannah Jacobis Interviews zur zeitgenössischen Kunst im Iran erhellen die Bedingungen einer Kunstproduktion.

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Hannah Jacobi nach der Premiere im Berliner Salon am Moritzplatz

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Es gibt keine Repräsentanz und nichts Repräsentatives. Alles ist Fragment.

In diese Klammer zog Hannah Jacobi das zeitgenössische Kunstgeschehen im Iran. Gemeinsam mit der Künstlerin Raana Farnoud und dem Kurator und Publizisten Behzad Nejadghanbar stellte sie ihre in der „Edition Faust“ erschienenen Interview-Band „Stimmen aus Teheran“ im überfüllten „Salon am Moritzplatz“ vor. Das Thema und die Publikation wirkten wie ein Magnet auf ein Publikum mit hohem Schauwert.

Die „Stimmen“ kommen aus dem Bauch der Hauptstadt. Sie gehören den lokalen Helden eines neuen „Deep Inside“, so sagte es Jacobi. Die Protagonisten sind oft jünger als die Iranische Revolution von 1979. Die Absetzung des Schahs Reza Pahlavi, das Ende einer Monarchie, die es schon gab, bevor Jesus geboren wurde, und die Rückkehr Ajatollah Khomeinis sind für die Jungen dem eigenen Erscheinen lediglich vorgeschaltete Ereignisse. Sie bewegen sich in einem System, in dem Reiche sich Galerien und Künstler leisten wie Rennställe und -pferde. Die Kultur bietet sich zur Akzentuierung an. Die Schauräume sind Durchlauferhitzer. Man erscheint darin interessanter als die Kunst. Der große Rest ist sich selbst bewerbender Underground und gestattet eine preiswertere Art urbaner Vergnügungen.

Jacobi befragte Bita Fayyazi, Sohrab Mahdavi, Neda Razavipour, Jinoos Taghizadeh, Shahab Fotouhi, Barbad Golshiri, Nazgol Ansarinia, Mahmoud Bakhshi, Helia Darabi, Ruyin Pakbaz, Vahid Hakim, Iman Afsarian, Maryam Majd, Nazila Noebashari, Lili Golestan, Rozita Sharafjahan, Hamid Severi und Mohammad Ghazali.

Die „Stimmen“ beschreiben die Bedingungen der Kunstproduktion. Sie schildern Debattenverläufe. Eine Audioinstallation machte die Interviews im „Salon“ hörbar. Jacobi ließ Raana Farnoud zu Wort kommen. Die Künstlerin hat die Iranische Revolution erlebt.

„Meine Generation wuchs in einer Situation auf, die sehr politisch war.“

Das Schah Regime und die kulturelle Restauration in der historischen Verspätung des Iran erschienen nicht akzeptabel.

„Wir sprachen uns gegen Traditionen aus.“

Viele kopierten die westlichen Kunstreflexe auf Achtundsechzig - express myself. Manche stiegen auf den sozialistischen Realismus ein und strebten in eine Umarmung mit der UdSSR. Farnoud suchte einen zwölften Weg zwischen Annahme und Verweigerung. Die Frage der Identität stellte sich immer wieder anders. Dann kam Khomeini und lieferte dem Totalitären ein neues Antlitz. Die Universitäten wurden geschlossen, Künstler isoliert.

„Alle waren konfus.“

Die Leute um Farnoud formierten sich zu einer „vergessenen Generation“.

„Jede Generation hat ihr eigenes Schicksal.“

Farnoud kleidet ihre Ära in die Worte:

„Little money, no fame.“ – Dafür aber gute Gespräche und liebevolle Kollegenverhältnisse.

Nach Farnoud äußerte sich Behzad Nejadghanbar, der in Teheran die Galerie Emkan betreibt und der Kunstzeitschrift „Herfeh Honarmand“ als Redakteur dient. Nejadghanbar will den hauptstädtischen Mittelstand für die Kunst aufschließen. Besserverdienende Normalos sollen am Diskurs teilnehmen und die Diskursgegenstände aus den Underground und Magnaten Gettos holen. Nejadghanbar ließ daran keinen Zweifel aufkommen, dass die nächste Avantgarde in Teheran einen Stützpunkt haben wird.

Hannah Jacobi, „Stimmen aus Teheran - Interviews zur zeitgenössischen Kunst im Iran“, übersetzt von Jutta Himmelreich und Petra Post, edition faust, 38,-

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick