Jamal Tuschick - Hochämter der stillen Selbstverständlichkeit

#TexasText/Jamal Tuschick Vater und ich sind nie allein in den Nächten der heiß laufenden Maschinen. Drei, vier lemurenhafte Handlanger, die trotz ausdauernder Betriebszugehörigkeit wie Tagelöhner abgefertigt ...

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Soziales Echo

Ohne Vorteil kein Fleiß, erklärt Thomas Hobbes.

In antiken Gesellschaften, so Ian Morris, wirkten die Subalternen an der Perpetuierung der sie unterjochenden Herrschaft mit, weil sie den Frieden, den sie brauchten, nicht selbst durchsetzen konnten.

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Philip Manow beschreibt eindrücklich, wie sich die amerikanischen Verfassungsväter gegen plebiszitäre Interventionen versicherten. Für sie als Republikaner war Demokrat ein Schimpfwort.

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In englischen Wirtshäusern bestellt man Pork, nicht Pig. Éliane Viennot erklärt das mit William the Conqueror, jenem normannischen Herzog, der 1066 die Macht in England an sich zog und dessen bestimmende Kraft sich in der Restaurantsprache niederschlug.

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1976 - Hochämter der stillen Selbstverständlichkeit

Vater und ich sind nie allein in den Nächten der heiß laufenden Maschinen. Drei, vier lemurenhafte Handlanger, die trotz ausdauernder Betriebszugehörigkeit wie Tagelöhner abgefertigt werden, verrichten in Hochämtern der stillen Selbstverständlichkeit niedrige Dienste.

Nicht den Witterungsverhältnissen ausgesetzt zu sein, so wie die Leute auf dem Bau und in der Landwirtschaft, erleben sie als erzählbaren Vorteil. Jeder Mann bedient fünf Maschinen. Der Lohnanteil an der Kalkulation ist der geringste Faktor. Die Schuhbodenkomponenten wären unbedeutend billiger, würden wir die Ungelernten gar nicht bezahlen.

Auch ihre Frauen schaffen beim Klingenberg. Den Frauen reicht es, eigenes Geld nach Hause zu bringen. Sie kennen alle noch die Holzabsatzproduktion der Keimzeit.

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Erst im 19. Jahrhundert ließen sich die Entscheider:innen von Mainweiler dazu herab, gemeinsam mit Nachbargemeinden größer zu werden. Dazu muss gesagt werden, dass der Bürgermeister stets einer von uns war. Mainweiler verblutet nun schleppend als Riss der Bestien Gebietsreform und kommunale Neuordnung. Für die pendelnden Zugezogenen stellt sich das anders dar. Sie überschlagen sich wegen der günstigen Verbindungen in unterfränkische und südhessische Ballungszentren.

Wenn eine etwas Vernünftiges gelernt hat und die Sterne am Himmel lässt, ist sie in Mainweiler nicht verkehrt. Zur Mainweilerin macht sie das noch lange nicht. Gerade kommt mir ein Urgestein auf der Bahnhofsstraße entgegen - ein krankhaft reizbarer Landwirt, Spross eines Geschlechts, das im Mittelalter seiner Vernichtung entging, als die Pest Mainweiler entvölkerte und nur sechs Fortpflanzungsfähige übrigließ. Ich rechne den wüsten Bauern zu den Gespenstern meiner Kindheit.

Kommen Sie, ich nehme sie mit. Da vorn wartet geduldig ein Bruder meines Vaters am Zebrastreifen auf den Tod. Er wurde aus der Firma gedrängt und dann auch im Elternhaus nicht mehr geduldet. Er hat seinen eigenen Kopf. Opa Hartmann nennt den Renegaten einen Versager. Das ist ein Todesurteil. Sagt Großmutter von einem Verwandten, dem mussten wir das Hochzeitsgeld vorschießen, dient die Information einer Vernichtung. Ein mittelloser Hochzeiter wird es nie zu etwas bringen. Lass dich mit dem auf nichts ein. Der goldene Mercedes vor seiner Haustür ist Blendwerk. Der Onkel gilt so wenig wie ein Fremder. Wer fremd ist, wohnt auch so in einer umgebauten Scheune oder in einer aufgelassenen Raiffeisenfiliale, die im Mainweiler Volksmund Baracke heißt. Jeden Fremden bewacht ein deutscher Schäferhund. Der Fremde wird morgens auf die Baustelle gefahren und abends vor der Barackentür abgesetzt. Er schließt sich am besten freiwillig ein. Sonntags sieht man ihn auf dem Bahnhof. Da kam er an mit seinem Pappkoffer.

1994 - Entzündete Existenzzahnhälse

Seither ist manches anders geworden. Wer aber das Sehen in den Mühlen der Erschöpfung und des Verschleißes nicht verlernt hat, erkennt das Herrschaftsprogramm der alten Knochen, die sich im Marienwerk Mainweiler jede Woche einmal konspirativ zusammenschließen. Sie planen ihre Verbrechen im Gemeindehaus, wo sie schon als Pfadfinder und Messdiener ihr Unwesen getrieben haben.

So liegen die Verhältnisse idyllisch herb und laubbläserisch aufdringlich, in die Kerstin, Katinka, Clemens und Leo mit entzündeten Existenzzahnhälsen aufgeschlagen sind, als wäre in Berlin kein Platz mehr. Die Familie hat nichts mitgebracht, was vor Ort zählt. Dazu bald mehr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

Jamal Tuschick

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