Unbürgerliches Unglück

#TexasText/Jamal Tuschick „Wir haben das große Gehirn, um herauszufinden, was andere gegen uns im Schilde führen.“ Gerhard Roth

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Unbürgerliches Unglück

Hannah und Hartmut sind ganz gut als Paar. Da sie mehr verdient, macht er mehr im Haushalt. Er grübelt auch mehr. Er leidet unter Panikattacken, deren Ursachen unergründet in der Kindheit liegen, als nie diagnostizierte Belastungsstörungen. Seine Selbstzweifel und die (in einem resonanzfreien Raum auftretenden) verzögerten psychischen Reaktionen bekämpft er mit körperlicher Anstrengung.

Hannah und Hartmut praktizieren Familie mit Jakob und Janina in Hildesheim. Gerade machen sie Urlaub an der Ostsee. Da fängt die Geschichte an. Hartmut fährt Rad, zunächst am Bodden. Er hat sich für ein paar Stunden aus dem System genommen. Während die Familienarbeit ruht, bedenkt er sein Leben. Seine Routinen reichen nicht mehr.

Das Radfahren glättet ihn. Das Training löst einen Stau. Der Gegenwind stemmt Hartmut fast von der Maschine. Er erlebt einen fadenscheinigen Moment der Freiheit. Das ist natürlich lächerlich. Spielarten der bürgerlichen Lebensangst und Selbstentfremdung lassen sich aus den Introspektionen des häuslichen Selbst gewinnen. Das ist wie Keschern im Aquarium; man hat alles in einer Pfütze.

Gestern haben Hannah und Hartmut einigermaßen preiswert auf Hartmuts vierzigsten Geburtstag angestoßen. Deutlich vor Augen stand ihm, was Leuten möglich ist, die billig nicht nötig haben. Diesem Mehr stellt er sich nun auf dem Rad als Wurst in der Plastikpelle. Hartmut denkt daran, wie losgelöst seine Frau mit Philipp getanzt hat: ganz anders als mit dem unzulänglichen Gatten. Hannah setzt Hartmut mit zwanghaftem Optimismus zu. Nur im Gespräch mit ihren Eltern hört sie auf, aus allem das Beste zu machen und verliert sich in kindlicher Klage. Dass sie sich so stets auch bei Mama und Papa über Hartmut beklagt, müssen wir nicht besprechen.

Das Überschaubare und Vorhersehbare begegnet dem Wundersamen. Hannahs Eltern sind Hedonisten ohne Bodenhaftung. Sie kommen mit dem Flugzeug, soweit es fliegt, also bis nach Hannover, in Erwartung eines familiären Shuttle-Service. Ihrer Großartigkeit hat Hartmut biografisch nichts entgegenzusetzen. Auch an dieser Stelle expandiert seine Unterlegenheit und gipfelt in der Feststellung:

Schon in der Hochzeitsnacht wusste Hartmut, dass Hannah es lediglich versäumt hatte, schnell genug von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen. Er war ihr passiert. Das unbürgerliche Unglück mancher Freundinnen ließ Hannah zu einer bürgerlichen Form des Unglücks Zuflucht nehmen. Wenigstens verheiratet sein wollte sie.

Obwohl er noch nie an dieser Ecke der Ostsee war, bewegt Hartmut das Gefühl, auf bekanntem Terrain zu scheitern. In einem Bruchwald halluziniert Hartmut Hannahs Absicht, ihn zu verlassen. So dehydriert wie unterzuckert, bricht er halbwegs zusammen. Hartmut erinnert sich wie im Fieber. Ein Kreis schließt sich. Am Ende einer bizarren Reminiszenz kehrt Hartmut zu seiner Familie zurück, von Trennung war nie die Rede.

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Geschrieben von

Jamal Tuschick

Interessiert an Literatur, Theater und Kino

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