Geht doch

Alltagskommentar Manager können nicht Teilzeit arbeiten? Können sie doch. Die Fußballbundesliga macht's vor. Jörg Schmadtke, Sportdirektor von Hannover 96, ist nun halbtags tätig
Teilzeit-Kollege unter Vollzeit-Managern: Jörg Schmadtke (links) auf der Bank neben Klaus Allofs, dem Manager von Werder Bremen
Teilzeit-Kollege unter Vollzeit-Managern: Jörg Schmadtke (links) auf der Bank neben Klaus Allofs, dem Manager von Werder Bremen

Foto: Odd Andersen/Getty Images

Die Begründung „Das geht nicht anders“ hat eine besondere Eigenschaft. Sie bricht immer dann krachend in sich zusammen, wenn jemand daherkommt und zeigt: Geht doch anders.

In der Arbeitswelt wird der alternativlose Sachzwang gern angeführt, wenn es um Teilzeitarbeit geht. In den unteren Hierarchiebenen sei das – so sagen viele Firmen heute – alles kein Problem, und Eltern hätten in den ersten drei Jahren nach der Geburt ihres Kindes ja auch einen Rechtsanspruch darauf, aber bitte nicht in Führungspositionen. Verantwortung verlange ungeteilte Aufmerksamkeit: Wer mitentscheiden wolle, könne nicht nachmittags auf dem Spielplatz sitzen.

Ein Vier-Stunden-Arbeitstag

Insofern ist das Arbeitszeitmodell, dass Jörg Schmadtke als Sportdirektor des Fußballbundesligisten Hannover 96 zurzeit ausprobiert, von einiger gesellschaftlicher Relevanz. Ende Juni trat Schmadtke eine elfwöchige Auszeit an. Vergangene Woche kehrte er an den Schreibtisch zurück und arbeitet nun als Bundesligamanager Teilzeit, vier Stunden am Tag, bis Ende des Jahres.

Schmadtke machte schon als Spieler die Dinge gern ein wenig anders. Er trug die Haare länger als die Mannschaftskameraden und hatte für die Eitelkeiten des Betriebs als Keeper von Fortuna Düsseldorf und des SC Freiburg wenig übrig – für die Ego-Shows von Torwartkollegen wie Oliver Kahn noch weniger. Seit 2009 ist er Sportdirektor in Hannover. Seine Spielerkäufe gelten zusammen mit der Offensivtaktik von Trainer Mirko Slomka als Gründe dafür, dass Hannover seit geraumer Zeit auch weitaus finanzkräftigere Klubs in der Tabelle hinter sich lässt.

Dass in seiner Position andere Arbeitsformen als Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit überhaupt möglich wären, glaubte Schmadtke zunächst selbst nicht. Im April bat er Vereinspräsident Martin Kind wegen „privater Probleme“ um die Auflösung seines Vertrags. Doch Kind konnte ihn überzeugen, sich stattdessen in einer Auszeit um die Familie zu kümmern. Für die schnelllebige Branche etwas noch nicht Gesehenes. Der Sportdirektor verpasste die Saisonvorbereitung und den Bundesligastart.

Weit verbreiteter Wunsch

Mit seinen Vier-Stunden-Arbeitstagen lebt Schmadtke nun etwas vor, was sich viele Menschen wünschen. Laut Familienreport des Bundesfamilienministeriums würden 78 Prozent der Eltern gern Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren. 73 Prozent der Väter sagen, sie hätten dafür gern mehr Wahlmöglichkeiten.

Ohne Pioniere wird sich das nicht ändern. Aber entscheidend wird sein, dass ihnen viele andere folgen.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden