War die DDR ein Unrechtsstaat ?

DDR, Unrecht SPD und Grüne machen ein Papier, das die DDR als Unrechtsstaat beschreibt zur Vorbedingung für eine Koalition von Linken, SPD und Grünen in Thüringen.

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Dagegen lehnt Gregor Gysi den Begriff ab. Woher kommt der Begriff?

Der Begriff DDR-Unrechtsstaat kommt aus der Zeit des kalten Krieges und wurde das erste Mal vom Bundespräsident Lübcke 1953 benutzt. Damals wollte man die Menschen in der Bundesrepublik für das Schicksal der Menschen in der DDR aufrütteln und interessieren. Man sprach auch bei der NS-Zeit oft von einem Unrechtsstaat. Deshalb bekam er seinen Platz in den Reden von Leuten, die diese Theorie vertraten. Das macht vielen Leuten, die den Begriff ablehnen Bauchschmerzen. Denn im Unterschied zur Bundesrepublik konnte die DDR sich bei ihrer Gründung nicht auf Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung verlassen. Mit der Gründung wurde das Mehrparteiensystem praktisch abgeschafft und in eine Nationale Front verwandelt mit festen Quoten für Parteien und Massenorganisationen. Die Justiz entwickelte sich zu einem Instrument der SED. Das änderte sich nicht bis 1989. Doch hatten sich die Spielräume verwandelt. Wäre es in der DDR zu einer totalen Herrschaft gekommen, wäre das bunte Treiben in vielen DDR Kirchen kaum erklärbar. Deshalb mutet es etwas seltsam an, daß gerade die damaligen Aktivisten der Kirche heute den Begriff benutzen. Nun ist der Begriff Unrechtsstaat nicht mit Totalitarismus gleichzusetzen, doch hat er diesen Beiklang. Frühere SPD Ministerpräsidenten haben diesen Begriff auch nie benutzt. Auch Herr Stolpe lobte die Kooperation von Staat und Kirche. Herr Stolpe sprach bei Herrn Gauß im Fernsehen des ORB in den 90er Jahren, sogar von erfolgreichen Interventionen im Bereich der Justiz mit manchmal rechtsstaatsähnlichen Resultaten.

Auch Ministerpräsident Sellring von Mecklenburg-Vorpommern verwahrte sich gegen den Begriff.
»Ich verwahre mich dagegen, die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen, in dem es nicht das kleinste bisschen Gutes gab.« Auch für Gesine Schwan impliziert der Begriff »Unrechtsstaat«, »dass alles unrecht war, was in diesem Staat geschehen ist. So weit würde ich im Hinblick auf die DDR nicht gehen.«
Deshalb erstaunt es nicht, daß sich Gregor Gysi auch aus der geschichtlichen Perspektive den Begriff ablehnt. Er weist auf die 20 Millionen Toten der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg hin, die der Gründung der DDR gegen den Willen der Bevölkerung akzeptabel machen. Zumal viel Menschen eine anti-kapitalistische Haltung hatten. Hier steht er aber im Gegenssatz zu einem wichtigen Vertreter der DDR-Forschung.
Klaus Schroeder vom Forschungsverbund DDR-Staat schrieb am 15.2.14 in der Thüringer Allgemeinen:
Dann könnte man auch sagen, dass die Hitler-Diktatur durch die Geschehnisse und Folgen des Ersten Weltkrieges legitimiert war. Legitimation bedeutet für mich eine Zustimmung der Bevölkerung - auf welche Weise auch immer. Es ist richtig, das nach 1945 viele den Kapitalismus abgelehnt haben. Man kann aber aus der Verneinung des Vorhergegangenen nicht die Legitimation einer neuen Diktatur ableiten."
Danach müßte Gysi die Gründung der DDR, gegen den Willen der Mehrheit, als historischen Fehler bezeichnen. Hier kann ich Herrn Schröder folgen. Doch er reicht meiner Meinung nach nicht, den Begriff Unrechtsstaat zu benutzen. Denn neben der Frage der Legitimität der Herrschaft in der DDR gibt es noch einen zweiten Punkt: Prof. Schröder analysiert die DDR immer nur in den Kategorien von Justiz-Unrecht. Doch müßte in der Sozialgeschichte nicht auch sozialen Unrecht in die Betrachtung einbezogen werden? Hier sollte man über soziale Gleichheit und Bildungschancen in der DDR reden. Einerseits wurden vielen oppositionellen Bildungschancen verweigert. Doch es gab auch das Bemühen Arbeiterkindern Bildungschancen zu eröffnen.

Deshalb gibt es den Vorwurf der Forschungsverbund vernachlässige die Sozial- und Alltagsgeschichte der DDR. Für viele Menschen waren die Aktivitäten der Opposition andere Welten mit denen sie nicht in Berührung kamen. Die Perspektive dieser Menschen ist sehr wichtig.Schröder erwidert den Vorwurf der Herrschaftgeschichte:
Auch wenn mir das immer mal wieder vorgeworfen wird, stimmt es nicht. Ich schreibe die Geschichte nicht ausschließlich als Herrschaftsgeschichte, sondern ich sage, die Herrschaftsgeschichte hat die Sozialgeschichte dominiert." Trotzdem darf der soziale Aspekt von Recht und Unrecht nicht ausgeklammert werden.

Schröder ist im Bereich der Forschung ein wichtiger Verfechter des Begriffs Unrechtsstaat. Er benutzt es auch als Abrechnung mit der alten DDR-Forschung in Zeiten der Entspannungspolitik.
Schröder hat, wenn er über die alte DDR-Forschung schreibt stark über das Ziel hinausgeschossen. "Man übersah den Diktaturcharakter und überschätzte die wirtschaftliche Stabilität der DDR völlig. " So sah DDR-Forschung im Westen nicht aus. Eine klare Darstellung der repressiven Seiten der DDR ist wichtig. Das heißt aber nicht, daß man einen alten Begriff aus den 50er Jahren haben muß. Dieser Begriff sollte aus der Parteipolitik herausgehalten werden. Es gibt viele Gründe einen Ministerpräsidenten abzulehnen. Doch es sollte nicht an diesem Begriff festgemacht werden.

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Geschrieben von

jan Stephan

Mich interessiert Arbeitsmarkt, Außenpolitik und die Bundeswehr. Doch ich schreibe auch gerne über Film und Fernsehen

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