In Berlin ist die rot-rot-grüne Regierung noch keine hundert Tage im Amt, da steckt sie bereits in einer Koalitionskrise: Auf Druck von SPD und Grünen musste der Bau-Staatssekretär und Gentrifizierungskritiker Andrej Holm zurücktreten. Die Linkspartei ist darüber schwer verärgert. Holm war vorgeworfen worden, über seine Verpflichtung als Stasi-Offizier nicht die volle Wahrheit gesagt zu haben.
Jakob Augstein: Herr Müller, warum haben Sie verlangt, dass der Bau-Staatssekretär Andrej Holm zurücktreten muss?
Michael Müller: Das hat er sich ganz wesentlich selbst zuzuschreiben. Wir haben ihm als Koalition eine Chance zur Mitarbeit eingeräumt. Es gab keine Vorverurteilung für das, was er in jungen Jahren getan hat. Aber wie Holm mit dem Thema umgegangen ist, seine Stellungnahmen in den letzten Wochen oder auch seine Rücktrittserklärung vom Montag – das trieft vor Selbstgerechtigkeit. An dieser Stelle haben viele in der Koalition, nicht nur führende Kräfte der SPD, gesagt: Das geht so nicht, dass er nicht erkennt, dass er auch in einer Bringschuld ist.
Gibt es Vergangenheiten, die nie vergehen?
Das war nicht der entscheidende Punkt. Man muss mit dem Thema Stasi-Vergangenheit sensibel umgehen. Daran hängen auch noch viele Biografien. Es gibt viele Menschen, die haben in der DDR unter der Stasi gelitten und die nehmen das auch heute noch sehr bewusst wahr, wie selbstkritisch jemand mit so einem Lebensweg umgeht und ob er daraus gelernt hat. Ich sage aber auch: Dafür muss man einen Menschen nicht ein Leben lang bestrafen. Aber ich kann auch von jemandem, der Staatssekretär werden möchte und damit Verantwortung für andere übernimmt und auch eine Vorbildfunktion hat, erwarten, dass er mit der Dummheit, die er mit 18 Jahren begangen hat, transparent und selbstkritisch damit umgeht. Dass er sagt, er hat verstanden, dass das viele Menschen bewegt und dass da auch viel Leid und Unrecht passiert ist. Und er darf nicht bewusst falsche Angaben einem öffentlichen Arbeitgeber gegenüber machen.
Zur Person
Michael Müller ist als Regierender Bürgermeister von Berlin Chef der rot-rot-grünen Koalition. Unter seinem Vorgänger Klaus Wowereit war Müller lange SPD-Fraktionschef und anschließend Senator für Stadtentwicklung.
Was hätte er denn tun müssen, um im Amt bleiben zu können?
Von Anfang an sagen, was ist. Bei der Berufung schon sagen, auch den Linken gegenüber, dass es diese Einstellungssituation bei der Humboldt-Universität gab. Spätestens aber in der öffentlichen Auseinandersetzung sagen: Ja, da ist ein Fehler passiert. Ich entschuldige mich dafür, das hätte nie passieren dürfen.
Sie halten ihn aber nicht selbst für einen Täter.
Das kann ich nicht beurteilen. Ich versuche seriös mit dieser Geschichte umzugehen, ohne Vorverurteilung. Aber immer dieser Ukehrschluss: Er war ja erst 18 Jahre alt, er kann ja nichts dafür. Das nervt mich.
Das meinte ich nicht.
Aber es spielt schon eine Rolle. Es war eine bewusste Entscheidung von Holm, zum MfS zu gehen, die drei Kreuze auf dem Personalbogen der Universität zu machen, ein Interview zu geben oder sich nicht zu entschuldigen. Diese Entscheidungen hat er so getroffen, dass es für uns nicht politisch tragbar war, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wenn Sie in Berlin eine Koalition mit der Linkspartei eingehen, werden Sie immer den Gegenwind der konservativ-reaktionären Kräfte haben. Sind Sie nicht zu schnell eingeknickt?
Ob wir Gegenwind bekommen oder Konservative uns mögen – das ist nicht relevant für die Frage, ob wir eine Koalition miteinander machen können. Die rot-rote Koalition, die wir 2001 eingegangen sind, hat gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Es hat damals eine Präambel im Koalitionsvertrag gegeben, die hat bundesweit Aufsehen erregt, weil sie ganz eindeutig das DDR-Unrecht benannt hat. Und wir haben gemeinsam den Gegenwind ausgehalten. Aber die Frage ist: Sind die Repräsentanten von Rot-Rot und jetzt Rot-Rot-Grün glaubwürdig mit dem, was sie tun? An dieser Stelle sind wir bei Andrej Holm zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Man kann es auch so sehen: Holm wurde in einem Machtkampf verheizt.
Das ist nachträgliche Legendenbildung. Jeder kann ja Holms Rücktrittserklärung nachlesen, sie steht online. Er hat angeblich alles richtig gemacht und die anderen fechten auf seinem Rücken einen ganz bösen Machtkampf aus. So funktioniert es nicht. Gerade wenn Rot-Rot-Grün mit nur 52 Prozent der Stimmen einen Neustart machen und auf Augenhöhe miteinander regieren will, dann muss ich auch Selbstkritik einfordern können. Die Linke hat einen Personalvorschlag gemacht, den sie nicht rechtzeitig und gut geprüft hat. Sie hat der SPD und den Grünen damit viel zugemutet. Als Koalition müssen wir die Möglichkeit haben, politisch zu reagieren, auch in der Stadtentwicklungs- und Mietenpolitik. Aber wie soll das mit einem Repräsentanten gehen, der politisch verbrannt ist? Diese Selbstkritik würde ich gerne hören. Sonst funktioniert gemeinsames Regieren auf Augenhöhe nicht.
Holms Name steht für vieles, was den Investoren ein Groll ist.
Als ob die gesamte Stadtentwicklung nur vom Staatssekretär Holm abhängen würde.
Er ist eine Symbolfigur.
Aber die Mietpreisbremse, die hat nicht er erfunden. Auch das Zweckentfremdungsverbot und das Mietbündnis mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht. Andrej Holm ist ein kluger Kopf, viele seiner Ideen in der Wohnungs- und Mietenpolitik sind bereichernd. Aber es sind auch viele gute Dinge vor ihm auf den Weg gebracht worden. Auch dass Holm sagt, er hoffe, dass trotz seines Rücktritts noch soziale Mietpolitik in Berlin möglich ist – was sagt das eigentlich über die Senatorin aus, die ihn berufen hat? Dass Katrin Lompscher und die Linkspartei gar nichts zu tun haben mit sozialer Mietpolitik?
Sie waren doch bestimmt schon mal in der Rigaer Straße. Da wurden im Sommer 2016 zwei Häuser abgerissen, obwohl sie unter Denkmalschutz standen. Da werden jetzt noch weitere Investorenobjekte hingebaut. Ist das nicht ein Symbol dafür, was in Berlins Innenstadt gerade passiert?
Was sie beschreiben, sind die letzten Zuckungen einer falschen Politik. Ich bin bereit zuzugeben, dass wir da zu spät umgesteuert haben. Wir haben Stadtentwicklungspolitik in einer Phase konzipiert, in der wir 100.000 freie Wohnungen hatten und der gegenwärtige Bevölkerungszuwachs nicht absehbar war, wo wir froh waren über jede Investition. Dann hat sich die Lage verändert. Berlin ist seit 2011 pro Jahr um 40.000 Menschen gewachsen. Die Mieten sind gestiegen und die freien Flächen sind weniger geworden. In den letzten fünf Jahren hat ein Umdenken in der Stadtentwicklungspolitik stattgefunden. Beispielweise, dass die Grundstücke nicht mehr nach Höchstpreisverfahren verkauft werden. Ein bedeutender Schritt, um Einfluss nehmen zu können auf Stadtentwicklung und Mietpreise. Es mag noch alte Bau- oder Abrissgenehmigungen geben, aber das Umsteuern zu einer grundsätzlich neuen Mietenpolitik – das hat schon stattgefunden und war richtig und überfällig.
Stellt sich das Thema Sicherheit anders dar als vor dem Anschlag am Breitscheidplatz?
Es ist ein Balanceakt der Politik: Wir können nicht die absolute Sicherheit garantieren. Aber wir können versuchen, das Risiko zu reduzieren, und zwar ohne dass wir dadurch unsere Freiheit einschränken. Denn das wäre das Verrückteste, wenn wir unsere Freiheit schützen wollen und sie dann selbst durch repressive Maßnahmen beschneiden. Ein Beispiel: Wir haben nicht gesagt, jeder öffentliche Platz muss mit Videokameras ausgestattet werden. Wir haben uns genau angeguckt, was nötig ist. Wir wollen nachjustieren, ohne über das Ziel hinauszuschießen.
Glauben Sie, dass Sie mit so einer differenzierten Sicherheitspolitik in so einer aufgeheizten Stimmung Erfolg haben können?
Wie lautet der Umkehrschluss? Ich muss den AfD-Quatsch erzählen?
Müssen Sie Ihre politischen Mittel und Strategien nicht auch an das sich verändernde Umfeld ananpassen?
Wenn Sie damit meinen, dass man schneller und besser reagiert, dann stimme ich Ihnen zu.
Sie könnten twittern.
Oh nein, ich will das alles nicht. Keine Mail auf mein Handy, kein Facebook, kein Twitter. Ich bin nicht zu dusselig, die Tasten zu drücken, das kriege ich schon noch hin. Aber wenn man das macht, dann setzt man sich selbst immer mehr unter Zeitdruck. Immer zu reagieren – auf jedes Thema. Ich will die Chance haben, mir etwas durchzulesen, jemanden zu fragen, zu überlegen – und dann erst gebe ich eine Stellungnahme ab.
Info
Der nächste Radio Eins und Freitag Salon findet am 6. Februar statt. Gast ist die Grünen-Politikerin Ska Keller
Kommentare 57
Mir ist keine westliche Demokratie bekannt, die das Prinzip des Gesinnungs-TÜVs gegen links derart breit implementiert hat. Die USA hatten zeitweilig derartige Phasen – nach dem Ersten Weltkrieg und dann nochmals in den Fünfzigern mit den berüchtigten McCarthy-Ausschüssen. Die Bundesrepublik Deutschland hingegen hatte sie durchgehend; eine temporäre Liberalisierung gab es lediglich in den späten Achtzigern bis zur Jahrtausendwende. Und natürlich betreibt Michael Müller im Interview nichts weiter als Wording – den Versuch, flächendeckende Gesinnungsschnüffelei zu rechtfertigen, als ganz normale politische Prozedur beziehungsweise politische Hygiene im Bild der Öffentlichkeit zu verankern.
In dem Sinn bin ich vielleicht bereit anzuerkennen, dass Michael Müller eine politische Funktion im größten Stadtbundesland hat. Demokraten jedoch sind er und diejenigen, die diese Form der Hexenjagd weiterhin legitimieren und durchführen, nicht.
P. s.: Die Bildunterschrift »Andrej Holm hat seit dieser Woche keine politischen Probleme mehr. Michael Müller schon« ist sachlich falsch. Nach den politischen Problemen hat Andrej Holm nunmehr ganz existenzielle: die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses seitens Müllers SPD-Genossin Sabine Kunst von der Humbold-Uni. Offensichtlich reicht die Entlassung aus dem politischen Amt nicht aus und fährt nunmehr das volle Existenzvernichtungs-Programm.
Abgehoben, ob vom Senat oder von der Uni, wird auf sein Verhalten nach seiner Tätigkeit bei der Staatssicherheit. Er hätte seine Biografie verschleiert bzw. gefälscht und sei deshalb nicht tragbar. Die Hauptamtlichkeit, die wohl ein halbes Jahr dauerte, sei nicht der zentrale Punkt. Deshalb wird man nicht einfach schlussfolgern können, es handele sich um eine flächendeckende Gesinnungsschnüffelei, in deren Folge Holm ausgebootet worden sei, denn das sachliche Gegenargument hält gegenüber dieser Kritik stand.
Es müsste also auf der Ebene diskutiert werden, ob die biografischen Ungenauigkeiten, die Holm zu verantworten hat, ausreichen, ihn zu entlassen.
>>Es müsste also auf der Ebene diskutiert werden, ob die biografischen Ungenauigkeiten, die Holm zu verantworten hat, ausreichen, ihn zu entlassen.<<
Da sind natürlich Gewichtungen in die eine oder andere Richtung möglich.
Ich bin sicher: wenn Holm als Mitglied der Grünpartei irgendwo im Kulturbereich tätig wäre hätte man keinen grossen Bohei um die Stasi-Geschichte gemacht.
“Dem Geist ist jederzeit die souveräne Verachtung der jeweils Regierenden sicher. Entfällt sie, wird entweder nicht regiert oder nicht gedacht.“ G.Z.
UND
apatit 14.01.2017 | 18:10 @moinmoin
Rechtsstaat?
Ich muss mich so zusammenreißen …. “Projektleiters beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Ilko-Sascha Kowalczuk, ist die Erklärung Holms, sich an eine hauptamtliche Tätigkeit beim MfS nicht erinnern zu können, nicht glaubhaft.“
Ich bin kein Jurist, aber in Deutschland ist es nicht verboten, sich nicht erinnern zu können. Psychologe bin ich auch nicht, aber Unangenehmes wird (un)bewusst verdrängt ...und die Verdrängung ist ein ganz fundamentaler Abwehrmechanismus, der dem Menschen das seelische Überleben ermöglicht, kann das nicht nur ein Experte festellen und ich will hier nicht unhöflich werden gegen Herrn Kowalczuk …
Und nur ein Richter ist für mich die letzte Instanz, so viel Unrechtsbewusstsein sollte sein, nicht die BStU die immer mehr sich zum “Generalinquisitor“ entwickelt, dass ist schädlich und ein falscher Weg!
UND
@miauxx
"Ich denke, es hat wohl aber wesentlich mit dem Ächtungs-Klima zu tun, dass ein offensiver Umgang mit dem Kern der Tätigkeit Holms im MfS für diesen nur sehr schwer möglich war." Nochmal Kernsatz!
Alles gesagt!
"Egon Bahr für Schließung der Stasi-Unterlagen-Behörde"
Neuer Vorschlag von mir: " Spaltungsbehörde" wäre besser!!!
"Demokraten jedoch sind er und diejenigen, die diese Form der Hexenjagd weiterhin legitimieren und durchführen, nicht."
(*****)!
man lese diese geschichte vom mai 15 über den vorigen bausenator und müller-freund, der heute nicht etwa im knast ist oder entlassen, sondern innensenator.
http://www.tagesspiegel.de/berlin/wahlkampfspenden-der-spd-opposition-greift-bausenator-geisel-an/13607568.html
ich glaube, dann weiß man, warum holm wegmußte, und muß sich das gesülze da oben nicht antun.
ps: vom mai 16, sorry
Er hat seine Biografie aber nicht verschleiert oder verfälscht. Als er zum Staatssekretär berufen wurde, war seine Biografie jedem klar.
Der ganze Aufhänger ist eine Unwahrheit in einem Fragebogen in einem anderen, vorherigen Arbeitsverhältnis. Stellen sie sich das ruhig einmal vor: Ihr aktueller Arbeitgeber entlässt sie, weil sie in einem Fragebogen zur Bewerbung bei einer völlig anderen Stelle einen Sachverhalt falsch dargestellt haben. So eine Kündigung würde sofort von jedem Arbeitsgericht kassiert.
Nun ist er freiwillig gegangen, was gut ist, wenn es keine Rückendeckung gibt. Der Müller spricht da von einer "politisch verbrannten" Person. Das ist richtig, nur war es die Feigheit von Müller und Konsorten hinter ihrem Staatsekretär zu stehen, der die Person Holm politisch verbrannt hat. Wenn ich mir das Interview oben ansehe glaube ich nicht, dass der Koalition in Berlin noch eine längere Zukunft beschieden ist. Der Mann besitzt ja tatsächlich die Dreistigkeit jetzt auch noch der Linken die Schuld zu geben. Entweder rafft er nicht was er tut, oder er will die Koalition vorsätzlich gegen die Wand fahren und es wieder mit der CDU machen. Warum die Grünen da mitmachen ist natürlich noch mal eine eigene Frage. Man scheint sich nach der Opposition zu sehnen.
"So eine Kündigung würde sofort von jedem Arbeitsgericht kassiert."
Genau so ist es!
Danke für den Link.
>>Entweder rafft er nicht was er tut, oder er will die Koalition vorsätzlich gegen die Wand fahren und es wieder mit der CDU machen.<<
Ich denke, die SPD stellt die Linke vor die Wahl, entweder sich zu unterwerfen und zum reinen Mehrheitsbeschaffer degradieren zu lassen. Oder die Koalition platzt, ja.
Das heisst: Die Linke kann es nur dann wagen, wenn sie so stark ist wie in Thüringen. Auch dort muss sie kleine Brötchen backen, denn der Kompromissbereitschaft von SPD/Grün sind durch ihre Lobbyisten enge Grenzen gesetzt.
Aber wie Holm mit dem Thema umgegangen ist, seine Stellungnahmen in den letzten Wochen oder auch seine Rücktrittserklärung vom Montag – das trieft vor Selbstgerechtigkeit. An dieser Stelle haben viele in der Koalition, nicht nur führende Kräfte der SPD, gesagt: Das geht so nicht, dass er nicht erkennt, dass er auch in einer Bringschuld ist.
Er ist offensichtlich nicht bußfertig genug. Diese auf einmal entdeckte Kultur der Selbstkritik oder in der christlichen Variante, die öffentliche Beichte - sie sind überhaupt kein Mittel, irgendwas aufzuklären. Fakt ist, dass das mediale Gewitter hätte vorausgesehen werden müssen und am Ende er machen können was er will,
Ich habe mir die Akte - die online nachzulesen ist - angesehen:
Die geplante Laufbahn ist ziemlich klar:
Er sollte - nach kurzer Zeit beim BV Berlin der Stasi - recht bald ein Volontariat bei der "Jungen Welt" beginnen und später an der Sektion Journalistik der Karl-Marx Universität Leipzig studieren, um also irgendwo dort tätig zu werden. Kann sein, dass er dann als OibE (Offizier im besonderen Einsatz) tätig geworden wäre. Eingestellt war er laut Einstellungsbogen als BO (Berufsoffizier). Das ist alles klar und deutlich, aber eben vorbei.
Es wäre ihm doch zuzugestehen, sich da selektiv zu erinnern, vor allem da er im Grunde gegenüber der taz schon vor vielen Jahren recht umfänglich Stellung genommen hat. Was denn nun noch? Vielleicht hat er sogar gedacht, mit dieser Laufbahn "entkommt" er ein bisschen ins reale Leben. Keine Ahnung.
"Vielleicht hat er sogar gedacht, mit dieser Laufbahn "entkommt" er ein bisschen ins reale Leben. Keine Ahnung."
Hier entkommt keiner, ... der nicht sagt, hurrra - Konrad Adenauer - war und ist der Größte und außerdem der erste Deutsche im Weltraum! Sorry! Wir haben doch vor 1998 gar nicht gelebt - gelle!
»Deshalb wird man nicht einfach schlussfolgern können, es handele sich um eine flächendeckende Gesinnungsschnüffelei, in deren Folge Holm ausgebootet worden sei, denn das sachliche Gegenargument hält gegenüber dieser Kritik stand.«
Nee – das sehe ich anders.
Im Anblick eines Gesinnungs-TÜVs ist nicht der Gesinnungsgetestete schuld, weil er ein oder mehrere Fragen fahrlässig oder vielleicht auch mit Absicht falsch beantwortet hat. Der Fisch stinkt vom Kopf. Die elende, demokratieunwürdige Prozedur ist das Manko – nicht der arme Wurm, der im Anblick dieser Inquisition Fehler begangen hat.
P. s.: Da die Gesinnungs-Fragebogen der Humbold-Uni wohl jeder Angestellte auszufüllen hat, ist die Bezeichnung »flächendeckend« durchaus adäquat.
1998 / Richtig 1989 ! Danke.
Uwe Steimle - Spaltung oder Einheit, wie weit sind wir ? - YouTube▶ 7:44https://www.youtube.com/watch?v=jOhc_2_q56E
Tolle Zusammenfassung!
Ich bin sicher: wenn Holm als Mitglied der Grünpartei irgendwo im Kulturbereich tätig wäre hätte man keinen grossen Bohei um die Stasi-Geschichte gemacht.
Das bleibt eine Vermutung. Genauso bleibt es eine Vermutung, wie mit Holm verfahren worden wäre, hätte er wg. seiner Stasi-Mitarbeit um Entschuldigung gebeten.
Da die Gesinnungs-Fragebogen der Humbold-Uni wohl jeder Angestellte auszufüllen hat, ist die Bezeichnung »flächendeckend« durchaus adäquat.
Der Tagesspiegel schreibt::
Der Fragebogen sollte ursprünglich verhindern, dass in der Wendezeit tausende Stasi-Mitarbeiter ungeachtet ihrer tatsächlichen Tätigkeiten ohne Weiteres im öffentlichen Dienst weiterbeschäftigt werden konnten.
Ob der Fragebogen heute noch relevant sein sollte, ist eine andere Frage. Aber: Es gibt schon einen Unterschied an die Anforderungen eines im Öffentlichen Dienst Arbeitenden zu jemanden, der in einer Privatfirma beschäftigt ist, da ersterer mit Steuergeldern alimentiert wird. Ich denke, das ist auch im Interesse der Steuerzahler. Wer eine Straftat begeht, kann Job und Pension verlieren.
Beispiel: In der jüngeren Rechtsprechung der Disziplinargerichte wird schon der (bloße) Besitz kinderpornographischer Darstellungen durchgängig als schweres Dienstvergehen gewertet, das zur Entfernung aus dem Dienst oder zur Degradierung führen kann.
Lieber Herr Augstein, dieses Interview ist aber eine ganz schwache Nummer von Ihnen. Wieviele Gelegenheiten, dem - mit Verlaub - Gesülze dieses Unbelehrbaren zu entgegnen, Sie hier haben verstreichen lassen, ist schon enttäuschend. Ich habe das Interview gelesen und ständig darauf gewartet, dass nun etwas Substantielles kommt - aber die Fragen wurden immer zahmer, bis gegen Ende sogar was von Twitter gesäuselt wurde. Schlimme Nummer. Welch vertane Chance.
Es geht doch nicht um Stasi oder nicht, sondern einzig und alleine um den Einfluss von Projektentwicklern und sonstigen Immobilienspekulanten auf die Parteien und die Berliner Politik. Wenn's der Fragebogen nicht gewesen wäre, dann hätte man eben solange in anderen Dingen bei Holm gesucht, bis man fündig geworden wäre.
"Wenn's der Fragebogen nicht gewesen wäre, dann hätte man eben solange in anderen Dingen bei Holm gesucht, bis man fündig geworden wäre." (*****)! ... aber Stasi ist immer noch der "Hexenhammer" der am "besten" wirkt! L e i d e r ! Nicht sehr demokratisch ...
das ist ein sehr gutes Interview, mit entschieden aufklärenden Fragen. Gut auch, dass Jakob Augstein die Antworten des OBs, die sehr nach gut einfolierter Politikabwicklung klingen, schnell vom Tisch schaffen, lautet dessen Credo, stehen lässt.
Im Radiobeitrag kommt die offensichtliche Verachtung Müllers für Andrej Holm noch deutlicher heraus.
26 Jahre nach der deutschen Einheit, wird der nicht nur für ungeeignet erklärt, ein begrenztes, politisches Fachamt auszuüben, sondern verliert auch gleich seine fachwissenschaftliche Arbeitsstelle. - Kein Bedauern von Seiten Müllers: Holm habe sich alles selbst zuzuschreiben.
Sein Schicksal verdanke er seinen eigenen Reaktionen und der Linkspartei, die ihn für politisch geeignet hielt. Schlanker kann man sich den eigenen Fuß nicht malen. - Allerdings, auch sonst herrscht wenig Bedauern, in den Berliner-Medien.
Hat man da einen Verbrecher oder "Gefährder", ein großes potenzielles Risiko für den Staat, die Stadt und die Wissenschaft zur Strecke gebracht? Nein! Allenfalls einen, der hätte gefährlich werden können, für die Investoren- Beutejägern unter den "Stadtentwicklern", die de facto natürlich lange schon das Regiment in der ungeteilten Stadt führen. Schäbig ist dies alles, auch wenn es erlaubt ist.
Christoph Leusch
Man kann die Posse um Holm ja durchaus noch weitertreiben. Nach Entlassung aus der politischen Funktion und Entlassung aus dem Privatjob vielleicht ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren – eine (potenziell) falsche Antwort in einem Gesinnungs-Fragebogen ist schließlich kein Pappenstiel. Nachdem strafgerichtlich dann gnädigerweise eine Bewährungsstrafe verhängt wurde, kann die Humbold-Uni vielleicht noch eine zivilrechtliche Klage dranhängen wegen Schadensersatz – schließlich hat Holm den Marktwert der Humbold nicht unerheblich beschädigt und allein durch seine Existenz dort bestimmt hundert Studierende davon abgehalten, sich nützlichen Ökonomiestudien gemäß der Lehren von Hayek und Friedman zu widmen.
Wird Holms Konto eingefroren, weil er den fünfstelligen Betrag aus dem Zivilprozess nicht bezahlen kann und seine Wohnung wird deswegen gekündigt, könnte man dazu übergehen, eine Unterbringung in der Psychiatrie anzuordnen – ist ja schließlich nur zu seinem eigenen Schutz. – Nunja, nicht ausschließlich. Um andere – zum Beispiel Investoren und private Bauherrn – ebenfalls zu schützen, wäre eine lebenslange Sicherheitsverwahrung sicher mit den demokratischen Grundregeln in Deckung zu bringen.
Die beschriebene Prozedur hätte zusätzlich einen weiteren Vorteil – das Exempel. Frei nach dem Motto: Bestrafe einen, erziehe hundert (Mao).
So ist es, eine Posse, als Holzauktion im politischen Grunewald. "Ick" bin ja Rheinländer, da kennt man das.
Die Linke möglichst schlecht aussehen lassen. Der randständigen urbanen Nachwende- APO, aus der Holm kommt, zeigen, dass man nur mit dem Merkeldouble-Busen von Frau Lengsfeld, der Unerbittlichkeit eines Werner Schulz und dem blütenweißen Mädchencharme Angela Merkels was werden kann, beim Herrn von Staat und in der Politik.
Mao hat immer Recht, auch wenn bei dem Malmot ein paar Nullen fehlen: Betrafe Hundertausende, erziehe Millionen. Methodischer Machterhalt.
Ein bisschen ernsthafter: Die SPD will eigentlich nicht mit den Linken. Die Grünen sowieso nicht. Nur wenn es ihre Regierung irgendwie erhält, als führende Partei oder in der Junior- Position, beißt man in den sauren Apfel. Und die Grünen treiben gerade beschleunigt auf Schwarz- Grün (plus X) zu, wenn es nicht für Schwarz- Rot erneut heißt, es ist einfach unumgänglich.
Die Chancen für eine Linksregierung auf Bundesebene, die es zuletzt immer gab, sie schmelzen dahin, obwohl wir doch eisigen Winter haben und in der "Reichshauptstadt" wurstelt man, so moros verstimmt, wie der OB sich gab, irgendwie weiter.
Eingemeißelt steht: Es ist leichter, für millionenschwere Steuerhinterziehungen, zu denen man nur offenbart, was durch Schusseligkeit und überhebliches Sicherheitsgefühl bekannt wurde, völlig rehabilitiert zu werden, als für unvollständige Angaben im Uni- Fragebogen, die überhaupt eine, den Fähigkeiten angemessene Anstellung sichern.
Viele glauben ja noch, der Rechtsruck beschränke sich nur auf das derzeit populäre Phänomen der seltsamen Alternative. - Irrtum, die ganze Gesellschaft ruckelt nach Rechts und will wieder erzkonservativ und streng erzogen sein, aus welchen Gründen und Gefühlen auch immer. Das ist das klassisch bürgerliche Reaktionsmuster, mit dem auf persönliche Befürchtungen und frei flottierende Ängste historisch reagiert wird.
Leider sind alle Menschen, die sich dazu mehr als nur ein paar warme Gedanken machen, hoffungslos abgemeldet.
Gute Nacht
Christoph Leusch
Treffende Skizze der Gesamtsituation – zu der es nichts hinzuzufügen gibt.
"Es wäre ihm doch zuzugestehen, sich da selektiv zu erinnern, vor allem da er im Grunde gegenüber der taz schon vor vielen Jahren recht umfänglich Stellung genommen hat. Was denn nun noch? Vielleicht hat er sogar gedacht, mit dieser Laufbahn "entkommt" er ein bisschen ins reale Leben. Keine Ahnung."
Habe jetzt das taz-Interview gelesen:
Nun ja, man kann sich auch alles sehr leicht machen. Alle haben natürlich nur ein bisschen Akten blättern und Nägel kauen müssen und dafür gab es dann Gegenleistungen vom Staat.
Alles klar, so wird es gewesen sein, so läuft es ja bekanntlich immer in Dikaturen.
Dass Herr Müller Herrn Holm verachtet, nein, diesen Eindruck habe ich bei dem Interview, was ich übrigens auch gehört (nicht nur gelesen habe) nicht gehabt.
Aber Herr Holm ist ja nicht neoliberal, alles andere ist ja eine Bagatelle.
Wenn's der Fragebogen nicht gewesen wäre, dann hätte man eben solange in anderen Dingen bei Holm gesucht, bis man fündig geworden wäre.
Das ist halt nur eine Vermutung und eine Unterstellung, die aus einer eher grundsätzlichen Sicht auf diesen Fall resultieren. Gewissheiten sind das keinesfalls, höchstens konstruierte.
Es geht doch nicht um Stasi oder nicht, sondern einzig und alleine um den Einfluss von Projektentwicklern und sonstigen Immobilienspekulanten auf die Parteien und die Berliner Politik.
Diese Frage hat Herr Augstein auch aufgeworfen (im Radio nachzuhören) und der Regierende Bürgermeister hat dies verneint.
"Diese Frage hat Herr Augstein auch aufgeworfen (im Radio nachzuhören) und der Regierende Bürgermeister hat dies verneint."
So habe ich das auch gehört. Dann habe ich da noch Augsteins Stimme aus einem früheren Dialog mit Blome im Ohr, dass er von Verschwörungstheorien nichts hält.
Als Journalist hat er natürlich die Pflicht nachzufragen, gerne auch mehrfach. Hoffen wir, dass er das gut auszubalancieren versteht.
Das klingt ja sehr resignativ. Hat es eigentlich Äußerungen der Solidarität von den Linken gegeben vor dem Rücktritt von Holm? Und hat sich die Linke schon was einfallen lassen, um Holm abzusichern? Wie kann man erwarten, dass Müller seine schützende Hand über Holm hält, wenn die eigenen Leute keinen Finger für ihn krumm machen?
Ich weiß da nichts. Aber in ihrer Nachfrage, ob die Linke als Partei, ihre Personalwahlen gegen beruflich-politische Risiken absichern kann, zeigt sich auch deren Dilemma.
So etwas geht bei "Volksparteien", die viele Mandate, viele Stellen, viele formelle und informelle Beziehungen in Firmen, NGOs, in Medien und Planungsbüros und bei Behörden aller Ebenen besitzen, mit denen ihre Politiker zu tun haben, die sich was davon versprechen. In Bayern macht das die CSU für ihre Leute, die dann bei Stiftungen, Vereinen, öffentlichen Betrieben unterkommen. In NRW, die SPD, beziehungsweise anderen Ortes, praktisch alle jene Parteien, deren offene und heimliche Fürsprecher eben auch in der Wirtschaft oder in Verwaltungen sitzen. Vielleicht gibt es was bei der RL- Stiftung?
Nun, der Oberbürgermeister, aber auch die Humboldt- Universität- jeder Arbeitgeber- haben aber auch eine Fürsorgepflicht. Die gilt selbst dann, wenn, wie es Müller nun einfach behauptet, die Schuld hauptsächlich bei Holm, dem Mitarbeiter, liegt.
Klar, die Risikoabwälzung, wir wissen es, läuft regelmäßig anders, nicht nur in der hier doch recht kaltschnäuzigen "Spitzenpolitik", sondern eben auch an Universitäten und bei Betrieben.
In der Stadt Berlin, aber auch bei anderen öffentlichen und kommunalen Arbeitgebern, kann die Linke jetzt sicher nicht für die Anstellung einer Person sorgen, die ja in den Augen der absoluten Mehrheit aller politischen Entscheidungsträger und des öffentlichen Arbeitgebers Universität, nicht mehr vermittelbar ist. - Schon aus arbeitsrechtlichen, grundrechtlichen und staatspolitischen Gründen, sollte es aber eine juristische Unterstützung für Holm geben, wenn er gegen den Entscheid der Universität klagt. Diese Klage hätte durchaus Präzedenzcharakter.
Gutes Wochenende
Christoph Leusch
Guten Abend Robinson! Das Interview ist deshalb für mich gut, weil es die Nuancen sind, die das Nachhaken vorgeben.Herr Müller hat mit seinen Begründungen mir gezeigt,daß er Herrn Holm sowieso schon skeptisch gegenüber stand.Mit Entschuldigungen und etc. wäre Herr Holm auch nicht unvoreingenommener betrachtet worden.Herr Müller hat mich nicht überzeugt.Ich denke auch,daß sich einem Interviewer immer der Interviewte so zeigt,wie wir ihn nicht wahrnehmen können.Und imerlebten Augenblick ergibt sich eine ,,zahme'' Frage oder eine ,,direkte'' Frage.Herr Müller mochte höflichst gefragt werden,war so mein Eindruck.An seinen Antworten erkannte ich das für mich.Natürlich kann das Anders gesehen werden.
>>Schon aus arbeitsrechtlichen, grundrechtlichen und staatspolitischen Gründen, sollte es aber eine juristische Unterstützung für Holm geben, wenn er gegen den Entscheid der Universität klagt.<<
Wenn er Mitglied einer Gewerkschaft ist (müsste wohl verdi sein) hat er dort Arbeitsrechtsschutz.
Kann man nur hoffen, dass er so einen Schutz durch Mitgliedschaft hat, Gelse.
Aber ich finde schon, dass die Linke ihn unabhängig davon unterstützen sollte. - Neben der moralischen Verpflichtung für ihren Amtsträger, gibt es doch auch ein großes rechtspolitisches Interesse, gerade diese Frage bis zur letzten Instanz, womöglich vor dem EUGH, durchzufechten.
OB-Müller und die Politik, sowie die Presseöffentlichkeit, denken kurzfristig - Kuh vom Eis, weiter! - mit machtpolitischer Motivation in der Politik, weitgehend ohne intrinsische Motivation, bei der Presse.
Aber die (grund)rechtliche Frage, z.B. nach der Verhältnismäßigkeit, reicht über den "Fall" weit hinaus und hat ähnliche Bedeutung, wie die Praxis der Berufverbote gegen Kommunisten. Historisch gesehen, stellt sich eben auch die eher moralische Frage, ob die harte Haltung gegen Holm angemessen ist, wenn man doch die laxe Verfahrensweise der Bundesrepublik, gegen Rechts, sehr gut kennt.
Das Beste
Christoph Leusch
M. Müller : "Das war nicht der entscheidende Punkt. Man muss mit dem Thema Stasi-Vergangenheit sensibel umgehen. Daran hängen auch noch viele Biografien. Es gibt viele Menschen, die haben in der DDR unter der Stasi gelitten und die nehmen das auch heute noch sehr bewusst wahr, wie selbstkritisch jemand mit so einem Lebensweg umgeht und ob er daraus gelernt hat."
mit westdeutschem Zungenschlag:
"Das war nicht der entscheidende Punkt. Man muss mit dem Thema Nazi-Vergangenheit sensibel umgehen. Daran hängen auch noch viele Biografien. Es gibt viele Menschen, die haben in der DDR unter der Stasi Deutschland unter der Gestapo gelitten und die nehmen das auch heute noch sehr bewusst wahr, wie selbstkritisch jemand mit so einem Lebensweg umgeht und ob er daraus gelernt hat."
Ok, viele dürften es mittlerweile nicht mehr sein, die als Opfer überlebt haben. Nur ist die Sensibilität hier meist den Nazis selbst zugute gekommen: verkehrte Welt!
Gedanken muss man sich schon machen, wenn sowohl bei Offenheit als auch bei Verschweigen politischer Haltungen in der Vergangenheit der Job verloren geht. "Rechte" Gesinnungen sind im Zweifel allemal vorteilhafter, wenn es um öffentliche Ämter geht.
Solidarisierung gibt es nun an der Humbold-Universität.
Was die berühmten Gedächtnislücken betrifft, da muss ich doch lachen, was an deutschen Gerichten so alles durchgeht, wenn politische oder wirtschaftliche "Größen" Aussagen über ihre Arbeit machen sollen, die selbst bei großzügiger Auslegung nur noch als dummdreist (oder auch arrogant) bezeichnet werden können. Der Abgasskandal VW bietet da reichlich Anschauungsunterricht.
Es gab eine ostdeutsche und eine westdeutsche Geschichte. Nun gibt es nur noch eine gesamtdeutsche Geschichte der sogenannten freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Eine, die die Vergangenheit nach diesem Maßstab misst, leider aber nicht mit einem einheitlichen Eichwert, wie es korrekte Aufarbeitung erfordern würde. Dazu gehört allemal die dialektische Erforschung der Intention der Geschichtsdeuter, die in ihrem gesellschaftlichen Kontext (Norm) formulieren.
Was sagen Sie über Menschen, die unter der Gestapo, unter der SS, in Kzs Unsägliches erlitten haben und genau deswegen in der SED und Stasi tätig geworden sind, um faschistische/rechtsradikale Aktivitäten zu verhindern?
Sollte man nicht auch bedenken, dass immerhin ca. 50 % der Deutschen nationalsozialistisch gewählt haben und sich dieses Potential nach 1949 nicht einfach in Luft aufgelöst hat?
"Geschichtsdeuter" !
"Was sagen Sie über Menschen, die unter der Gestapo, ..."
Wenn es eindeutig gegen "faschistische/rechtsradikale Aktivitäten" ging, dann ist das nicht zu kritisieren. Wenn aber der Zeitpunkt erreicht wird, wo bei klarer Einsicht das nur noch Mittel zum Zweck ist, um kritische Bürger zum Schweigen zu bringen, dann nicht mehr.
Das aber war mit ähnlichen Methoden in der Bundesrepublik nicht viel anders und fiel alles unter den Gesichtspunkt "Kalter Krieg". Auf beiden Seiten wurde mit undemokratischen Mitteln gearbeitet. Ein "schlagendes" Argument wird aber immer vom Westen vorgeführt: die Reisefreiheit. Die wiederum wird heute mit legalen Mitteln so gestaltet, wie es den jeweiligen Wohlstandszentren passt. Das gilt selbst für die eigenen Bürger im Binnenland, die unter das Hartz-IV Regime fallen. Es kommt also immer darauf an …
Ich bin kein Jurist, aber in Deutschland ist es nicht verboten, sich nicht erinnern zu können.
Also, wenn man Helmut Kohl heißt, muss man sich auch in einer potentiellen Strafsache nicht unbedingt erinnern können, ohne deshalb gleich in Beugehaft zu kommen, auch wenn der Erinnerungsverlust bei solchen Summen nicht sehr glaubhaft war.
Aber es sind halt immer einige gleicher als die anderen.
Das heisst: Die Linke kann es nur dann wagen, wenn sie so stark ist wie in Thüringen.
Das wäre wahrscheinlich auch besser so.
Diese auf einmal entdeckte Kultur der Selbstkritik oder in der christlichen Variante, die öffentliche Beichte...
Ist eigentlich typisch Frühzeit-DDR. Man kann das zum Beispiel in Strittmatters "Wundertäter III" nachlesen. Das war in der SED in den 1950er Jahren schwer in Mode.
Wer eine Straftat begeht, kann Job und Pension verlieren.
Und welche Straftat hat Andrej Holm begangen?
Diese Frage hat Herr Augstein auch aufgeworfen (im Radio nachzuhören) und der Regierende Bürgermeister hat dies verneint.
Finde ich lustig. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Regierende Bürgermeister auf diese Frage gesagt hätte: "Ja, natürlich, ist so, weiß doch sowieso jeder." betrug mathematisch exakt Null.
Keine Ahnung. Ich wollte mit meiner Darstellung darauf hinaus, dass der öffentliche Dienst, der von den Steuerzahlern unterhalten wird, sich seine Leute, die er aufnimmt, etwas genauer anschauen muss. Deshalb halte ich den Begriff "Gesinnungsfragebogen" nicht für angemessen.
Beispiel: Will jemand im öffentlichen Dienst, z.B. an einer Kita, ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolvieren, benötigt er ein polizeiliches Führungszeugnis, das vom Bundesamt für Justiz ausgestellt werden muss. Dieses ist zwölf Monate lang gültig. Danach braucht er ein neues. Das Führungszeugnis bekommt der Bewerber nicht an die Hand. Es wird direkt vom Bundesamt für Justiz an die öffentliche Einrichtung verschickt, um Fälschungen vorzubeugen. - Vielleicht hilft das, die Situation einer öffentlichen Einrichtung besser zu verstehen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Regierende Bürgermeister auf diese Frage gesagt hätte: "Ja, natürlich, ist so, weiß doch sowieso jeder." betrug mathematisch exakt Null.
Willst du damit etwa sagen, dass der Regierende Bürgermeister lügen würde?
"Aber es sind halt immer einige gleicher als die anderen."
Ja - das ist leider so!
Nein, iwo, ich habe noch nie gehört, dass ein Politiker lügen würde oder dass es in Deutschland Korruption im Baubereich gäbe.
Also maximal spenden Bauunternehmer an eine Partei, auch gern gestückelt, was absolut nichts
...was absolut nichts mit Korruption zu tun hat (siehe den Bericht, denn Luddisback am 19.1 um 10:31 Uhr verlinkt hat).
Man nennt das eher politische Landschaftspflege.
Hat irgendein Max-Planck-Wisseschafter etwa gesagt, die Annahme sei "weltfremd, Spenden folgten ausschließlich altruistischen Motiven der Unternehmensleitungen"? Also ich war das nicht. Ich halte das nur für plausibel.
Soweit zu Müllers Senator für Inneres und Sport, dem, ich betone das hier ganz ausdrücklich, keine Korruption nachgewiesen wurde.
>>Das wäre wahrscheinlich auch besser so.<<
Deswegen meine ich: Es ist ein Glück für die Linke, dass bei der diesjährigen BT-Wahl eine "S"PD/Grün/Linke-Koalition nicht möglich sein wird. So muss sie sich weiterhin bemühen, als Opposition stärker zu werden.
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Zur Korruption:
Nein, Korruption gibt es nicht. Politiker und ihre Parteien haben allenfalls gute Beziehungen zur Wirtschaft, ohne die sie ja gar nicht regierungsfähig wären.
Ausnahme: Wenn ein kapitalistisches Massenmedium mal Muckis zeigen will, indem es einen Präsidenten aus dem Amt jagt, dann gibt es doch Korruption. Das ist dann aber ein absoluter Einzelfall.
Nein, iwo, ich habe noch nie gehört, dass ein Politiker lügen würde oder dass es in Deutschland Korruption im Baubereich gäbe.
Man kann nicht aus diversen Skandalen, mit denen Politiker zu tun hatten, z.B. die angeblich jüdischen Vermächtnisse der hessichen CDU, auf den Einzelfall, hier die Aussage des Regierenden Bürgermeisters, schließen und behaupten:
Die Wahrscheinlichkeit, dass der Regierende Bürgermeister auf diese Frage gesagt hätte: "Ja, natürlich, ist so, weiß doch sowieso jeder." betrug mathematisch exakt Null.
Unser Rechtssystem sieht vor, dass dem Individuum nachgewiesen wird, sich nicht dem Recht entsprechend verhalten zu haben. Sippenhaftung gilt nicht.
"Wenn aber der Zeitpunkt erreicht wird, wo bei klarer Einsicht das nur noch Mittel zum Zweck ist, um kritische Bürger zum Schweigen zu bringen, dann nicht mehr."
Diesbezüglich stimme ich Ihnen zu. Sind Sie der Meinung, dass das Aufgabe der Staatssicherheit der DDR war und tatsächlich praktiziert wurde?
Wenn das tatsächlich so gewesen ist und durchgängig, d.h. von Ausnahmen abgesehen, praktiziert wurde, wie erklären Sie, dass die Entwicklung einer Opposition bis hin zum Runden Tisch und dem Erarbeiten eines neuen Verfassungsentwurfes für die DDR möglich war?
Ich musste nie so einen oder einen ähnlichen Fragebogen ausfüllen. Polizeiliches Führungszeugnis abgeben ja, aber nur ein Mal vor der Einstellung.
Wo ist der Sinn derartiger Fragebögen, wenn jemand mit einer rechtsradikalen Gesinnung, wie eine gewisse Person der AfD Geschichtslehrer werden und sein kann?
Ich bin kein Experte in Sachen ehemalige DDR. Da gibt es hier im Forum qualifiziertere Schreiber. Zumindest von denjenigen, die unter Lebensgefahr geflohen sind, dürfte die Antwort eindeutig ausfallen. Wozu dienen Sicherheitsapparate schon: zur Absicherung der bestehenden Verhältnisse.
Wenn eine innerstaatliche Widerstandsbewegung aber eine gewisse Größe erreicht hat und sich auch noch im Schoß der Evangelischen Kirche relativ offen bewegen kann, dann fällt es den zuständigen staatlichen Sicherheitsbehörden zunehmend schwerer, den Deckel drauf zu halten.
Denn es galt immer zu beachten, dass der Widerspruch in dieser sozialistischen Gesellschaft, was Freiheit des Individuums und Forderungen der Partei betraf, nicht zu offenkundig wurde, denn das war eine ständige Vorlage für den Westen, der das weidlich nutzte. Und ab einem bestimmten Zeitpunkt, als die Lawine bereits im Rollen war, hätte es Bürgerkrieg bedeutet.
Mich würde interessieren, was Leute wie Herr Schorlemmer und Frau D. Dahn dazu sagen würden. Und Leute, die Kritik an der DDR- Regierung geübt haben, aber dort geblieben sind.
Die Erklärung von Müller macht deutlich, Holm wurde entlassen, weil er nicht demütig genug war und keine Reue gezeigt hatte. Da sind sie wieder, die Paralellen zum Fall des ehemaligen Rektors der Humboldtuni Heinrich Fink, der auch nicht demütig genug war und unter einen MfS-Vorwurf entlassen wurden. Holm und Fink ist gemeinsam, dass sie Kritiker_innen auch der heute herrschenden Verhältnisse waren und geblieben sind.
Mehr dazu hier:
(https://www.freitag.de/autoren/peter-nowak/wie-die-die-mfs-aufarbeitung-missbraucht-wird)
Insofern hat Holm glück gehabt, er ist kein neuer Fischer etc. geworden sondern kann mit erhobenen Haupt zurück in die außerparlamentarische Bewegung. Was ist auch von einen Bürgermeister Müller zu erwarten, der noch vor 3 Jahen Mieter_innen in der Berliner Beermannstraße als zuständiger Senator enteigenen wollte, damit der Autobahnbau in Treptow weitergehen konnte (http://beermannstrasse.blogspot.de/)
Noch einmal ganz langsam:
1) Der Bauunternehmer Groth hat der SPD und deren Kreisverband Lichtenberg Parteispenden in Tranchen von 9'950 € zukommen lassen, bei einer Transparenzschwelle von 10'000 € (Tagesspiegel).
1) Herr Andreas Geisel, damals Bausenator, war Spitzenkandidat des Kreisverbandes Lichtenberg bei der Senatswahl im September 2016 (ebenda).
1) Herr Andreas Geisel hat als Bausenator ein Bebauungsverfahren am Mauerpark aus der Zuständigkeit des Bezirks Pankow gelöst und an sich gezogen. Gegen das Bauprojekt hatte der Bezirk bereits ein Bürgerbegehren bewilligt. Die Groth-Gruppe baut dort (ebenda).
1) Herr Müller hat Herrn Geisel nach der Wahl zum Senator vor Inneres und Sport berufen (ebenda).
Und jetzt zählen Sie mal Eins und Eins (und Eins und Eins) zusammen.
Ich habe in meinem Post von "politischer Landschaftspflege" gesprochen und angedeutet, dass es sich dabei um eine legale Form von Korruption handelt. Dazu stehe ich, auch in diesem speziellen Fall. Und wir können alle davon ausgehen, dass Herr Müller diesen Fall kennt.
Was hätte er denn tun müssen, um im Amt bleiben zu können?
Von Anfang an sagen, was ist. Bei der Berufung schon sagen, auch den Linken gegenüber, dass es diese Einstellungssituation bei der Humboldt-Universität gab. Spätestens aber in der öffentlichen Auseinandersetzung sagen: Ja, da ist ein Fehler passiert. Ich entschuldige mich dafür, das hätte nie passieren dürfen.
Na ja; es ist ja nicht so, dass man in diesem Land auf Vergebung hoffen könnte, wenn man einen Fehler einräumt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dann erst recht über einen hergefallen wird, ist ziemlich groß. Und wie man das dann aushält, ist auch nicht ausgemacht. Ich denke nur an Günter Grass z.B. Der hat doch fraglos genau gewusst, weshalb er seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS bis 2006 nicht eben an die große Glocke hing. Oder glaubt jemand, die "Blechtrommel" z.B., wäre ein Welterfolg geworden, wenn das große Publikum gewusst hätte, dass der Verfasser bei der Waffen-SS war?