Direkt eskalieren!

Hegelplatz 1 Blöde Sprüche von Sexisten? Jakob Augstein rät: mehr Radikalität! Im Zweifel zuschlagen. Und danach sofort sehr herzlich um Verzeihung bitten
Ausgabe 14/2018
Noch so'n Spruch...
Noch so'n Spruch...

Foto: Ipon/Imago

Liebe Leserin, lieber Leser,
willkommen am Hegelplatz 1.

Unter dieser Adresse können Sie uns bekanntlich in Berlin erreichen – und wir ab heute Sie. Denn von nun an schreiben wöchentlich an dieser Stelle Simone Schmollack, Michael Angele und ich selbst. Worüber? „Schreiben Sie über den Garten, die Natur“, hat Angele gesagt, als ich wissen wollte, womit wir anfangen, „das interessiert Sie doch. Bloß nicht den gleichen Blödsinn wie sonst.“ Gut, wir kennen uns schon lange, der Angele und ich.

Aber der Garten, das war mir nicht gesellschaftlich genug. Es soll schon gesellschaftlich sein, was hier steht. „Feminismus!“, schreit Angele mir dann ins Ohr. „Sie sind doch Feminist, oder?“ Und ob, denke ich. Bei ihm bin ich mir nicht so sicher. Angele ist Schweizer. Die sind undurchschaubar. Aber ich bin Feminist. Neulich war ich zu einer Diskussionsveranstaltung der taz eingeladen, bei der es um den Feminismus und die neue Bundesregierung ging. Kein verkehrtes Thema, wenn man noch mal kurz das Bild erinnert, das Horst Seehofer und seine Heimatmännchen zeigt. Offenbar gehören Frauen auch nicht zu Deutschland.

Jedenfalls war das Erste, was ich an dem Abend gesagt habe: Ich hätte mich nicht eingeladen! Was hat ein Mann auf einem Feminismuspodium zu suchen? Ich hab dann aber schnell verstanden, dass ich beim Feminismus offenbar radikaler bin als so manche Frau. Gerade bei der taz. Jetzt mal ernst: Ich habe nie verstanden, warum Frauen sich von Männern so viel gefallen lassen. All die Geschichten, die man in der #MeToo-Debatte so zu hören bekam, die haben mich angeekelt. Wenn der Ekel zu groß wurde, habe ich mich in Sarkasmus gerettet und all den Situationen hinterhergetrauert, in denen ich keine Frauen belästigt habe – ich wäre ja damit durchgekommen. Männer kommen mit so vielem durch.

Übrigens hat das mit Bildung und sozialem Status gar nichts zu tun. Mit dem Argument versuchen die Leute in den sich besser wähnenden Kreisen, sich die Sache vom Hals zu halten. Die Frage nach der Farbe der Unterwäsche muss sich nicht nur die Kassiererin bei Aldi gefallen lassen, sondern auch die Galeristin in Charlottenburg.

Muss sie sich die Frage gefallen lassen? Nein. Überhaupt nicht. Aber versuchen Sie mal 5.000 Jahre Patriarchat in ein, zwei Generationen aus den Köpfen der Frauen zu bekommen. Mein Rat: mehr Radikalität. Wenn einer komisch kommt – sofort eskalieren. Im Zweifel zuschlagen, direkt aufs Nasenbein. Und danach sofort sehr herzlich um Verzeihung bitten, es war ein Reflex, nicht böse gemeint. Das fällt mir zum Feminismus ein.

Im Ernst. Männer lernen sonst nichts. Aber das würde ich so natürlich niemals öffentlich sagen oder schreiben. Höchstens hier unter uns, am Hegelplatz 1.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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