Welches Bild von sich bekommt man beim Gärtnern?

Koch oder Gärtner Manche Dinge erlebt man nur, wenn man Gärtner ist: Diesmal wird unser Kolumnist geröntgt, nachdem er sich mit dem Hammer auf die Hand geschlagen hat.

Liebe Gartenfreunde, der Gärtner hält bei seiner Arbeit stille Einkehr. Gärtnersein bedeutet, in sich hineinzuhorchen und auf den Widerhall der Natur zu lauschen. Es bedeutet vor allem aber, den Blick nach innen zu wenden und sich kennenzulernen. Man kann dabei völlig neue Bilder von sich erhalten. Manchmal gestochen scharfe Bilder.

Zum Beispiel dann, wenn in­folge einer Verletzung, die sich der Gärtner im Zuge seiner Verpflichtungen zugezogen hat, eine Röntgenuntersuchung fällig wird. Sie wissen ja, dass sich der bedauernswerte Gärtner mit einem schweren Zimmermannshammer mehrmals auf die linke Hand geschlagen hat. Mit großer Wucht. Das tat höllisch weh, kann ich Ihnen sagen.

Die Schmerzen ließen dann nach, es kam zu einer leichten Schwellung und einer Verfärbung. Ich dachte mir nichts dabei. Das änderte sich allerdings, als nach etwa zehn Tagen die Schmerzen zurückkehrten und der Finger nicht mehr richtig zu bewegen war. Von einem befreundeten Handchirurg weiß ich, dass viele Menschen dazu neigen, Verletzungen an der Hand zu unterschätzen und zu spät den Arzt aufsuchen. Die vollständige Wiederherstellung aller Funktionen – von Gitarrespielen bis Nasebohren – ist dann oft nicht mehr möglich. Das ist ein sowohl aus hand­chirurgischer wie auch aus hypochondrischer Sicht bedeutsamer Hinweis: Wenn Sie was an der Hand haben, gehen Sie zum Arzt, oder Sie haben ewig Anlass zu Sorgen!

Ich habe mir also wieder einmal einen Termin bei Professor Y.-M. G. geben lassen, der bereits einmal mein Knie und zweimal die Stirn meines Sohnes genäht hat und der seiner Arbeit mit der Ruhe eines Mannes nachgeht, der mehr gesehen hat als Platzwunden und Heimwerkerblessuren. Ich stelle mir vor, dass er Stabsarzt im iranisch-irakischen Krieg war. Mindestens.

Professor G. hat lange an meinem Finger herumgezogen, bis er die Stelle gefunden hat, an der der Schmerz sitzt. „The only thing that’s real“, hat der späte Johnny Cash in seinem Cover eines Nine-Inch-Nails-Songs gesungen.

Die Handchirurgie ist, von Mondbein-Nekrose bis zu Karpaltunnelsyndrom, ein weites Feld. Ich freue mich schon auf den Anfang Oktober in Bonn stattfindenden Kongress der „Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie“. In seinem Grußwort gibt Tagungspräsident Dr. Martin Richter einen Vorgeschmack: „Die eher enttäuschenden Ergebnisse der handchirurgischen Prothetik geben den Resektionsarthro­plastiken in unserem Fachgebiet weiter Raum.“ Auf nach Bonn!

Meiner Hand fehlte übrigens nichts, sagte der Professor nach einem Blick auf das Röntgenbild. Einblutungen im Gelenk. Keine große Sache. Dauert sechs Monate, bis es ganz geheilt ist.

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Geschrieben von

Jakob Augstein

Journalist und Gärtner in Berlin

Jakob Augstein

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