Freude an der Schadenfreude

Was läuft Jenni Zylka über die ambivalenten Reize von „Feud II – Capote vs. The Swans“
Ausgabe 19/2024
Tom Hollander in „Feud II – Capote vs. The Swans“
Tom Hollander in „Feud II – Capote vs. The Swans“

Foto: FX Productions

Ist das Freundschaft? Oder Liebe? Oder nichts von beidem? „Ich wollte Liebe von ihm“, sagt das ehemalige Society-Girl Babe Paley (Naomi Watts) irgendwann über den Bestsellerautor Truman Capote (Tom Hollander), und fügt hinzu: „… von diesem schwulen Hofnarren, der für sein Abendbrot singt“. Es ist von Anfang an eine merkwürdige, intime, dabei immer eigennützige Beziehung zwischen der kleinen dekadenten „schwulen Schulter zum Ausweinen“ (Capote über sich selbst) und den „Swans“, New Yorker Damen der Gesellschaft. Capote, der durch den Erfolg seines Romans In Cold Blood in den Rang des Everybody’s Darling erhoben wurde, ist Verbündeter und gnadenlos-scharfzüngiger Kommentator dieser besonderen Frauenclique: Um Babe, verheiratet mit Medienmogul Bill Paley, haben sich in der von Klassendünkel geprägten „Society“ schöne, reich verheiratete Frauen gesammelt, deren traurig-privilegierte Situation als alternde „Trophy Wives“ der Serienschöpfer Ryan Murphy mit angemessener Opulenz beschreibt.

Über die Schauspielerin, Kolumnistin, Geschäftsfrau und Lebedame C. Z. West (Chloë Sevigny) heißt es poetisch: „Sie gärtnert so, wie Jascha Heifetz Geige spielt – ihre Tagetes wollen nicht verblühen, sondern am Ende der Gartensaison einfach weiter ihre Schönheit teilen.“ Und Capote, der „gay best friend“, versteht die Frauen. Er weiß, was zählt, wenn die eh von vorherein riskante Währung der jugendlichen „Looks“ zu verblassen beginnt.

Schon der Ursprung dieser zweiten Staffel Feud (zu sehen bei Disney+), in der qua Titel menschliche Konflikte im Vordergrund zu stehen scheinen, obwohl es um viel mehr geht, liegt in einem weiblichen, stereotypen, aber glaubwürdigen Umstand: Die Liebhaberin von Babes Mann Bill hat – Frauen können rachsüchtig sein – absichtlich Menstruationsblut auf den teuren Bettlaken aus ägyptischer Baumwolle hinterlassen, wohl wissend, dass Bill es somit diesmal nicht schaffen wird, die Spuren seines Seitensprungs rechtzeitig zu vertuschen. Auch wenn der Hieb eher an Bill als an Babe gerichtet war, setzt die Symbolkraft natürlich vor allem der betrogenen Ehefrau zu.

Capote rät seiner besten Freundin Babe, die stutenbissige Herabwürdigung (wo sie selbst doch schon in den Wechseljahren ist!) zu ignorieren: „Lass ihn dafür zahlen!“ Als der vom „writer’s block“, Alkohol und dem eigenen Älterwerden geschüttelte Capote die Anekdote jedoch im Esquire veröffentlicht, stellen die Swans ihre Kämme auf. Sie weisen Capote, der zwar alsEntertainer geliebt, aber gesellschaftlich verpönt ist, massiv in seine Schranken.

So ambivalent wie das Verhältnis zwischen dem Autor und den Frauen war, so vielschichtig erzählt die Serie das von echten und Champagner-Perlen, makellosem Stil und Ausstattung wunderbar getragene Drama. Die Brutalität, mit der Capote gegenüber sich selbst und den Freundinnen vorgeht, spiegelt das Dilemma, das Frauen und queere Männer von jeher verband: Man ist eben kein alter weißer Mann mit entsprechender Macht. Sondern entweder ein sexualisiertes – und damit zeitlich begrenztes – Objekt der Begierde. Oder eben gay.

Und so greift die titelgebende „Fehde“ bewusst zu kurz: In beiden Parteien, den ohnmächtigen, aber schick anzusehenden Ehefrauen und dem zwar berühmten, aber ob seines Aussehens von der hedonistischen Community belächelten Schriftsteller geht es ums nackte Überleben.

Zuweilen franst die Serie erzählerisch etwas zu sehr aus, wie auch schon die erste Feud-Staffel, bei der es um den Streit zwischen Bette Davis und Joan Crawford ging, die sich Oscars, Freund:innen und öffentliche Gunst abspenstig zu machen versuchten. Aber ebenso wie in der ersten trösten die Ausstattung, das Spiel und die Konsequenz, mit der sich beim „Ladies’ Lunch“ an den Kristallweißweingläsern festgehalten wird, darüber hinweg.

Der Trick, über Sentimente wie Schadenfreude das Interesse an den tiefer liegenden Dramen der Damen zu wecken, geht auf. Und Tom Hollander dabei zuzuschauen, wie er mit genau der richtigen Portion an Bissigkeit, Flamboyanz und Weisheit den Champagnerkelch schwenkt, macht einfach Freude. Dass er von den Frauen wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wird, weckt durchaus Empathie für den Mann. Denn plötzlich scheint sich zu bewahrheiten, was Freundin Babe vorher zu ihm sagte: „I know these things, I’m witchy“.

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