Der Westbalkan und der Konflikt in der Ukraine

Balkan Die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist zu ihrer Reise in die mögl. Spannungsfelder des sich immer mehr verschärfenden Konflikts mit Russland gereist. Hierbei führen sie ihre Stationen von Bosnien über Serbien nach Moldau.

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Von den Medien sträflich mißachtet, zeichnen sich hier Konturen ab, die einen weiteren Krieg auf dem Balkan zumindest als möglich erscheinen lassen und dessen Konsequenzen mit denen des Konflikts in der Ukraine vergleichbar sein werden. Hierbei spielen sowohl die EU als auch die NATO und Russland eine entscheidende Rolle. Erstaunt reibt man sich in der EU die Augen, warum in Belgrad russlandfreundliche Demonstrationen stattfinden. Würde man die Hintergründe beleuchten, dann müsste klar sein warum.

Hintergrund: Serbien, der Schurkenstaat vom Balkan?

Jugoslawien geriet nach dem Tod Titos 1982 in den Sog einer extremen Wirtschaftskrise in den Jahren 1989 und 1990 mit Inflationsraten im hohen zweistelligen Bereich. Diese brachte die Trennungslinien der Ethnien und der witschaftlichen Leistungskraft der Teilrepubliken deutlich zum Vorschein und führte zu Unabhängigkeitsbetrebungen in den wirtschaftsstärksten Teilen Jugoslawiens: Slowenien und Kroatien. Im Zuge der sich immer mehr verschärfenden Spannung innerhalb des damaligen Jugoslawien und beginnenden Kämpfe in Slowenien im sogenannten 10 Tage Krieg erfolgte die Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die Bundesrepublik im Jahre 1991.

Es wird bis heute kontrovers diskutiert, ob diese Anerkennung eher Fluch oder Segen war: ob sie den kurz danach vollkommen eskalierenden Bürgerkrieg in Jugoslawien nicht erst richtig entfacht hat. Der folgende Bürgerkrieg wurde von allen Parteien mit Unerbittlichkeit geführt, die Belagerung Sarajevos und das Massaker von Srebrenica werden unisono als Kriegsverbrechen gesehen wie sie Europa nach dem zweiten Weltkrieg nicht gesehen hat. Namen wie Milošević, Karadžić und Mladić sind heute noch im Gedächtnis, sowohl im Westen, als auch in Jugoslawien, jedoch mit unterschiedlicher Konnotation (hierzu später mehr).

Das Resultat dieses Krieges war aus jugoslawischer Sicht ein Desaster, die wirtschaftsstarken Teile der vormaligen Republik Jugoslawien waren unabhängig geworden und die verbleibenen Teile - außer der im Norden gelegenen Vojvodina - schienen wenig geeignet, den serbisch dominierten Rest des ehemaligen Jugoslawiens wirtschaftlich überleben zu lassen. Mit Kroatien, Slowenien sowie Bosnien Herzegowina erschienen drei neue Staaten in der Staatengemeinschaft; insbesondere Bosnien Herzegowina war ein Konstrukt aus verschiedenen Ethnien, die - außer im damaligen Jugoslawien Titos - mehr trennte als verband.

Serbien wurde zurecht die Hauptschuld an den Kriegsverbrechen gegeben und war überwiegend in der öffentlichen Meinung ein "Schurkenstaat"; insbesondere die USA wiesen die Hauptschuld an dem Krieg und den Verbrechen den Serben zu.

Von diesem Konflikt strikt zu trennen ist der nachfolgenden Kosovokrieg in den Jahren 1998 bis 1999.

Während im vorangegangenen Krieg zumindest die Schuld an den meisten Verbrechen zweifelsohne bei den Serben zu verorten war, stellte sich dieses im Kontext des Krieges um den Kosovo anders dar. Hier war es zweifelsohne die UCK welche durch gezielte Angriffe auf serbische Polizeistationen Gegenschläge des Staates provozierte und diese dann für ihre Zwecke instrumentalisierte. Serbien - als in der öffentlichen Wahrnehmung ohnehin als Schurkenstaat gebrandmarkt - wurde von der UNO mit einem Embargo belegt um Verhandlungen zu erzwingen welche die Eigenstaatlichkeit des Kosovo zum Zweck hatten. Sofern diese Verhandlungen nicht zu konstruktiven Fortschritten führen sollten, sollte die causa vor den internationalen Strafgerichtshof gebracht werden. Nach dem Verlust - so die serbische Sicht - der ehemaligen Teilrepubliken Slowenien, Kroatien und Bosnien Herzegowina schien sich der Kosovo unwiederbringlich aus dem verbleibenen, serbisch dominierten, Rumpf-Jugoslawien zu verabschieden.

Bei den nachfolgenden Auseinandersetzungen nahmen sich sowohl die UCK als auch die serbische Polizei und das serbische Militär nicht viel; es fällt schwer, aus heutiger Sicht eine eindeutige Schuld nur einer der Konfliktparteien zuzuweisen. Festzuhalten beibt dennoch, dass es sich beim Kosovo um eine Teilrepublik Serbiens handelte und Serbien zumindest im für Serbien und den Kosovo geltenden rechtlichen Rahmen handelte.
Die internationale Staatengemeinschaft forderte zur sofortigen Waffenruhe auf und entsandte eine Beobachtermission. Auch die Androhung von Luftangriffen seitens der NATO zur Durchsetzung der UN Resolution 1244 tat das ihrige um einen Waffenstillstand zu etablieren. Unglücklicherweise nutzte die UCK den Waffenstillstand um Positionen der serbischen Armee, welche gemäß der Resolution aufgegeben wurden, zu besetzen.

Wie zu erwarten flammten die Kämpfe wieder auf - eine eindeutige Schuld zuzuweisen fällt wiederum schwer. Auch die Massaker von Racak und Rogovo lassen sich bis heute nicht aufklären. Beide Vorfälle gelten als Beginn einer durch das Internet geführten Kriegspropaganda; in der Öffentlichkeit setzte sich schnell eine Schuldzuweisung in Richtung Serbiens durch. Dieses wurde durch die US-Botschaft befeuert, welche eine eindeutige Schuldzuweisung vornahm, obwohl die Obduktionsergebnisse der Opfer der genannten Massaker durch noch nicht publiziert waren.
Schnell wurde das Narrativ in die Welt gesetzt, nachdem die Serben "mordend von Ort zu Ort" zogen, Bill Clinton selber verbreitete dieses Narrativ, der Vize-Präsident zu der Zeit war Joe Biden. Dieses Plazet war nicht unumstritten, auf die Ausführungen bspw. Noam Chomskys sei ausdrücklich hingewiesen.

Ein letzter Versuch zur Sicherung des Friedens wurde unternommen: der Vertrag von Ramboulliet. Zunächst fällt auf, dass dieser Vertrag seitens der NATO und nicht seitens der UN oder der EU ausgearbeitet wurde. Es sollte nicht überraschen, dass die NATO seitens Serbiens bereits als Partei und nicht als Vermittler wahrgenommen wurden, Drohungen hinsichtlich militärischer Intervention waren bereits an die Adresse Serbiens übermittelt.
Ein weiteres interessantes Detail war das Geheimhalten der Artikel 7 und 8 des Anhangs B des Vertrags, selbst vor der serbischen Delgation. Diese Artikel besagten zusammengafsst, dass die NATO uneingeschränkt zu See, Land und Luft in Serbien operieren dürfe und hierbei Straffreiheit genießen würde. Im Grunde etwas, was man nur unterschreibt, wenn man gedenkt sich zu unterwerfen.

In Deutschland wurde die Existenz eines Hufeisenplans kolportiert, Rudolf Scharping als Verteidigungsminister und Joschka Fischer als Außenminister folgtem den Narrativ der ethnischen Säuberung willig; Fischer ließ sich zu der Aussage des Drohens eines neuen Auschwitz ("Nie wieder Auschwitz") hinreißen. Man bereitete die Öffentlichkeit auf einen beginnenden Krieg vor, eine Zäsur in der jüngeren deutschen Geschichte. Auf ein UN-Mandat verzichtete man.

Die folgenden NATO Luftangriffe dauerten 24. März bis 10. Juni 1999 - rund 80 Tage - und zerstörten weite Teile der Jugoslawischen Infrastruktur und waren weit entfernt vom "sauberen und gerechtfertigten" Krieg. Man zog es vor, Russland am Tage der Angriffe zu informieren. Wahrscheinlich weil man sich der engen Bindungen Russlands zu Serbien bewusst war und man das Russland unter Boris Jelzin ohnehin als marginal ansah. Ein Aspket, der für das Agieren des heutigen Russlands gerne übersehen wird.

Neben der gezielten Ausschaltung der Medien durch den Angriff auf das serbische Fernsehen wurden auch zweifelsohne rein zivile Ziele wie der zwischen Han und Nis verkehrende Zug bei Gdrelica ins Visier genommen (60 Tote waren die Folge). Bei Surdulica wurden zivile Wohnviertel und das Altenheim bombardiert. Angriffe auf ein Chemiewerk in Belgrad setzten giftige Dämpfe frei und gefährdeten die Zivilbevölkerung. Lapidar hieß es seitens der NATO "solche Dinge passieren nun einmal, wenn bombardiert wird". Aufgearbeitet wurde alles dieses nie; lediglich die Berliner Zeitung griff das Thema detailliert auf.

Unnötig zu erwähnen, dass diese Vorfälle niemals rechtlich aufgearbeitet wurden. Es sein explizit darauf hingewiesen, das ein UN Mandat für diese Angriffe niemals existierte.

Um es festzuhalten:

es gab keinerlei Belege für eine geplante ethnische Säuberung seitens Serbiens,

es gab kein UN Mandat für irgendeine Form der Intervention,

der Außenminister Joschka Fischer war Grüner Außenminister und Scharping Sozialdemokratischer Verteidigungsminister einer Rot/Grünen-Koalitionsregierung,

der US-Vizepräsident hieß Joe Biden.

Diese Konstellation beinhaltet erhebliches Konflikpotential auf der Suche nach Lösungen in der heutigen Zeit.

Auf die Konsequenz der Eigenstaatlichkeit auch in Form des Camp Bondsteel im Kosovo, der Rolle Hashim Thacis und seinem unrühmlichen Ende in Den Haag soll nur hingewiesen werden. Von Demokratie und dem Prosperieren der Wirtschaft ist der Kososvo heute genausoweit entfernt wie damals und nicht wenige Serben fragen sich, ob der heutige Kosovo und die damalige Regierung Thacis die Implementierung der Werte der EU und der NATO sein soll und ob ein ungerechtfertigter und völkerrechtswidriger Krieg dieses Resultat rechtfertigt.

Jugoslawien heute: EU-Beitrittskandidat?

Festzuhalten ist, dass der Westen nach dem gewonnenen Krieg wenig unternahm Serbien - als immer noch den Balkan dominierenden Macht - in eine europäische Friedensordnung einzubinden und bis scheinbar heute vermeidet, die Rolle Serbiens aus Sicht der Russen zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn man Serbien heute unter der Regierung von Vucic betrachtet, fällt oberflächlich eigentlich wenig auf. Belgrad prosperiert, Kriegsschäden in Belgrad selber sind kaum noch zu sehen; es sei denn, sie werden als Wallfahrtsorte genutzt wie das zerbombte Verteidigungsministerium im Stadtkern, nahe der Save.
Urbanes Leben in seiner ganzen Fülle manifestiert sich bspw. an der Prachtmeile Krez Mikhailova oder im kleinen Ausgehviertel Skadarlija. Die Menschen sind von einer ausnehmenden Freundlichkeit, man trifft sich gerne und feiert, als Gast ist man stets und überall willkommen.

Hinsichtlich der Infrastruktur wird offensichtlich in großem Umfang investiert, Belgrade Waterfront dokumentiert den Anspruch zu führenden Großstädten aufzuschließen, die Ringautobahn um Belgrad steht in nächster Zeit vor der Vollendung. Hinsichtlich des Managements der COVID-Epedemie hat Serbien fast vorbildlich gehandelt, während hier noch um Impfstoffe gerungen wurde, konnte man sich in Belgrad innerhalb von zwei bis drei Tagen einen Termin verschaffen und den Impfstoff obendrein aussuchen.

Soweit die Fassade.

Hinter der Fassade sieht es dann anders aus. Die organisierte Kriminalität dominiert bis in höchste Kreise, selbst Vucic' Sohn ist hiervon durch seine Beteiligung an einem der durchwegs stark politisch instrumentalisierten Fusballvereinen "Partizan" und "Roter Stern" betroffen. Die Hooligans dieser Vereine werden auch gerne zur Durchsetzung von Interessen genutzt, wer sie kommandiert, bestimmt in der Innenpolitik mit. Der notorische (Kriegs)verbrecher Željko Ražnatović (Arkan) ist nur ein Beispiel.
Auch soll keinesfalls der Ermordung des Hoffnungsträgers weiter Teile der serbischen Bevölkerung Zoran Đinđić unerwähnt bleiben. Nach dem Dafürhalten des Autors, war das eine Zäsur, die den weiteren Weg Serbiens innenpolitisch determinierte. Auch wenn Vucic heutzutage distinguiert und durchwegs populistisch Auftritt, darf nicht vergessen werden, dass er sein Handwerk als Propagandareporter im Bosnienkrieg lernte und in der Vergangenheit sehr häufig durch extreme nationalistische Positionen auffiel. Seine Nähe zu Vojislav Šešelj - einem der unbestritten übelsten Nationalisten und Hetzer ist Legende.

Jobs bekommt man nur, wenn man dokumentieren kann, eine bestimmte Anzahl von Wählerstimmen der herrschenden Serbischen Wohlfahrtspartei zugeführt zu haben (Sammeln von Photos abgegebener Stimmzettel werden als Beweis akzeptiert). Ganz offensichtlich und bspw. in Vrcar - dem mit schönsten Wohnviertel Belgrads - zu sehen, ist eine kleine Oberschicht im Besitz von gehörigem Kapital. Fragt man, woher das Kapital kommt, kommt nur Schweigen.

Reist man weiter durch dieses wirklich schöne Land, dann fallen sofort die vielen Baustellen an den Autobahnen auf sowie das Wohlstandsgefälle in Richtung Süden. Bei aufmerksamer Betrachtung der Baustellen kann man von Konzernen wie "Shandong Hi-Speed Group" lesen. Und richtig, China hat Serbien in seiner geopolitischen Bedeutung erkannt und investiert über die Road and Belt Initiative erheblich in Serbien. Neben Griechenland profitiert kaum ein anderer Staat in Südosteuropa so stark von Chinas weltweiter Logistikoffensive und großzügig verliehenen Krediten wie der EU-Anwärter. Serbien ist in den letzten Jahren zu Chinas Lieblings- und Schlüsselpartner in Südosteuropa aufgestiegen.

Nicht vergessen sollte man die durch die zahlreichen Gazprom-Tankstellen dokumentierte Abhängigkeit Serbiens von russischen Energielieferungen und den Ausdruck kultureller Verbundenheit durch die wunderschöne Kathedrale in Belgrad - übrigens in Nahdistanz zur russischen Botschaft.

Und was macht die EU?

Die Regierung Serbiens stellte am 22. Dezember 2009 den Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Offiziell gilt Serbien seit dem 1. März 2012 als Beitrittskandidat. Offizielle Beitrittsverhandlungen werden seit 2014 geführt. Dem aufmerksamen Leser sollte auffallen, dass seit dem Ende des Kosovokrieges und dem Antrag Serbiens doch einiges an Zeit ins Land gegangen ist.

Offen kommuniziert ist die Notwenigkeit einer Einigung Serbiens mit dem Kosovo als conditio sine qua non. Es soll an dieser Stelle ausdrücklich auf den Verlauf des Kosovo Konflikts wie oben hingewiesen werden; ob diese Verhandlungen mit einem Zauberlehrling Šešeljs erfolgreich zu einem Abschluss gebracht werden können?

Ganz offensichtlich ist jedoch, dass in Belgrad die Ruine des Verteidigungsministeriums ein Wallfahrtsort nationalistischer Kräfte entstanden ist. Graffito weisen auf den Kosovo als unteilbaren Bestandteil Serbiens hin, das Amselfeld in seiner historischen Bedeutung wird immer und immer wieder angeführt - leider ist das jetzt im Kosovo. Ob Vucic entgegen seiner Vita gegen die Stimmen der Nationalisten agieren kann erscheint doch fraglich. Summa summarum, erhebliche Zweifel an einem Beitritt Serbiens in de EU sind durchaus angebracht.

Hinzu kommt, dass wohl niemand in Serbien verhasster ist als aktuell Joe Biden. Die Serben tragen ihm seine Rolle im Kosovokrieg nach, die Medien überschlugen sich förmlich nach seiner Wahl und erwähnt sein muss auch: unvergessen ist die Rolle Deutschlands und der Grünen im Kosovokrieg. Es waren SPD und Grüne, die unter Vorspieglungs falscher Tatsachen einen Krieg ohne UN Mandat gegen Serbien mitgetragen haben. Die Rolle Genschers bei der Anerkennung Sloweniens und Kroatiens kommt hinzu.

Russland und Serbien: Brudervölker?

... wohl kaum. Unzweifelhaft verbindet beide Völker über den Glauben hinaus vieles, Aliierte in zwei Weltkriegen, der von Russland finanzierte Bau der Kathedrale von Belgrad wurde bereits angesprochen, die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland wurde auch thematisiert. Hinzu kommt das Abstimmungsverhalten Russlands in den UN welches zuverlässig die Anerkennung des Kosovos konterkariert.

Doch was motiviert Russland? Ein Blick auf die Karte zeigt die Rolle Serbiens als Handelsweg einerseits, als Brücke zwischen Asien und Europa, andererseits spielt Serbien - besser das ehemalige Jugoslawien - eine erhebliche Rolle aus Sicht der Verteidigungsfähigkeit Russland gegen Aggressionen aus dem Westen. Zu Zeiten des Warschauer Paktes war für einen Angreifer auf Russland aus süd-östlicher Richting keinerlei Durchkommen. Das neutrale Jugoslawien gefolgt von Rumänien und Bulgarien machten jeden Angriff von dort aus unmöglich. Die Zeiten haben sich geändert, Rumänien und Bulgarien sind Mitglieder der EU und der NATO, Albanien wird als Beitrittkandidat zur NATO gehandelt, im Kosovo war das Camp Bondsteel jahrelang eine der größten Forward Operation Bases der USA. Russland hält dem in Form einer weitgehend unbekannten Militärbasis in der Gegend von Nis entgegen. Informationen zum Zweck dieser Basis und Stärke des Engagements sind nicht zu beschaffen.

Dem aufmerksamen Beobachter sollte nicht entgangen sein, das der Antrag zur Resolution zur Verurteilung des Angriffskrieges in der Ukraine von den USA und Albanien eingebracht wurde.

Nun sitzt Serbien "störend" inmitten dieses Gebildes. Aus russischer Sicht und in Anbetracht der chinesischen Investitionen scheint es kaum vorstellbar, dass beide sich in Serbien "die Butter vom Brot" nehmen lassen. Und was ist das effektivste um die EU und die NATO abzuschrecken: Zündeln bei den Nationalitäten.

Die Republika Srpska

Die Republika Srpska ist ein vollkommener Anachronismus, eine in Staatlichkeit gegossene Idiotie, vielleicht mit dem im Sykes/Picot Abkommen festgelegten Palästina im Nahen Osten vergleichbar. Getragen von nicht nachvollziehbaren Gedankengängen kam man auf den Idee, einen Staat aus drei weitgehend unabhängigen sogenannten Entitäten zu schaffen und dabei wohl vollkommen übersah, dass die Republika Srpska kein innerstaatlichen Zusammenhang aufweist, sondern sich wie ein paar Puzzlestücke über Bosnien Herzegowina erstreckt.

Vielleicht hätte bereits vor geraumer die Idee reifen können, dass nach Radovan Karadžić als erstem Präsidenten ein erhebliches Konfliktpotential in diesem unnatürlichen Konstrukt innewohnt. Und das fast Unvermeidliche nahm seinen Lauf und manifestierte sich in Milorad Dodik, einem Politiker, dessen Durchtriebenheit und Nationalismus höchstens noch durch seine Geldgier übertroffen wird. Von der EU und den USA mit Sanktionen belegt stellt er ohne jeden Skrupel die Existenz von Bosnien Herzegowina in Frage, leugnet das Massaker von Srebrenica und verleumdet den Hohen Repräsentanten der UN - den Deutschen Christian Schmidt - dahingehend, dass er eine Agenda betreibt, die ihre Wurzeln im Nationalsozialismus habe und einzig dazu diene die Serben auf den Knien zu halten. Mladic und Karadžić genießen den Status von Volkshelden dort.

So irre sich das anhört, es ist nicht so, dass er keine Unterstützer hätte. Natürlich trifft das in Serbien auf offene Ohren, Russland stellte sich stets in der UN hinter Dodik und - überraschenderweise - Ungarn auch. Orban hatte nichts besseres zu tun, als einen Sofortkredit zu gewähren und zur vollkommenen Überraschung gesellte sich EU- und NATO Mitglied Kroatien zu dieser illustren Runde.

Conclusio

Aus den Balkankriegen der näheren Vergangenheit ist eine hochexplosive Mischung entstanden die jederzeit zur Explosion kommen kann. Serbien fühlt sich nicht ganz zu ungerechtfertigt als ungerecht im Kosovokrieg behandelt, China investiert umfangreich in Serbien und Russland hat das Potential erkannt, der EU und der NATO dort mittels der Republika Srpska ein erhebliches Problem zu bescheren. Dieses Problem würde die EU und die NATO zum einen von der Ukraine ablenken und bietet weiteres Potential aus der Sicht Russlands. Die Rolle Ungarns war ohnehin über die letzten Jahre dubios und zumindest Bulgarien ist von Russland in einem Maße abhängig, dass es ihm nicht erlaubt, eine Front gegen Russland lange ohne Hilfe der EU durchzuhalten.

Auch ohne jegliche Aktivtät Russlands, nur durch Anerkennung der Republika Srbska und auch bei Untätigkeit Serbiens kann die Situation dort schneller eskalieren als das bei der EU wohl vermutet wird. Geld für dieses hat Dodik von Ungarn erhalten. Russlands Argumentation wird quasi das Spiegelbild der NATO-Argumentation im Kosovo sein, damit wird das vorherrschende Gefühl der Serben unterstützt. Schlussendlich ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass diese Sünde des Westens ihm am gleichen Orte einholt.

Man darf der Bundesaußenministerin viel Glück wünschen, sie wird es brauchen. (Wobei der Autor noch grübelt, warum die Reise zuerst in die Republika Srpska und dann nach Belgrad führte)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JFSebastian

„Strahlend feurig stiegen die Engel. Tiefer Donner rollte um ihre Küsten, brennend mit den Feuern von Orc.“ --- W. Blake, America: A Prophecy (1793)

JFSebastian

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