It's the economy, stupid

Globale Wirtschaft Geht es Ihnen auch so, es fehlt der Überblick? Eine kurze Erläuterung der ökonomischen Zusammenhänge im aktuellen Kontext von jemanden, der sich das alles auch erst klarmachen musste.

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Das Thema mag vielleicht ein wenig langweilen, zu viele Zahlen, Statistiken und überhaupt: warum soll mich das interessieren, ist doch eh so ein FDP/Friederich Merz Ding (igitt)?

Eines sollte man bei aller Trockenheit der Materie nicht vergessen: Dieses ist die Grundlage politischen Handelns eines Staates. Vieles ist wünschenswert und einiges notwendig, am Ende muss es immer bezahlt werden. Änderungen wesentlicher Parameter wie der Refinanzierungsmöglichkeit, dem tatsächlichen Wirtschaftswachstum, der Inflation oder plötzlich auftauchender Ausgabenotwendigkeiten reflektieren immer auf die Möglichkeiten staatlichen Handelns. Manches ausgeführte mag arg simplifiziert wirken, ist das so, dann einfach überlesen.

Intro

Es ist ein Dilemma: da wollen wir soziale Gerechtigkeit, Wirtschaftswachstum und Wohlstand, den Frieden und mit hoher Priorität den sozial-ökonomischen Umbau und haben einen Krieg in der Ukraine bekommen. Alles zusammen zu lösen wird wohl nicht gehen, Prioritäten müssen gesetzt werden und egal, wie diese Prioritäten gesetzt werden, teuer wird es auf jeden Fall. Doch die Möglichkeiten des Staates im Rahmen der Fiskal- und Sozialpolitik Einfluß auf die Zukunft zu nehmen engen sich immer weiter ein.

Als ob Deutschland nicht auch ohne diesen Krieg nicht bereits in ernsthaften Problemen stecken würde und der Sozialstaat bei hohem Mitteleinsatz nicht unterdurchschnittliche Resultate erzeugen würde, Infrastruktur und Digitalisierung im internationalen Vergleich nicht hinterherhinken würden sind nicht wenige der Meinung, dass wir jetzt und unbedingt noch ein Embargo von Energielieferungen bräuchten. Getrieben mehr durch Empörung -egal wie sehr diese gerechtfertigt ist - lassen wir uns dazu hinreißen, den Krieg mit immer mehr Waffen zu verlängern anstatt unser politisches und ökonomisches Gewicht international dazu einzubringen ihn schnellstmöglich zu stoppen. Hierbei ist es fast schon egal, wie die Friedenslösung aussieht, es muss schnellstmöglich aufhören, das Leiden Unschuldiger in der Ukraine muss ein Ende haben und Deutschland sollte keinesfalls Kollateralschaden werden. Alles andere ist inhuman, irrational und wird gravierende Konsequenzen haben.

Die vermeintliche Notwendigkeit der Aufrüstung wird am Parlament vorbei und bilanztechnisch verschleiert als Sondervermögen deklariert (wobei der Begriff des Vermögens nun mal etwas ganz anderes impliziert als das, was es ist: Schulden) und wenn das Grundgesetz im Wege steht, ja dann ändern wir es eben.

Nur mal so zur Erinnerung: der Staat den wir uns heute leisten funktioniert nur dadurch, dass die Wirtschaft und die Individuen durch ihr Handeln und die damit verbundenen Staatseinnahmen beitragen. Die Vermutung liegt nahe, dass die sich abzeichnende globale Wirtschaftskrise und die zeitgleich verstärkende Wirkung eines Embargos Deutschland u.U. in die Knie zwingen werden. Wem bitte soll damit gedient sein?
Ein schon jetzt stärker als die Wirtschaft wachsender Sozialstaat und eine einbrechende Wirtschaft könnten verheerende Folgen für den sozialen Frieden in Deutschland haben und unter Umständen werden wir uns die Augen reiben, in welchem Land wir eines Morgens aufwachen.

Warum das so ist, versucht dieser Beitrag zu erläutern.

Die Fiskalpolitik eines Staates, was ist denn das?

Unter der Fiskalpolitik eines Staates versteht man die Möglichkeiten der Stabilisierung von Konjunkturschwankungen, die Erhaltung eines möglichst hoher Beschäftigungsgrades und die Einflussnahme auf die Inflation im Rahmen eines Zielkorridors. Hierbei sollte die Fiskalpolitik so ausgerichtet sein, das antizyklisch - also gegen dern Verlauf der Konjunktur - agiert wird. Stark vereinfacht: Spare in guten Zeiten, so hast Du Geld für schlechte Zeiten.

Im Rahme der Fiskalpolitik stehen nachfragesteigernde und nachfragesenkende Instrumente zur Verfügung. Für eine Steigerung der Nachfrage kann die Fiskalpolitik zum Beispiel die Steuern senken, verstärkt als Nachfrager am Markt agieren sowie Sozial- und Beschäftigungsprogramme aufsetzen. Restriktive fiskalpolitische Instrumente bedeuten in der Regel das Gegenteil: Steuererhöhungen, Abbau von Sozialleistungen und die Verringerung der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Das Staatseinkommen, Staatsausgaben und das Bruttoinlandsprodukt

Eigentlich ganz einfach: die Einnahmen des Staates bestehen im Wesentlichen aus seinen Steuereinnahmen; offensichtlich sind die umso höher, umso höher das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die mit ihm verbundenen Steuereinnahmen sind. Diese Einnahmen sind das sog. ordentliche Staatseinkommen; hinzu kommt das außerordentliche Staatseinkommen - Erlöse aus Kreditaufnahmen, Entnahmen und Privatisierung. Alles diese kann im Bundeshaushalt nachgelesen werden. Warum wird der Bundeshaushalt 2021 herangezogen? Weil er die Planung für diese Rechnungsperiode abbildet, der Bund die wesentlichen Maßgaben politischen Handelns vorgibt, akteullere Zahlen nicht vorliegen - und man hinterher immer schlauer ist.

Die Einkommensseite des Bundes

Generell werden vom BIP ca. 24% als Steuern vereinnahmt, diese werden auf Bund, Länder, Gemeinden und die EU verteilt; nachfolgend soll nur die die Seite des Bundes betrachtet werden. Hierbei nahm der Bund 293 Mrd. Euro an Steuern ein und 26 Mrd. Euro an nicht näher spezifizierten sonstigen Einnahmen. Hinzu kommt die Kreditaufnahme des Bundes i.H.v. rund 180 Mrd. Euro. Die Anteile der einzelnen Steuerarten finden sich hier. Hierbei sind die Umsatzsteuer, die Lohn- und Einkommenssteuer und die Körperschaftssteuer die wichtigsten Einzelpositionen.

In der Gesamtbetrachtung heißt dieses, dass die Erhöhung der Einnahmen über Erhöhung der Steuern oder Erhöhung der Kredite erfolgen kann; soweit, so trivial. Eine weitere Binse ist, dass beides nicht ohne Auswirkungen auf Wirtschaft und Individuum bleiben kann.

Möglichkeiten der Erhöhung der Steuern

Erhöht man die Steuern der Unternehmen, werden diese Wettbewerbsfähigkeit verlieren, ggf. Umsätze einbüßen und am Ende kann es passieren, dass man nach mehreren Perioden mit höheren Steuersätzen aber geringeren Einnahmen dasteht. Hierbei sollte bei aller Polemik nicht übersehen werden, dass die Unternehmenssteuersätze in Deutschland bereits die dritthöchsten weltweit sind und sich die Unternehmen aktuell in der misslichen Lage sehen mit extrem gestiegenen Energiekosten zu kämpfen und die Energiekosten in Deutschland ohnehin schon zu den höchsten in Europa gehören. Ich will gar nicht erst damit anfangen, was passieren würde, wenn die Energiekosten stetig weiter steigen oder durch ein Embargo - gleich von welcher Seite - explodieren.
Nicht vergessen sollte man, dass Unternehmen in globaler Aufstellung durchaus auch Gewinnverlagerungen ins Ausland vornehmen könnten (und es in der Vergangenheit auch getan haben) und Deutschland als Investitionsstandort an Attraktivität verliert (... hat jemand "Tesla" gesagt?). Als Grund wird primär das Steuersystem genannt.

Nehmen wir den größten Quell stetigen Finanzflusses: die Umsatzsteuer (ist die Mehrwertsteuer für Verbraucher), warum nicht an ihr drehen? Eine Veränderung der Umsatzsteuer hätte gleich mehrere Effekte: die Preise steigen denn die Produkte verteuern sich und die Steuer trifft die Unterpriveligierten überproportional. Also insgesamt eine vielleicht nicht ganz so gute Idee, insbesondere vor dem Hintergrund ohnehin sehr stark steigender Preise - zur Inflation komme ich noch.

Ok, wenn nicht hier, warum nicht an Lohn- und Einkommensteuer drehen? Hierzu sollte man wissen, dass die Lohn- und Einkommenssteuersätze (zzgl. der Sozialabgaben) in Deutschland im internationalen Vergleich (von 2020) für Singles mit nahezu 50% des Einkommens nach Belgien bereits die höchste aller OECD Staaten ist und mit rund 33% für Familien mit 2 Kindern sich eher im Mittelfeld der OECD-Staaten befindet. Die Regierung möchte ich sehen, die die Steuerbelastung für Singles und/oder Familien aktuell erhöht.

Irgendetwas muss doch gehen, schließlich wollen wir doch nach Corona nun auch die Energiewende und die Modernisierung der Bundeswehr. Woher kommt der Bimbes (Urheberschaft dieses schönen Wortes: Helmut Kohl)? Da gibt es doch sowas wie Kapitalmärkte und was sind schon 180 Mrd. Euro Nettokreditaufnahme in 2021. Da muss nochwas gehen... doch dazu später.

Zunächst einen Blick darauf, was eigentlich so ausgegeben wird und wofür - oder - wo kann gespart werden.

Die Ausgabenseite

Die Planung des Haushaltes für 2021 weist auf der Verwendungsseite des Staatseinkommens einen Betrag i.H.v. rund 499 Mrd. Euro aus. Diese wurden verplant im Wesentlichen für:

-> Arbeit und Soziales, Gesundheit und Familien (ca 42%),
-> Infrastruktur/Verkehr (8,3%) und
-> Verteidigung (ca. 9,4%)

Ist es nicht überraschend, dass:

-> die 42% der Gesamtausgaben des Bundes für Soziales, Gesundheit und Familien aktuell den größten Einzelposten darstellen
-> 8% der Ausgaben für Infrastruktur und Verkehr die Bundesautobahnen in so einem Zustand hinterlassen und die Digitalisierung so super und flächendeckend funktioniert.
-> für Verteidigung in 2021 grob gerechnete 10 Cent von jedem auf der Seite des Bundes eingenommenen Euro ausgegeben werden sollten, sich aber 2% vom BIP viel weniger anhören?

Auch soll nicht verschiegen werden, dass kein Planung ohne entsprechende Korrektur: die Nachtragshaushalte. Wen wundert es, es wird garantiert nicht weniger ausgegeben, eher mehr. Aber wir waren ja beim Sparen oder bei der Erhöhung der Ausgaben generell, halten wir uns nicht mit Petitessen auf.

Arbeit und Soziales, Gesundheit und Familien

Eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist die Herstellung der sozialen Gerechtigkeit über Transferleistungen, sie sind Wesenskern des Sozialstaates und finden ihren Berechtigung in dem Markenkern Deutschlands: der sozialen Marktwirtschaft. Diese staatlichen Transferleistungen sind. bspw. Arbeitslosengeld II, Kindergeld, Elterngeld, Kurzarbeitergeld, staatliche Rentenzuschüsse für ehemalige Geringverdiener und die staatliche Förderung von Auffanggesellschaften. Grob gesagt: ohne sozialen Frieden kein funktionierendes Staatswesen.

Doch wie ist es darum bestellt in diesem, unserem Lande?

Halten wir fest, dass die Bundesrepublik im Jahre 2021 33,6% des BIP für Sozialleistungen ausgegeben hat. Ja, Sie lesen richtig, 1/3 des Wertes der in der Bundesrepublik erwirtschafteten Leistung ging für Soziales drauf. Was sich auf den ersten Blick immens anhört ist aber auch der Corona-Krise geschuldet, das Kurzarbeitergeld war wesentliches Instrument zur Abfederung aus der Corona-Krise resultierende Schieflagen - insbesondere durch drohende Entlassungen oder gar Konkursen. Es war also gut angelegtes Geld, oder?

Die Überraschung kommt, wenn man die Vorjahre vergleicht, 2018 waren es 29,4% des BIP. Und wenn man die Wachtumsraten der Sozialausgaben betrachtet, dann muss man leider feststellen, dass der Sozialstaat schneller als die Wirtschaft wächst. Doch nun keine vorschnellen Folgerungen: ohne die Gründe zu kennen, sollte man nicht die Axt anlegen. Der Sozialverband VdK warnt seit längerem, dass hohe Sozialleistungen trotz geringer Arbeitslosigkeit ein deutlicher Hinweis auf viele schlecht bezahlte Jobs seien. Denn das Sozialbudget umfasst Sozialtransfers wie etwa die Sozialhilfe und Grundsicherung, aber auch die Alterssicherung, Krankenversicherung oder das Kindergeld (Quelle). Auch wenn man das Resultat der Sozialpolitik - gemessen an der (zunehmend ungerechten) Einkommenverteilung in Deutschland betrachtet - ist da durchaus Luft nach oben. Das impliziert ja bereits das Statement des VdK.

Ich möchte mich hier nicht in weiterer Kritik ergehen, fairerweise sei gesagt: ich habe keine Lösungen, wie denn auch. Festzuhalten ist aber: von sinkenden Sozialkosten sollte keinesfalls ausgegangen werden, die Entwicklungen am Lohnsektor, die Demographie mit steigender Rentenlast und schlussendlich die sich abzeichnende Flüchtlingskrise stellen gewaltige Herausforderungen an zukünftiges Handeln. Kurz: billiger wird es mit Sicherheit nicht.

Bildung, Infrastruktur etc.

Ganz pauschal und plakativ: wer will hier sparen, die Zustände sind doch wohlbekannt?

Verteidigung

Aktuell stark in der Diskussion, das "Sondervermögen" und das 2% Ziel der NATO. Letzteres bedeutet in Konsequenz bei den aktuellen Bundesausgaben für Verteidigung wenn man 2% des BIP i.H.v. 3,57 Billionen Euro zugrundelegt man rund 71,4 Mrd Euro einplanen müsse. Im Vergleich zu den 46,9 Mrd. Euro des Bundeshaushaltes 2021 eine erhebliche Steigerung; wir würden dann vom Gesamthaushalt 14,3% für Verteidigung ausgeben. Gegenfinanzierung - woher soll das Geld kommen - die große Frage. Die Bundesregierung weist im Übrigen häufiger darauf hin, dass sie viel Geld in Entwicklungspolitik steckt - aus ihrer Sicht auch ein Beitrag zur Verteidigung. Leider scheint das nicht mehr zu gelten, Mars regiert.

Und jetzt sollen noch 100 Mrd. hinzukommen (allerdings ohne Aussage zum zeitlichen Verlauf der Ausgaben, wohl aber zur Kreditaufnahme: 2022 im Rahmen eines Nachtragshaushaltes). Das Parlament hat man mit dieser Entscheidung gar nicht erst belastet, warum denn auch, man macht mal eben so. Man nennt diesen Zuschlag "Sondervermögen"; Schulden wäre ehrlicher, aber mit der Schuldenbremse wohl nicht zu vereinbaren - und die steht seit 2011 in den Artikeln 109 und 115 des Grundgesetzes.

Ja, diese vermalledeite Schuldenbremse, warum muss die auch noch im Grundgesetz stehen? Was hat die Regierung nur geritten, diese maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung an neuen Schulden zu erlauben; für den Haushalt in 2021 wären das ja nur rund 33 Mrd. Euro - Peanuts.

Aber keine Regel ohne Ausnahme: "Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituation" erlauben ein Überschreiten; hatten wir bei der Bewältigung der Corona-Pandemie bereits, also fröhlich weiter so (wir reden von einem Gesamtzeitraum von nur 3 Jahren). Und der schlechte Zustand unserer Landesverteidigung ist ja zweifelsohne eine Naturkatastrophe und außergewöhnliche Notsituation in Personalunion und keinesfalls ein Strukturproblem. Schließlich schaffen wir es mit einem Verteidigungsbudget in ungefährer Höhe des russischen ja nicht, eine funktionierende Landesverteidigung hinzubekommen und gerne blenden wir aus, dass das Verteidigungsbudget Deutschlands, Italiens und Frankreichs - also der wirtschaftstärksten Nationen der EU - mehr als das Doppelte des russischen Verteidigungsbudgets ausmacht (alles bezogen auf 2020) und von den USA wollen wir gar nicht erst anfangen, den Artikel 5 des NATO-Abkommens nicht betrachten und die Verteidigunsausgaben der NATO auch nicht summieren.

Doch kommen wir zurück zum Grundgesetz, der lästigen Schuldenbremse und den Plänen. Was läge näher, als wiederum das Grundgesetz zu ändern - das ist ja auch kein Eingriff ohne erhebliche Konsequenz und das Grundgesetz ist ja auch etwas, was je nach politischer Großwetterlage flugs geändert werden sollte.

Gesagt, geplant, murksen wir doch ein wenig am Grundgesetz rum. Und das große Indianerehrenwort des Finanzministers gilt: "ab 2023 gilt wieder die Schuldenbremse". Wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt natürlich: ein überwältigendes Flüchtlingsproblem oder ein Wiederaufbaufonds für die Ukraine oder der Umbau der Wirtschaft zu erneuerbaren Energien, oder ein exorbitanter Anstieg des Kurzarbeitergeldes oder der Kosten für die Bundesagentur für Arbeit aufgrund einbrechender Wirtschaft, oder, oder, oder ...

Eine geschichtliche Randnotiz

"Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!"

Ein selten dümmlicher Satz, benutzt von jedem, der irgendwie der Meinung ist, der SPD eine auszuwischen zu müssen. Instrumentalisiert wurden die damaligen Sozialisten durch Hindenburg und die konstruierte Dolchstoßlegende innerhalb derer diese Sozialisten für die Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich gemacht wurden. Über die Haltlosigkeit dieser Anschuldigung muss man nicht weiter ausführen.

Das darf natürlich nicht noch einmal passieren: Die Schuld an einen (verlorenen) Krieg zugewiesen zu bekommen; Friederich Ebert lässt grüßen. Im ersten Weltkrieg - konkret 1914 - stimmten die Sozialdemokraten der Finanzierung des ersten Weltkriges zu obwohl sie noch kurz vorher gegen den Krieg demonstriert hatten. Infolge dieser sogenannten Burgfriedenspolitik kam es letztlich zur Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung.

Der damalige SPD-Vorsitzende Hugo Haase benannte am 4. August im Reichstag Imperialismus und Wettrüsten als Ursachen des Krieges, und knüpfte an die Positionen der SPD zum „Verteidigungskrieg“ und zum russischen Zarismus an, indem er die freiheitliche Zukunft des Volkes bei einem Sieg des „blutrünstigen russischen Despotismus“ gefährdet sah. Den Krieg wertete er als einen Deutschland aufgezwungenen Eroberungskrieg und betonte das „Recht eines Volkes auf nationale Selbstständigkeit und Selbstverteidigung“ gemäß den Beschlüssen der Internationale. Ausdrücklich bekräftigte er die Absicht der SPD, „das eigene Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen“. (aus wikipedia) - Ja hoppla, das klingt ja fast wie heute.

Doch kommen wir zu den Schulden zurück; zurück zu Fakten und weg von beunruhigenden geschichtlichen Vergleichen.

Staatsschulden und deren Finanzierung

Wirtschaftet der Staat über seine Verhältnisse, dann werden Schulden aufgenommen, finanziert über die Staatsanleihen. Wie oben ausgeführt werden im Bundeshaushalt 2021 Einnahmen i.H.v. rund 500 Mrd. Euro ausgewiesen und Kredite i.H.v. 179 Mrd. Euro sind Bestandteil dieser Einnahmen. Das ist jedoch die Netto-Kreditaufnahme und wir erinnern uns an die Schuldenbremse. Tatsächlich sollen jedoch 484 Mrd. Euro aufgenommen werden - die Brutto-Kreditaufnahme. Abgezogen von dieser Brutto-Kreditaufnahme werden die Tilgungen existierender Kredite abgezogen - rund 312 Mrd. Euro - und, voila, das soll an Krediten tatsächlich aufgenommen werden.

Die Schuldenquoten

Gleichgültig, wieviel absolut an Krediten aufgenommen wird, es interessiert eher der Gesamtschuldenstand, nicht als Summe sondern ausgedrückt darin, wieviel Gesamtumsatz (BIP) ein Staat eigentlich so macht und wie lange es bräuchte die Schulden zu tilgen, würde man den Gesamtumsatz zu 100% heranziehen. Vorsicht: hier wird nicht vom Gewinn (den Staatseinnahmen), sondern vom BIP gesprochen. Bildlich auf das Individuum heruntergebrochen: Wieviel Jahresverdienste bräuchte es, um die Schulden des Individuums zu tilgen.

Wesentlicher Parameter der Verschuldung ist die Nettoverschuldungsquote der Staaten gemessen am BIP. Und da finden sich erste Überraschungen in der Statistik:

USA: 130,65%
Deutschland: 69,81%
Frankreich: 113,45%
Italien: 150,41%
Griechenland: 210,00%
EU gesamt: 98,00%
Russland: 17,88%
China: 72,06%

Lange, lange ist es her, da waren mal die Maastricht-Kriterien das Maß der Dinge, maximal 60% sollten es sein ... lassen wir das, schließlich sond die ja ausgesetzt - Corona und so - und es gilt: Nimm, was Du kriegst. Und ab 2023 halten wir uns wieder dran (Großes Indianerehrenwort usw.; sehr lesenswert dieses).
Nur wie bitte soll das gehen? Das würde ja sparen bedeuten (siehe also oben). Alternativ wäre auch eine starke Erholung der Wirtschaft geeignet. Wäre da nicht dieser Krieg und die Notwendigkeit aufzurüsten - Sparen ist wohl eher nicht. Die aktuellen Prognosen der WTO zur Entwicklung der Weltwirtschaft sehen düster aus - aber warum sollte uns das das Exportweltmeister interessieren? Machen wir doch mal was mit Embargo, vorzugsweise direkt die Anfänge von Produktionsketten betreffend, dann können wir die Hebelwirkung an ungeahnten Orten und mit unkalkulierbaren Auswirkungen super studieren und uns die Augen reiben, was so alles möglich ist.
Von verschiedenen Seiten wird suggeriert, dass dieses zum Preise der Corona-Krise zu bekommen sei. Der Glaube versetzt ja bekanntlich Berge und warum nicht einmal etwas Experimentelles, gänzlich Neues wagen?

Kosten der Schulden

Es sollte unmittelbar zu verstehen sein, dass der Schuldendienst natürlich Kosten verursacht, niemand verleiht Geld zum Nulltarif. Zu den hierzu zu leistenden Aufwänden später mehr. Bislang ist ja alles noch recht einfach, erste Frage: Kann ein Staat pleite gehen? Antwort: Ja, warum nicht und das ist bereits mehrfach geschehen.

Die Beispiele Griechenlands und Argentiniens sind nicht allzulange her und sie haben zu erheblichen Verwerfungen auf den internationalen Finanzmärkten geführt. Da es kein Insolvenzrecht für Staaten gibt, müssen die Gläubiger ihre Forderungen ganz oder teilweise abschreiben; manche können es, andere nicht. Auf jeden Fall sind die Risiken für Schuldner und Gläubiger erheblich. Handelt es sich bei den Gläubigern bspw. um Banken, entfaltet der Zusammenbruch ggf. eine Kettenreaktion, deren Beherrschbarkeit wohl recht herausfordernd ist. Für den Schuldnerstaat resultiert als Konsequenz, dass die Kapitalbeschaffung auf den Märkten zukünftig schwierig bis unmöglich wird, mit erheblichen Konsequenzen für die Fiskalpolitik des jeweiligen Staates.

Gänzlich absurd wird das Ganze, wenn man die Spareinlagen eines Staates - sowas gibt es dann tatsächlich: Währungsreserven - einfach mal sperrt oder gar ganz einkassiert, aber auf dem Schuldendienst beharrt. Man ahnt, worauf ich abhebe. Nicht nur, das Russland wohl gut gewirtschaftet hat (siehe Schuldenquote), es hat auch erkleckliche Sümmchen als Währungsreserven. Konkret: neben China die viertgrößten weltweit. logisch, dass das so keinesfalls bleiben kann, wir "frieren sie ein", behaupten, der Krieg könne dann nicht mehr finanziert werden (als ob der Sold in Euro oder USD gezahlt würde), bestehen auf der Bedienen der Verbindlichkeiten, massakrieren die Möglichkeiten Handel zu treiben über den Ausschluß aus SWIFT und hoffen klammheimlich auf den Staatsbankrott. Über die Konsequenzen dessen für andere Staaten denken wir garnicht erst nach. Klappt bestimmt und ganz, ganz sicher werden keine Gegenmaßnahmen kommen. Ich korrigiere mich: "klammheimlich" stimmt hier eher nicht.

Aber das sollte nur ein kurzer Ausflug sein, zurück zu den Kosten der Schulden. Gemeinhin nennt man sie Zinsen. Hier lauert jetzt eine faustdicke Überraschung: Deutschland verdient an seinen Schulden. Doch woran liegt das?

Zunächst muss man feststellen, dass eine ungeheure Menge Geld unterwegs ist welches nach sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten sucht. Die EZB hat mit ihren Anleihekaufprogrammen derart große Mengen an Geld in den Umlauf gebracht und eine derart große Nachfrage nach u.a. Staatsanleihen erzeugt, dass nach den Regeln des Marktes ein knappes Angebot einer hohen Nachfrage gegenübersteht. Die Anleger sind sogar bereit, ihr Geld in Anlageformen anzulegen, die den realen Wert verringern (aber immer noch besser verzinsen als die Inflation ihn auffrisst). Hierdurch kommt es, dass Deutschland an Schulden Gewinne macht. Das wäre dann die gute Nachricht.

Auf der anderen Seite steht, dass diese im Umlauf befindliche Menge an Geld verbunden mit er Niedrigzinspolitik der EZB die Inflation - sagen wir mal "stimuliert". Nur haben wir leider eine Stimulation der Inflation aktuell kaum nötig und die FED hat bereits die Zinsen erhöht und die EZB wird wohl folgen. Konsequenzen: Geringere Investitionsneigung der Unternehmen, den Rest kann sich jeder Ausmalen.

Konsequenzen der Inflation und Schreckgespenst der Stagflation

Verlassen wir mal den Spielraum politischen Handelns der Regierungen weiter und werfen einen Blick auf den durchaus nicht trivialen Zusammenhang von Inflation und Zinsen.

Inflation bedeutet ja nichts anderes, als das man (Sie, ich und Unternehmen) für das gleiche Geld immer weniger kaufen kann. Bestes Beispiel: ich tanke immer für 50 Euro - nur komme ich nicht mehr soweit. Auch wenn die Neunmalklugen jetzt einwerfen, dass die Inflation primär durch die hohen Energiekosten zustande käme: ja, das mag sein, ist aber nicht alleinig ausschlaggebend. Die Nahrungsmittelpreise explodieren förmlich und im Gegensatz zum "Frieren für den Frieden" wird ein "Hungern für den Frieden" wohl kaum vermittelbar sein. Auch werden die privaten Haushalte wohl recht wenig Neigung zeigen, den notwendigen Umbau hin zu mehr Nachhaltigkeit vorzunehmen, wenn das verfügbare Einkommen durch die Inflation aufgefressen wird.

Ergo ist es ja wünschenswert, wenn sich die Preise wieder nach unten bewegen. Doch wie bekommt man das hin, man kann den Verkäufern ja nicht einfach sagen: ab jetzt 10% billiger. Deshalb sind auf die Entlastungsprogramme der Bundesregierung pure Augenwischerei, sie entfalten maximal einen Einmaleffekt zu Lasten des Bundeshaushalts - und damit zu Lasten aller.

Hier kommen die Zinsen ins Spiel.
Die (unabhängige) Zentralbank bestimmt die Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken bei ihr Zentralbankgeld leihen, bzw. es hinterlegen können; das betrifft zunächst nur Banken. In einem Folgeschritt verleihen die Banken Geld an Investoren: Sie, ich und Unternehmen; im Falle von Unternehmen verteuern die höheren Zinsen als Folge die Produkte. Daraus resultiert eine Verzögerung, man geht von 1 bis 1,5 Jahren aus. Was ist nun gut daran, dass die Preise für Produkte steigen? Als direkter Effekt wird bei höheren Preisen auch weniger nachgefragt, die Preise werden ergo runtergehen, will man auf seinen Produkten nicht sitzenbleiben. Unerwünschter Nebeneffekt: weniger Arbeitskräfte werden auch gebraucht, die Lohnkosten werden nicht steigen. Also ist es irgendwie nicht einfach heute eine Zinsentscheidung zu treffen und hoffen, dass der Einschlag in einem Jahr auch trifft.

Also richten wir all unser Hoffen und Bangen auf die Wirkungen der Entscheidungen der EZB und die Entwicklung der Wirtschaft. Tritt der Fall ein, dass eine Wirtschaft stagniert und die Preise steigen, dann spricht man von einer Stagflation; diese gilt gemeinhin als Albtraum der Ökonomen. Dier Fall war bereits da: Die Ölkrise der 70-er.

Stagflation als Auswirkung der Ölkrise

Die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) beschloss aus politischen Gründen, weniger Öl zu fördern – daraufhin verdoppelte sich in wenigen Jahren der Preis und das löste eine schwere Wirtschaftskrise aus. Das ungewöhnliche daran war, dass während der Krise die Preise weiter stiegen. Denn die Unternehmen gaben ihre höheren Energiekosten an die Verbraucher weiter. In der Folge forderten die Gewerkschaften höhere Löhne, um die Preissteigerungen auszugleichen. Das erhöhte wiederum die Kosten der Unternehmen. Die gefürchtete Lohn-Preis-Spirale fing an sich zu drehen. Die Wirtschaft fiel in eine Rezession, die Arbeitslosigkeit stieg und die Preise gingen weiter nach oben. Aber im Gegensatz zur Ölkrise in den 1970er Jahren spricht einiges dafür, dass die Gefahr einer schweren Rezession nicht ganz so hoch ist. Am Arbeitsmarkt herrscht eher Mangel an Bewerbern, ein starker Anstieg der Arbeitslosenzahlen ist vorerst nicht zu befürchten. Und die Unternehmen können, sobald die Lieferengpässe überwunden sind, sehr schnell wieder ihre Produktion hochfahren - sofern sie die Möglichkeiten dafür haben
(machen wir einfach mal ein Embargo, oder vllt. nicht so gut?)

Conclusio

Es sieht nicht gut aus. Notwendige Staatsaugaben im Rahmen seiner Fiskalpolitik stehen in immer größerem Umfang an, wollen wir bspw. die Energiewende umsetzen. Gleichzeitig schränkt sich der Handlungsspielraum des Staates ein; bislang konnte wurde primär über Schulden agiert, man verdiente ja sogar an ihnen. Eine Rezession verringert die Einnahmenseite drastisch und die Notwendigkeiten einer entsprechenden Fiskalpolitik werden den Schuldenstand weiter erhöhen. Die Reaktionen der Notenbanken auf die immer höhere Inflation ist gemeinhin eine Zinserhöhung, diese ist jedoch kontraproduktiv zur Wirtschaftsentwicklung. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass sich die Möglichkeiten der Staatsverschuldung nicht signifikant verteuern; alleine Hoffnung wird nicht helfen. Erste Anzeichen für ein Ende dessen sind überdeutlich: Schulden machen wird teurer - und den Handlungsspielraum einengen.

Es gilt das Mögliche mit dem Wünschenswerten auszutarieren, auch wenn dieses unpopuläre Entscheidungen beinhaltet. Es steht stark zu vermuten, dass sich das bislang ausgeführte auch im Wirtschaftsministerium herumgesprochen hat, wünschenswert wär es, wenn bspw. Wirtschaftsministerium und Außenministerium - aktuell ja in der Hand einer Partei - sich vielleicht ein klein wenig absprechen würden dahingehend, was wünschenswert und was durchsetzbar ist (diese Spitze musste jetzt einfach sein).

Obwohl ich vor Ewigkeiten mal Wirtschaftswissenschaften studiert habe fällt es mir mir oftmals schwer, die ökonomischen Zusammenhänge richtig einzuordnen und die Interdependenzen zu verstehen. Dieses ist der Versuch, etwas Ordnung in die Dinge zu bringen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

JFSebastian

„Strahlend feurig stiegen die Engel. Tiefer Donner rollte um ihre Küsten, brennend mit den Feuern von Orc.“ --- W. Blake, America: A Prophecy (1793)

JFSebastian

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