Chronik

vom 7. bis 13. Mai 2009

Koalition gegen Rehabilitierung

Verratene Kriegsgegner

Fachleute sind sich einig, das Verteidigungsministerium hat keine Bedenken und die SPD war eigentlich auch dafür: Tausende NS-Unrechtsurteile gegen „Kriegsverräter“ könnten endlich annulliert werden. Doch Parteientaktik verhindert eine Rehabilitierung von Soldaten, die wegen ihrer „moralisch sinnvollen Widerstandshandlungen“, so Experten, Opfer von „in die äußere Form von Gerichtsurteilen gekleideten Tötungsverbrechen“ wurden. CDU und SPD blockierten abermals einen Gesetzentwurf der Linken. Die SPD scheute sich, die rot-grün-rote Mehrheit im Plenum zu aktivieren. Nur noch drei Sitzungswochen bis zum Ende der Legislatur, die Zeit wird knapp. TS

Hunderttausende auf der Straße

Unruhe statt Ruhe

330.000 Menschen haben bei einem europaweiten Aktionstag für eine Politik gegen Armut und Arbeits-losigkeit demonstriert. In Berlin machte DGB-Chef Sommer vor knapp 100.000 „nicht nur Hedgefonds oder Kreditspekulanten“ für die Rezession verantwortlich, sondern auch jene Politiker, „die ihnen auf den Leim gegangen sind“. Die Gewerkschaften forderten ein drittes Konjunkturprogramm und staatliche Hilfen für bedrohte Firmen. Sommer fürchtete lautstark um den „sozialen Frieden“ und stellte mehr Proteste in Aussicht. Die Demonstranten muss er dazu nicht lange bitten: „Soziale Unruhe statt unsoziale Ruhe“, hieß es in Berlin auf einem Plakat. TS

Entscheidung in Sri Lanka

Die Tiger kapitulieren

Regierung, Armee und die singhalesische Mehrheit Sri Lankas triumphieren. Die Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) haben kapituliert. Mit dem Traum vom eigenen Staat der Tamilen scheint es vorbei. Ob auch der seit 40 Jahren das Land zerreißende Bürgerkrieg vorbei ist, steht zu bezweifeln. Zwar spricht Präsident Rajapakse von einer totalen Niederlage der LTTE, doch hatten die zuletzt erklärt: Wer die offene Feldschlacht verliere, könne immer noch in den Untergrund. Allein zwischen Januar und Mai wurden bei den Gefechten im Nordosten Sri Lankas über 7.000 Zivilisten getötet. Dieses Blutbad könnte das Land weiterhin den inneren Frieden kosten. LH

Steuerstreit in der Union

Umdenken am Abgrund

Tagelang ging es in der Union hin und her. Während die einen sofortige Steuersenkungen nach der Bundestagswahl forderten, warnten die anderen vor leeren Kassen. Auch ein Machtwort der Kanzlerin konnte die Kakophonie nicht eindämmen. Geschafft hat dies erst die aktuelle Steuerschätzung: Bund, Länder und Gemeinden müssen danach bis 2013 mit 316,3 Milliarden Euro weniger auskommen als bisher angenommen. Allein 2009 werden die Einnahmen demnach um 45 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Selbst die CSU korrigierte daraufhin ihren Steuerkurs und will nun erst einmal auf neues Wirtschaftswachstum warten. Nur die FDP bleibt unbelehrbar. TS

Treffen Netanyahu – Obama

Iran und Palästina

Israels Premier konnte sich Anfang der Woche beim Antrittsbuch im Weißen Haus entscheiden: Entweder die Gunst der Amerikaner oder den ultrarechten Flügel seiner Koalition zu verlieren. Dass Benjamin Netanyahu bisher von Verhandlungen mit den Palästinenser wenig und von einer Zwei-Staaten-Lösung gar nichts hält, sorgte in Washington für wenig Entzücken. Obama reagierte mit einem Junktim: Beistand für Israel in der Iran-Frage nach dem Einlenken Israels in der Palästinenser-Frage. Netanyahu ließ sich die Floskel abringen, mit den Abbas-Palästinensern wieder reden zu wollen. Fazit: Der Reformer Obama tritt vorerst auch in der Nahost-Politik auf der Stelle. LH

Prozess gegen Suu Kyi in Maynmar

Wäsche und Zahnbürste

Es könne länger dauern, sie solle Wäsche und Zahnbürste mitnehmen, hörte Aung San Suu Kyi, als sie von Polizisten aus ihrem Haus in Rangoon ins Insein-Gefängnis eskortiert wurde. Der Tausch von Hausarrest gegen Arrestzelle ging auf den Besuch eines gewssen William Yettaw bei der Oppositionspolitikerin zurück. Der Amerikaner hatte deren Villa schwimmend erreicht, war zwei Tage geblieben und danach verhaftet worden. Den Vorgang werten die Myanmar regierenden Obristen als Verstoß gegen den Hausarrest und sind mit einem neuen Prozess schnell bei der Hand. Ob die Geschichte inszeniert war, um Suu Kyi erneut zu verurteilen, erscheint denkbar . LH

Fotos: Markus Schreiber/AP, Steffen Kugler/dpa, SAUL LOEB/AFP/Getty Images, RUNGROJ YONGRIt/EPA/dpa

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

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