Wie schafft man guten Appetit?

Koch oder Gärtner Natürlich, das Auge isst mit. Aber auch das Ohr. Und so muss der Koch die Worte, mit denen er die verschiedenen Gänge seines Menüs serviert, bewusst wählen

Wenn es doch mit dem Kochen schon getan wäre. Doch leider müssen wir immer wieder erleben, dass die Arbeit am Herd allein nicht reicht, damit es den Gästen schmeckt. Sie erwarten mehr. Sie brauchen bisweilen sogar Anleitung, damit Ihnen ein Gericht noch besser mundet. Die Erlaubnis zum genüsslichen Schlürfen etwa, wenn meine Ramen auf den Tisch kommt, eine japanische Nudel­suppe. Oder der Hinweis, mit wie viel Aufwand ein scheinbar einfaches Gericht wie eine klare Tomatenessenz verbunden ist.

Man muss sich als Koch also auch aufs Servieren verstehen und ein bisschen Kellner sein. Ich gestehe, die liebsten Gäste sind mir, die durch die Tür kommen und schon sagen: „Oh, riecht es hier lecker. Wir haben einen riesigen Hunger mitgebracht. Geht’s gleich los?“ Nur ein Tipp: Falls Sie mal verschwitzt haben, Wein, Blumen oder ein anderes Gastgeschenk zu besorgen: Legen Sie sich diese Sätze zurecht. Ich verspreche: Das ist viel mehr wert als ein Saint-Émilion von 1998.

Aber wer kann sich perfekte Gäste schon aussuchen? Also ist man selbst gefragt. Und da sind die Worte, mit denen man den ersten Gang an den Tisch bringt, gewissermaßen das Entrée vor dem ­Entrée. Es gibt da ein paar Klassiker, wir sind ihnen allen schon begegnet. Doch leider sagen sie oft mehr über den Koch aus als seine Küche.

Notorische Tiefstapler

1. „Es ist noch mehr da“ sind Worte, die meist mit überladenen Platten serviert werden. Ein echter Großmutter-Satz. Soll heißen: Ob es Euch schmeckt, ist nicht so wichtig. Hauptsache, Ihr werdet satt. Und es gibt davon ganz perfide Variationen. Haben Sie schon mal erlebt, wenn durch das kauende Schweigen am Tisch der besorgte Satz flirrt: „Ich hoffe, es reicht. Soße und Knödel stehen noch in der Küche. Nur beim Braten, da bin ich mir nicht sicher.“


Solche Worte sind echte Appetitzügler. Denn was sie meinen, wissen wir alle: Vom Braten soll und wird garantiert ein Rest für das nächste Abendbrot übrigbleiben. Und so paradox die Ansage ist, muss ihr entsprechend begegnet werden. Hauen Sie also richtig rein, wenn es Ihnen besonders gut schmeckt. Nur, wenn der ganze Braten weg ist, haben Sie eine Chance, dass der Mensch in der Küche auch überzeugt ist, über Niveau gekocht zu haben.

2. Den Satz „Es könnte noch besser sein“ höre ich oft aus dem Munde von Männern am Herd. Bei einigen kann man drauf wetten: Sie werden sich nach dem ersten Bissen sofort detailliert darüber auslassen, was daran nicht ganz so perfekt geworden ist. Sich als größter Kritiker des eigenen Werkes zu geben, ist die durchschaubarste Art, ein Kompliment zu erbitten. Aber mal ehrlich: Will man wirklich essen, was nicht mal dem Koch selbst schmeckt?

3. Etwas sympathischer sind da noch die notorischen Tiefstapler. Sie haben häufig ein ganzes Repertoire von Sätzen zur Hand. „Ich hab’ mal eben schnell was zusammengeworfen“ gehört genauso dazu wie „ganz simple Pasta“. Natürlich: In den meisten Fällen trifft genau das Gegenteil zu, und der Koch hat Stunden in der Küche verbracht. Sagen Sie dem Koch, dass das doch „kolossal komplex“ schmeckt – und Sie haben, bei richtiger Betonung, einen Freund fürs Leben gefunden.

"Wie bei Muttern, nur besser

4. Nicht so oft, aber durchaus regelmäßig treffe ich auf den Satz: „Das ist übrigens ein Rezept von sowieso.“ Schon besser, aber er sagt auch wieder mehr über den Gastgeber aus. Der hat nämlich ein stabiles Sicherheitsnetz gespannt. In klarem Deutsch heißt es ent­weder: „Ich habe diese Scheiße hier nicht selbst verbrochen“ oder, falls es doch ganz formidabel schmeckt: „Lorbeeren bitte an anderer Stelle abgeben.“ Als Gast wird einem das Kompliment da richtig schwer gemacht.

Und wie soll man es nun rhetorisch richtig machen, damit sich die Nasen öffnen und die Gaumen wässrig werden, bevor die Teller auf dem Tisch stehen? Ehrlich, wenn es ein Patentrezept gäbe, ich wäre schön dumm, es zu verraten. Aber ich glaube, es existiert nicht.

Ich serviere meinen Gästen einfach mein aktuelles „Lieblingsrezept“. Es ist „ganz oft“ ausprobiert und schmeckt „wie bei Muttern, nur besser“. Auch wenn ich das Rezept tatsächlich erst mittags aus dem Netz geangelt habe, von einem anonymen surfnturf67. Aber die Strategie schafft Vertrauen, weckt das Kopfkino, und macht immer wieder – guten Appetit.

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Geschrieben von

Jörn Kabisch

Stellvertretender Chefredakteur des Freitag von 2008 - 2012 und Kolumnist bis 2022, seitdem Wirt im Gasthaus zum Schwan in Castell

Jörn Kabisch

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