Valverde ist ein Serienkiller, wie er im Buche steht. Und zwar in jener Art von Schmöker, wie er sich massenhaft an grusellüsterne Leserinnen verkauft. Von einem unheilbaren Drang nach irdischer Gerechtigkeit getrieben, tötet er fünf wohlhabende Damen von miesem Charakter und gestaltet aus ihren geschundenen Körpern eine bizarre Skulptur. Der Mörder fühlt sich als Künstler und reagiert ungehalten, wenn sein Werk auf verständnislose Rezensenten stößt. Als „Uckermark-Bestie“ möchte er sich nämlich nur ungern titulieren lassen.
Aber der Mann hat auch andere Seiten. Als Liebhaber und Ersatzpapi gibt er sich sensibel und verständnisvoll. Sein Musikgeschmack (Iggy Pop, Robert Fripp, Ornette Coleman) verspricht Disti
icht Distinktionsgewinn, seine kulinarischen Vorlieben (Krabbenbrötchen, Pils) hingegen tendieren eher zum Deftigen. Fast könnte man ihn mögen. Wären da nicht die Morde.Dass es sich bei Valverde, trotz nachhaltigem Kindheitstrauma, eben nicht um den typischen Protagonisten eines gewöhnlichen Serienmörder-Psycho-Thrillers handelt, dürfte mittlerweile klar geworden sein. Der kunstinteressierte und diskursfähige Gewalttäter mit langjähriger Knasterfahrung spielt die Hauptrolle in Falscher Garten, dem gehaltvollen zweiten Roman von Ute Cohen, die für den Freitag die Krimi-Kolumne „C’est la Mort“ schrieb.Ort der Handlung ist das Berliner Viertel Grunewald, wo altes und neues Geld in stattlichen Villen residiert. Hier geriet Valverdes „Moralratte“ außer Rand und Band, hier fand er seine Opfer. Sinnigerweise als privat engagierter Gärtner bei reichen Leuten. Den Tod, daran besteht für ihn kein Zweifel, hatten sie allesamt verdient. Und nun lebt er bei Susa, einer erfolgreichen Journalistin, und ihren drei lebhaften Kindern. Das kriegt er gut hin, auch wenn er in Erziehungsfragen nicht immer einer Meinung mit seiner Geliebten ist. Ginge es nach ihm, dürfte es ruhig autoritärer zugehen. Umso mehr genießt er die Zeiten, die er allein im Haus verbringt. Dann raucht er filterlose Zigaretten und beobachtet fasziniert die Nachbarn, während eigentlich Kaninchenstall und Gartenzaun repariert werden müssten.Gleich nebenan beim Ehepaar Ballenberg scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Wer ist die „langmähnige Dunkelhaarige“, die dem Inhaber einer traditionsreichen Schokoladenmanufaktur Gesellschaft leistet? Und wo steckt die früher so präsente Gattin? Valverde entdeckt den Detektiv in sich. Aber je mehr er sich in die Sachlage vertieft, desto unübersichtlicher wird sie. Hier muss nicht nur observiert werden, auch ethnohistorische Recherchen sind erforderlich. Denn der Kakaoliebhaber Ballenberg ist ein begeisterter Fan der Azteken, die nicht für ihren Humanismus bekannt sind.Eine schwarze KaprioleAber vielleicht handelt es sich bei den Berichten über grausame Menschenopfer in der indigenen Hochkultur auch um eine groß angelegte kolonialistische Verleumdung. Fragen über Fragen, denen Valverde akribisch nachgehen muss, während er gleichzeitig bemüht ist, sich neue geschäftliche Perspektiven zu erarbeiten. Selbstredend nicht unbedingt legale.Als „schwarze Kapriole“ bezeichnet die Journalistin und Autorin Ute Cohen ihren Roman. Der Duden übersetzt das aus dem Italienischen stammende Fremdwort als „närrischer Einfall“ oder „Streich“. Und um einen ausgesprochen einfallsreichen Streich handelt es sich bei diesem literarischen Kabinettstück auf jeden Fall. Intertextuell und popkulturell auf der Höhe präsentiert sich Falscher Garten als gewitzte Studie über die menschliche Fähigkeit zur Selbsttäuschung. Denn selten wurde die perfide Dialektik der Aufklärung auf unterhaltsamere Weise dekonstruiert.Placeholder infobox-1