Monotheismus, eine Kultur des Verdachts?

Gottvergessenheit Weilt Gott in unserer Kultur der Gottvergessenheit, deren Kehrseite die Kultur des Verdachts ist? Weilt Gott auch bei jenen, die Gott verneinen?

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Erleben wir die Entgötterung des Glaubens?

Erleben wir, bei gleichzeitiger Arbeitsteilung im religiösen Gemeindeleben, die Entgötterung des Glaubens?


Während berufene Päpste, Bischöfe/innen, barock residierend, mit Dienstwagenprivileg, Gemeinde- Priester, Pfarrer, Pastoren/innen im klerikalen Glauben geborgen, ihren ausbildungsnahen Glauben leben und predigen, sich von täglichen Unterweisungen der Laien fernhalten, vegetieren einfache Gemeindemitglieder, als Laien im Glauben, ausbildungsfern, ihren Glauben nur noch als gereicht, trocken, geeichte Oblate.

Weilt Gott in unserer Kultur der Gottesvergessenheit, deren Kehrseite eine Kultur inquisitorischen Verdachts ist?

Weilt Gott auch unter jenen, die Gottes Existenz verneinen und Gott doch in ihrer Sprache, ihrem Alltag als Tatverdächtigen ansiedeln, der unter ständige Beobachtung, am besten isoliert, arrettiert gehört?

Weilt Gott auch unter jenen, die sich in ihrer Verneinung Gottes an diesem als generalisiert Verdächtigen, der seiner Taten als Schöpfer der Welt nicht überführbar scheint, täglich neu aufrichten?

Denn der Gottesverdacht mutet ihnen täglich in eingebildeten und wirklichen Prozessionen Plagegeister aus dem Bibel- Formenkreis missionierender Gottesfürchtiger zu?

Steht der Glaube an den Einen Gott gleichermaßen für die Kultur des allgemeinen Vergessens, der Gottesvergessenheit, wie des gegenseitigen Verdachts schlechthin?, in der die Unschuldsvermutung an erster Stelle zu Gebote befohlen sein sollte, aber im Eifer des Gefechts nicht selten als Erstes untergeht?

Ist Gott der Schöpfer, oder ist Gott nicht der Schöpfer aller Welten?

Gottvergessenheit bedeutet nicht Atheismus im Alltag

Gibt es Formen eines Kulturchristentums?

Dazu konnte die Sendung "Andruck" vom Deutschlandfunk mit Thomas Klatt am 26. November 2012 aufschlussreiche Belege liefern

Wer sich heute Atheist zu nennen traut, scheint kein Bekenntnis zum gesellschaftlichen Status quo abzuliefern, sondern ist mit entschiedener Position unterwegs.

Dabei evtl. spirituell´, religiös, aber auf keinen Fall klerikal zu denken, scheint zur Gewohnheit geworden zu sein. Dennoch könnten, jenseits von gelebter Religiosität und Glaubenspraxis neue Formen eines Kulturchristentums, Kulturislams, Kulturjudentums entstehen bzw. längst entstanden sein.

"Dass Menschen Gott vergessen und ohne seiner inne zu sein ihren Alltag verbringen, ist nichts, was erst heute oder mit dem Beginn der sogenannten Neuzeit zu beobachten ist. Die Klage begleitet das jüdisch-christliche Zeugnis schon immer. Ihr habt mich vergessen!"

Selbst Jesus rief ans Kreuz auf Golgatha geschlagen, lebenswund:

"Mein Gott!, warum hast Du mich verlassen!"

Wobei dem Verlassen das Vergessen zugrunde liegt, das bereits Jesus unter seinen Jüngern und Gläubigen vertraut schien

Über Gottvergessenheit klagten schon im Namen Gottes die alttestamentlichen Propheten.

Der evangelische Theologe Wolf Krötke weist, lt. Thomas Klatt, darauf hin, dass gerade der jüdisch-christliche Monotheismus erst die menschliche Gottvergessenheit hervorgebracht hat.

"Das scheint die Schattenseite der neuen Epoche von Gotteserfahrung zu sein, die Israel in der Religions- und Weltgeschichte eingeläutet hat. Die polytheistischen Götter und göttlichen Naturgewalten, die konnten nicht vergessen werden. Sie walteten in der religiösen Vorstellungswelt der Antike überall und aufdringlich in ihrem Alltag und mussten ständig beachtet werden, damit es einem wohl ergeht. Der Glaube an den einen, der Welt jenseitigen Gott hat die Welt entgöttert."

Der Preis dieser Entgötterung der Welt durch den Monotheismus der abrahamitischen Religionen, des Judentum, der Christenheit, des Islam mag die Gottesvergessenheit sein, auch wenn in der Heiligen- , Reliquien-, Ikonenverehrung, der Verehrung der Mutter Gottes, im Marienkult, die Vielgötterei, in abgemilderter Form hier, in streng fundamentaler Form da, lithurgisch wieder auflebt.

Nicht jeder Blitz, jeder Tsunami, Orkan, galt, mit Einkehr des Monotheismus, mehr als eine Wut.und Zornesbezeugung aus dem Olymp, dem Nirwana, aus dem Himmel.

Der biblische Gott offenbarte sich nicht durch alltägliche Naturphänomene und - Spektakel, sondern nun ganz neu erzählbar, lesenswert, durch überlieferte Wahrnehmung in schriftloser wie Schriftkultur der Geschichte, in der Frage von Opfern, der Sintflut, der Sieben Plagen, im Exodus, in der Landnahme Israels bis hin zum Kreuzestod Jesu Christi. Der jüdische, muslimischer und christliche Glaube sind daher immer zunächst Erinnerungsreligionen, auf dass man der Taten Gottes und seiner Propheten, in Tempeln, Synagogen, Domen, Klöstern, Münstern, Kirchen, Kathedralen, Katakomben, Moscheen einkehrend, gedenke.
Oder eben auch nicht.

Wolf Krötke erläutert, dass in den letzten 2000 Jahren gerade die Kirchen oftmals zu Orten der Gottvergessenheit gerieten. Vor allem immer dann, wenn in den Kirchen jeweils mehr die Macht des Klerus und dessen Pfründe, Previlegien ,denn die Verkündigung des Evangeliums auf der Agenda stand.

Mit dem Heraufbrechen der Aufklärung als vornehmen Eliteprojekt lässt es sich in einer säkularisierten Welt auch ohne Bekenntnisse zu Gott , ohne Kirche, ohne Beachtung des Klerus, hinreichend, gut im anerkanntem Anstand leben.

Niemandem entstehen deshalb von vornherein Nachteile, wenn er den Schöpfer nicht mehr lobt und preist, sondern Jahwe, Gott, Allah einfach Jahwe, Gott, Allah sein läßt und vergisst.

Allerdings gerade die bekennenden Atheisten dürfe man dabei nicht zu den Gottvergessenen zählen, meint der evangelische Theologe Wolf Krötke. Er erinnert dabei an den klassischen Religionskritiker Ludwig Feuerbach.

"Danach ist der Mensch das höchste Wesen für den Menschen. Vergessen Gottes kann man das beim besten Willen nicht nennen. Ein höchstes Wesen ist nun einmal ein Gott in unserer Sprache. 'Homo homine deus', der Mensch dem Menschen ein Gott. Sein Atheismus, auf dessen Wellen auch Karl Marx, Friedrich Engels, Lenin und viele andere bis heute surften und surfen übt sich also mitnichten im Vergessen Gottes. Er hält die Erinnerung an Gott vielmehr lebhaft gegenwärtig. Denn sein Anspruch ist, das, was im Christentum als göttlich gilt, in Menschenhände zu überführen, die ein wahrhaft menschliches Leben besser zu bewerkstelligen vermögen als es die Illusion von einem der Welt jenseitigen Gott vermag."

Dass der evangelische Theologe Wolf Krötke hier Karl Marx, Friedrich Engels, Illyitsch Lenin, Ludwig Feuerbach indirekt als "Gottgläubige" vereinnahmen will, weil diese sich, dialektisch gesonnen und argumentativ analytisch sortiert, der Gottesvergessenheit enthalten, die Gemeinschaft der Menschen mehr theoretisch denn praktisch in den Mittelpunkt ihrer Gesellschaftsmodelle stellten, erscheint mir als durchsichtige Operation, als überkommen wehrhafte Anleihe aus den dunklen Zeiten des Kalten Krieges und seiner Blocksysteme.

Wenngleich, ich einräume, dass Wolf Krötke, unter Berücksichtgung meiner These vom

"Monotheismus als Kultur des Verdachts"

in Einem, furchtbar Recht hat, im Zeitalter der Ideologien, des Absolutismus der Monarchien, Despotien, der
unsichtbaren Hand in der Weltwirtschaft (Adam Smith), Kapitalismus, Sozialismus, Marktwirtschaft, des Marxismus, Leninismus, Stalinismus, des Faschismus, des Nationalsozialismus, des Rassismus, der Apartheid, des Internationalen Terrorismus, asymmetrischer Kriege und Weltwirtschaftsverhältnise strebte und strebt die Kultur des Verdachts, mehr oder weniger, unter Hintanstellen des Monotheismus, des Glaubens an den Einen Gott, zu neuen Ufern ungeahnten Hohn und entsetzlichen Spotts gegenüber existenziellen Naturrechten der Menschen, der Völker auf unverletzliche Integrität, nationale, regionale, lokale Bestandsrechte, Unversehrtheit an Leib, Leben, Vermögen und deren Umwelt

Wolf Krötke weiter:

"Die sozialistisch-atheistische Gesellschaft in der ehemaligen DDR hat allerdings nicht dazu geführt, dass die Menschen dort dieser Abwehr alles Christlichen gefolgt wären und somit bis heute gottesbewusst sind, wenn auch mit anti-kirchlichem Vorzeichen. Während im Bundesdurchschnitt ein Drittel aller Bundesbürger als konfessionslos gelten, so liegt in Ostdeutschland ihr Anteil bei über 75 Prozent. Sie sind weder atheistisch noch gläubig, sondern gelten schlicht als religiös desinteressiert. Jedwede spirituelle Dimension spielt in ihrem Alltag keine Rolle".

Das heiße aber noch lange nicht, dass das so bleiben müsse, meint Thomas Klatt in der Sendung "Andruck" vom Deutschlandfunk am 26. November 2012.

Der Heidelberger Physiker und evangelische Theologe Thorsten Moos:

"Wenn wir Umfragen machen, kriegen Sie große Zustimmung zu folgender Aussage: Ach, Religion spielt für mich keine so große Rolle, aber ich finde es gut, dass es sie gibt und ich finde es gut, dass es die Kirchen gibt. Für Alte, Menschen mit Behinderung, für Kranke. Kirche als Sekundärinstitution nennen das die Soziologen."

Konfessionelle Kitas oder Schulen seien auch bei konfessionslosen Eltern sehr gefragt. Nicht selten würden diese dann über ihre Kinder erstmals mit religiösen Praktiken, vom Tischgebet bis zum St.-Martinsfest, in Kontakt kommen. Und, obwohl nicht christlich geprägt und keine Kirchensteuer zahlend, würden sich gerade ostdeutsche Bürger für ihre Dorfkirchen einsetzen, weiß Moos.

"An vielen hängt ein Kirchbauverein, der mit hohem persönlichem Engagement diese Kirche fördert, aufbaut und restauriert. Das sind oft Leute, die niemals am Sonntag in die Kirche gehen würden. Aber es sind Leute, die plötzlich Kirchenführungen machen, die sich interessieren für die Geschichte dieser Kirche vor Ort und die von der Amtskirche verlangen, dass sie dort Gottesdienste feiern. Die Kirche sagt, für drei Leute lohnt das nicht. Und die sagen, wir haben das doch nicht für Euch hier restauriert, damit ihr hier keinen Gottesdienst mehr feiert."

Für Moos ist es eine Art Kulturchristentum jenseits gelebter Religiosität und Glaubenspraxis. Natürlich wird es auch in Zukunft nicht zu der einstmals vielleicht von manchen Kirchenfürsten erhofften Re-Christianisierung Ost-Deutschlands kommen. Aber es gebe doch kleine Hoffnungszeichen eines neuen Interesses an Glaubensdingen.

"Worum es mir geht, ist sowas wie religiöse Sprachfähigkeit, also die Kompetenz von religiösen wie nicht religiösen Menschen, sich mit Religion reflexiv auseinanderzusetzen und dem eigenen Glauben und Zweifeln und Ahnen und Nicht-Ahnen Ausdruck zu verleihen. Ich glaube, dass hier die Kirchen eine allgemeinkulturelle Aufgabe haben und da sehe ich auch in Ostdeutschland viele Ansätze in Richtung religiöser Sprachfähigkeit."

Soweit die Sendung "Andruck" vom Deutschlandfunk mit Thomas Klatt am 26. November 2012.

Was ist, wenn ja, was bewirkt die Gottesvergessenheit in einer klerikalen Gesellschaft hier, in einer säkularen Gesellschaft da, wirklich?

Wieweit bedingen sich diese klerikalen und säkularen Gesellschaften in ihren aufkommenden Verdächten gegenseitig?

In beiden geht es, im Fall der Gottvergessenheit, hier um den Verdacht des Bösen, wie Guten, samt Selig- und Heiligsprechung, um Verdächte von Formenkreisen von Krankheit hier, Gesundheit da, im anderen Gesellschaftsfall.

Nicht wenige glauben in ihrer Gottvergessenheit bei sich mehr an das Gute, das Böse, an Krankheit, Gesundheit, Fitness.

Ist die Gottesvergessenheit in den abrahamitischen Religionen mit ihrem Monotheismus systemisch angelegt, die Lücke, die die lokalen Teufel als Bote des Bösen, wie die globalen Engel als Boten des Himmlischen lassen, in einer Kultur des Verdachts zu einem Rechtswesen bis hin zu unserem heutigen Verständnis der Gewaltenteilung in einem Rechtsstaat ausgeformt und ausgestaltet zu gelangen?

Macht der Monotheismus des Volkes Israel nur deshalb Sinn, weil einem Volk, wie dem Volk Isreal, auf seiner vierzigjährigen Flucht aus Ägyptenland mit seinen Ober-, Unterpharaonen durch die Wüste Sinai, Begriffe von Vorstellungen seßhaft örtlicher Götter abhanden kamen, die bei Not und Gefahr situativ um Rat, Beistand, Heilung angerufen werden könnten?

War ein Volk, wie jedes Volk, das, wie das Volk Israel auf der Flucht, außerstande, materiell, personell, die situative Achtsamkeit, ob jung, ob alt, all seiner Söhne, Töchter, Kinder, die der Glaube an viele Götter streng abverlangt, hinreichend an den Tag gelegt, zu gewährleisten?

War der Monotheismus folglich eine "Notgeburt" im Glauben, in dem sich absehbar die Gottvergessenheit als Kuckucksei erst eingepiepst, dann aufgeblasen, larmoyant hier, wissenschaftlich da, herumgestänkert?

Wie mochte das wohl gewesen sein, als Moses mit seinen Tafeln, in denen die Zehn Gebote eingemeißelt waren, vom Feuer Berg in der Wüste Siani herunterkam, das Volk Israel mehrheitlich um das "Goldene Kalb" herumtanzen sah?

Vermutlich kam da unter dem Volk Israel keine Begeisterung für das in Stein geschriebene Wort von den Zehn Geboten auf.

Denn nahezu alle Söhne, Töchter des Volkes Israels, waren, bis auf eine kleine Schar, voran Moses, des Lesens und Schreibens unkundig.

Begründete Moses mit seinen Tafeln der Zehn Gebote endgültig den Monotheismus des Volkes Israel, das auf seiner Flucht aus Ägyptenland ständig unter dem Einfluss und Eindruck der Vielgötterei anderer Völkerstmme stand, die dem Volk Israel einmal freundlich Gastgeber waren, das andere Mal als unterworfener oder siegreicher Feind gegenüberstand.

Bedeutet dies aber auch gleichzeitig, dass notwendig aus dem Monotheismus des Volkes Israel ein entschleunigender "Stellvertreterglaube" ; ein "Elitenglaube" der "Auserwählten" wurde, die des Lesens und Schreibens kundig, in Gestalt einer berufen ausgebildeten Priesterschar, dem Pharao Priester- Fachwesen in Ägyptenland zum Bilde, unter dem Volke Israel, selektiv, um sich griff?

Nicht von ungefähr nennt sich Papst Benedikt XVI in Folge aller Päpste vor ihm, der Stellvertreter Gottes auf Erden.

Eigentlich müßte Papst Benedikt XVI sich "Stellvertreter im Glauben an Gott " rufen lassen.

Hat sich selbst hier, vor lauter päpstlicher Macht- und Glaubenskontrollversessenheit, Vollkommenheitsansprüchen der

„Unfehlbarkeit ex cathedra“,

entgegen den Hoffnungen des Zweiten Vatikanischen Konziliums von 1962- 1965, dem Katakomben- Pakt brasilianischer Bischöfe und bischöflicher Sympathisanten zu Rom, eine Gottesvergessenheit auf dem vatikanischem Niveau des Heiligen Stuhles mit den Furien der Kurie, eingenistet?

JP


http://www.dradio.de/dlf/sendungen/tagfuertag/1930754/
26.11.2012 · 09:35 Uhr
Gottvergessenheit und der Atheismus im Alltag
Neue Formen eines Kulturchristentums
Thomas Klatt

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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