Stuttgart 21, der "Merkel Hammer" trifft EU- Verkehrsprojekte

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Hauptbahnhof Stuttgart wird über das Bahnprojekt Stuttgart 21 unterirdisch verlegt.

Grünen-Verkehrspolitiker Michael Cramer: Mit Verdopplung der Kosten ist zu rechnen
Baden-Württemberg muss Bahnprojekt Stuttgart 21 umsetzen

Der Grünen-Verkehrspolitiker Michael Cramer sagt, dass Projekte, die von der Politik gewollt seien, "billig gerechnet werden". Cramer ist überzeugt, dass die Kosten für Stuttgart 21 steigen werden. Letztlich müsse man sehen, wer dann die Kosten trage, so der EU-Politiker.

Jahrelang hat Winfried Kretschmann das Großprojekt bekämpft, mit seinem Widerstand sogar die Wahlen in Baden-Württemberg gewonnen. Winfried Kretschmann ist als erster grüner Ministerpräsident in Deutschland nun gezwungen, Stuttgart 21 weiter bauen zu lassen. Die Bagger können jetzt rollen, weil fast 60 Prozent der Baden-Württemberger es so wollen - zumindest fast 60 Prozent derer, die gestern ihre Stimme abgegeben haben.

Winfried Kretschmann will nun vom Kritiker Stuttgart 21 die Kurve zur kritisch konstruktiven Begleitung des Bauprojektes Stuttgart21 kriegen.

Das bedeutet das vor allem eine ritische Begleitung der Kostenentwicklung von Stuttgart 21.

Erinnern wir uns, der neue Hauptbahnhof in Berlin war mit 700 Millionen D-Mark veranschlagt, als der dann ein paar Jahre später fertig war, hat er eine Milliarde Euro gekostet. Die Kosten haben sich verdreifacht.

In Stuttgart ist ja Gott sei Heiner Geisler Dank eine Schranke eingelegt worden, dass ein bestimmter Kostenrahmen nicht überstiegen werden darf.

Ein Schelm, wer da meint, hier sei insgeheim absehbar der Dreh & Angelpunkt für die Verhinderung von Stuttgart 21 angelegt.

Wenn die Kostenwahrheit aufgedeckt wird, die dann zwei oder drei Milliarden mehr Kosten bedeuten als die veranschlagten 4. 5 Milliarden € , dann kann das natürlich der Knackpunkt sein, warum das Projekt verhindert wird, oder wenn die Bahn als Bauherr sich verweigert, mehr Geld zu geben.

Bisher kaum beachtet ist, dass der Bund nach all den Vorfinanierungen des Euro rettungsfond, der rettungsschirme für Banken, Versicherungen, samt Konjunkturprogrammen inklusive Abwrackprämien überhaupt kein Geld mehr hat. Wir geben mutmaßlich 7,5 Milliarden aus für eine europäische Nebenstrecke, denn der wichtigste Korridor ist der Korridor Rotterdam-Genua, und da ist Deutschland mit der Rheintal-Bahn beteiligt.
Da gibt es Verträge, die sind mit der Schweiz geschlossen worden. Die Schweiz hat bereits den Lötschbergtunnel gebaut und den Gotthardtunnel durchstochen und in Deutschland haben wir noch nicht mal das volle Planungsrecht. Aber was noch schlimmer ist: wir haben auch kein Geld, das zu bauen, wo wir schon Baurecht haben auf dieser Strecke, die unstrittig ist, und der Bundesverkehrsminister Ramsauer hat für dieses Jahr gerade einmal 19 Millionen Euro für diese Strecke eingeplant, die kostet aber vier Milliarden. Bei diesem hinhaltend zögerlichem Finanzgebaren brauchen wir 200 Jahre, bis das fertig ist.

Das heißt im Klartext, dass Deutschland zu Gunsten von Stuttgart 21 seine internationalen Zusagen nicht einhalten kann, das heißt weiter, dass die schwarzgelber Bundesregierung das Bauprojekt Stuttgart 21 als Hammer gegen die EU- Verkehrsplanungssicherheit benutzt.

Deutschland ist vertragsbrüchig. Wir haben 14 grenzüberschreitende Verkehrsverträge mit unseren Nachbarländern. Von diesen 14 werden zwei eingehalten. Und wenn wir anschaue, was mit unseren Nachbarn im Osten passiert:

"Nehmen wir die heutige Eisenbahn von Berlin nach Breslau.
Da brauchen wir sechs Stunden für 350 Kilometer. Das ist das Niveau von 1883. Der fliegende Schlesier in den 30er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fuhr zweieinhalb Stunden. Weil 50 Kilometer Elektrifizierung fehlen, deshalb muss zweimal die Lok gewechselt werden. Das sind alles umweltschädliche Zeitverluste.
Für diese 50 Kilometer Elektrifizierung mit unserem östlichen Nachbar, der von uns Jahrzehnte durch den Eisernen Vorhang getrennt war, haben wir keinen müden Euro, aber 7,5 Milliarden € in Stuttgart spielen keine Rolle für eine Strecke, die für den Güterverkehr nicht geeignet ist und wo wir beim Personenverkehr wissen, dass 70 Prozent der Leute in Stuttgart ein- und aussteigen und nur 30 Prozent nach Ulm und München weiterfahren.

Ein sofortiger Baustopp von Stuttgart 21 wird sicher etliche Millionen verschlingen. Wir hätten Geld verloren, aber wieder im europäischen Rahmen monetäre Gestaltungsmacht gewonnen.

Da gibt es den Streit, kostet der Ausstieg 350 Millionen oder 1,5 Milliarden. Aber bei 7,5 oder zehn Milliarden - niemand weiß, wie teuer es am Ende wird.
Ganz abgesehen davon, weiß Niemnand bisher wirklich, wie kompliziert die Bodenbeschaffenheit des Bauuntergrundes von Stuttgart 21 ist.

Und seien wir einmal ehrlich, wir kennen ja die Projekte, die Großprojekte. Keines hält die Zahlen ein und man muss mit einer Verdoppelung rechnen, und dann rechnet sich ein Ausstieg in jedem Fall.

Da fragt man sich:
"Wenn ich mein Haus modernisieren lasse und die Handwerker verlangen nach getaner Arbeit plötzlich das Doppelte, dann setze ich sie doch vor die Tür. Warum lässt sich die Politik das gefallen?"

Die Erfahrung ist die, dass die Projekte, die die Politik will, billig gerechnet werden und die, die sie nicht will, teuer gerechnet werden. Man fängt an, und wenn man angefangen hat - das ist ja das Komplizierteste bei Stuttgart -, hätte man die Verträge nicht schon längst, wäre möglicherweise der Bürgerentscheid anders ausgegangen, weil natürlich gerade der Schwabe Angst davor hat, 1,5 Milliarden wurde gesagt, die jetzt einfach angeblich nur für einen Baustopp anfallen würden, dann baue ich doch lieber weiter. Das muss man nicht, aber kann man verstehen, so handelt die Politik und es gibt keine festen Verträge, nur Verträge mit Sprechklauseln, die von jeder Seite anders interpretiert werden, Die Bundesbahn versteht die Sprechklauel so, dass nur über die verteilung von Kostenzuwächsen verhandelt wird, die Politik unter Winfried Kretschmann versteht die Sprechklausel vielleicht so, dass dann das Ende der Fahnenstange für Stuttgart21 erreicht ist.
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Wer aber rechnet das klein? Rechnen das die Politiker klein, oder rechnen das die Bauarbeiter klein, die Bauunternehmer, die ihre Zuschläge bekommen wollen?

Selbstverständich sind das die Planungsbüros, die das dann alles planen, und bestimmte Sachen werden dann eben vorläufi nicht als kostenwirksam berücksichtigt. Dadurch wird es billiger und Überraschungen haben da System, gerade bei solchen Großprojekten. Die Zeit geht ins Land, an Stuttgart 21 wird seit 15 Jahren gearbeitet und da haben sich natürlich die Preise auch dramatisch verändert.

Frage:
"Wie könnte man das in Zukunft verhindern? Könnte man zukünftig in solche Verträge schon vor Baubeginn einen sogenannten Kostendeckel einbauen?

Genau!
Einen Festpreis kann man machen. So ist zum Beispiel verfahren worden mit dem Atomkraftwerk in Finnland. Aber das hat sich auch wundersam mehr als verdoppelt und jetzt streitet man sich m die zusätzliche Kostenübernahme, es war doch ein Fixpreis ausgemacht.

Sicherheit hat man vielleicht nie vollständig, aber es ist natürlich rotzdem wichtig, dass man darauf guckt und einen Kosten- Deckel als monetäre Brandmauer einzieht.

Frage:

"Wie soll denn dann aber der nachträglich eingezogene Kostendeckel funktionieren, den die rotgrüne Landesregierung in Baden-Württemberg nun der Bahn in Stuttgart verordnen will?

Fehlanzeige:

Die rotgrüne Landesregierung hat eigentlich nur gesagt, das Land beteiligt sich nicht mit mehr als diesen veranschlagten Kosten, und geht davon aus, dass der Bund und die Bahn als Bauherr evtl. weitere Kosten übernimmt. Ob das eine gute Lösung ist, wenn ja, mit wirklicher Wirkung, werden wir erst sehen, wenn es , Kostenknall auf Fall, soweit ist.

Gehen wir einmal davon aus, dass die Kosten steigen. Dann werden sich die Vertragspatner auf lange Sicht ewig und drei tage streiten, wer ist jetzt dafür verantwortlich. Natürlich wird die Bahn sagen, nein, nein, daran seid ihr Schuld, oder der Bund muss zahlen. Aber das ist ein Bundesprojekt und dann sind letztlich die Bundesregierung und die Bahn verantwortlich und da werden wir erleben, wie die sich die Kosten aufteilen.

Die Stuttgart 21-Gegner, das haben wir nach Medien Berichten einhellig gelernt, haben gestern verloren, auch wenn es bei dem Volksentscheid gar nicht um Stuttgart 21 direkt, sondern nur um die Frage der Kostenbeteiligung des Ländle an dem bauprojekt Struutgart 21 ging.

Frage:
"Hat denn zumindesten die Demokratie durch den Volksentscheid in Baden- Württemberg bundesweit gewonnen?

Selbstverständlich hat die Demokratie gewonnen. Wir haben ja bundesweit, um nicht zu sagen, global mit Stuttgart 21 als Demokratie Marke, eine lebhaft bunte Debatte gehabt, es sind Zahlen zu den wirklichen Kosten von Stuttgart 21 auf den Tisch gekommen.
Wir wissen heute, dass dort ein Bahnhof gebaut wird, der ein größerer Engpass ist als der jetzige Kopfbahnhof.
Wir wissen, dass die Strecke Stuttgart-Ulm, die ja wegen der Geislinger Steige, die so steil ist - und die ist für den Güterverkehr nicht geeignet -, ausgebaut werden soll, parallel dazu baut man jetzt ebenfalls eine zweite Geislinger Steige, eine Strecke, die für den Güterverkehr nicht geeignet ist, obwohl alle davon ausgehen, der Güterverkehr hat die Zukunft und soll sie auch auf der Schiene haben.
Das ist alles mehr verrückt, um nicht zu sagen, bei einem eingeführten Haftungsrecht von Regierungshandeln wäre das mutmaßlich kriminell!
Dieser Planungs- und Kostenwahnwitze sind jetzt alle bekannt, enlich auch der Kostenrahmen fürs Ländle. Das ist alles bekannt. Es wäre besser gewesen, man hätte vor der Entscheidung so eine intensive Diskussion mit der Bürgerschaft gehabt. Dann wäre es vielleicht anders gelaufen, man hätte die Alternativen prüfen können, die Geißler ja zum Schluss vorgeschlagen hat, beides, sowohl unterirdisch wie oberirdisch. Aber da war dann der Bauvorhaben Fortschritt zu weit. Für den müssen wir alle teuer bezahlen, denn das Geld, was dort eingesetzt wird, ist unser Steuergeld.

Schauen wir einmal ohne Geiz in die Schweiz.
Frage:
"Hätte es zuvor auch eine Volksbefragung zu Stuttgart 21 geben sollen, so wie in der Schweiz vor Baubeginn des Gotthard-Basistunnels geschehen ?

Die Schweizer Kantone sind in Sachen Volksbefragung für uns vorbildlich. Die haben ja nicht nur für den Gotthardtunnel eine Volksbefragung gemacht, sondern die haben eine Volksbefragung, die von Bürgerinitiativen initiiert wurde, gegen neue Autobahnen durch die Schweiz gemacht und haben damit verbunden, wir stärken die Schiene und das Geld für die Schiene kommt aus der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe.

Das ist eine Straßenmaut, die gilt in der Schweiz für jeden LKW ab 3,5 Tonnen auf jedem Kilometer, den er fährt. Mit diesem Geld wird die Zukunft des Verkehrs, nämlich die Schienenstrecken gebaut. Deshalb hat die Schweiz das zeitlich geschafft, finanziell geschafft. Das ist vorbildlich, das kann die Lösung sein, sagt der Grünen-Verkehrspolitiker,
Michael Cramer in etwa im Gespräch mit Mario Dobovisek im Deutschlandfunk vom 28. November 2011(s. u.).

Und was schafft hierzulande die schwarzgelbe Bundesregierung?

Die schwarzgelbe Bundesregierung hat neocon westergewellt, den gesichelten
"Merkel Hammer"
geschaffen, als wäre es
"Auf Deubel komme heraus"
der
"Hexenjammer",
die europaweite Verkehrsplanungssicherheit vertragsbrüchig, sabotierend, als angebliches Auslaufmodell vorzuführen?

JP

siehe:

www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1615201/

28.11.2011 · 12:10 Uhr
Der Hauptbahnhof Stuttgart wird im Bahnprojekt Stuttgart 21 unterirdisch gelegt.

Grünen-Verkehrspolitiker: Mit Verdopplung der Kosten ist zu rechnen
Baden-Württemberg muss Bahnprojekt Stuttgart 21 umsetzen
Michael Cramer im Gespräch mit Mario Dobovisek

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick