"Ulbrichts Mauer", Geschichte als Home- Story?

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Walter Ulbricht im Juni 1961 auf einer Internationalen Pressekonferenz in Ostberlin:
"Walter Ulbricht im Juni 1961 auf einer Internationalen Pressekonferenz in Ostberlin:

"Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten. Nicht wahr!.......................Gut!, dann errichte ich sie eben!"

Ein fiktives Gespräch zwischen dem Ersten Sekretär des ZK der SED, Walter Ulbricht und dem Ersten Sekretär des ZK der KPdSU, Nikita Chruschtschow in Berlin im Frühjahr 1961.

Walter Ulbricht (WU):
Bei Marx, Engels, Lenin, Genosse Nikita, die internationale Lage ist verfahren. Dein Treffen mit dem neu gewählten US- Präsidenten J. F. Kennedy in Wien war eine Enttäuschung.
"Niemand will im Westen noch Osten eine Mauer bauen, als baue ich die Berliner Mauer zwischen dem 10. und 18. August 1961! Basta!"

Nikita Chruschtschow (NC):
Genosse Walter!, das solltest Du Dir noch einmal reichlich überlegen. Wie sieht das denn aus, eine Mauer mitten durch Berlin. So ein Anblick schädigt doch das Ansehen und die Anziehungskraft unseres International engagierten Projektes des Aufbau des Sozialismus in aller Herren Länder.

(WU):
"Schädigt, schädigt.......mehr fällt Dir dazu nicht mehr ein?
Wer hier geschädigt wird, ist unsere Gesellschaft, Wissenschaftsbetrieb und Wirtschaft der DDR durch die unkontrolliert offenen Grenzen nach Westdeutschland, nach Westberlin. Tagtäglich werden da, jahraus, jahrein, nicht nur qualifizierte Werktätige, Studenten/innen, Schüler/innen von den Werkbänken, Labors, Hochschulen, Schulen dreist nach Westdeutschland abgeworben sondern es werden Kulturschätze, Patente, Waren, Güter, selbst des täglichen Bedarfs illegal nach Drüben transferiert und ihr Genossen in Moskau tut nichts dagegen.
Warum Genosse Nikita?
Warum unternehmt ihr nichts auf der Schiene des Internationalismus der Welt- Politik?

(NC):
Mein Gott Walter, so beruhige Dich doch. Wir haben in den Iden des Juni 1953 zu Dir gestanden, wir stehen auch jetzt unverbrüchlich als Genossen zu Dir. Da paßt kein beschriebenes Blatt Papier zwischen uns, so nahe sind wir uns in der Sache.
Überlege doch einmal, wir Genossen/innen haben gemeinsam das Neue Deutschland geschaffen.
Wenn wir das Neue Deutschland jetzt zumauern, verliert das Pojekt
"Neues Deutschland"
doch jede Attraktivität, jeden Charme einer verheißungsvoll politisch erogenen Zone der Weltverbesserung.
In ein, zwei, drei Jahren würde dann die DDR muffig und ranzig wie ein Museum riechen.

(WU):
Nikita!, jetzt schießt Du aber ein Eigentor.Die DDR kriegt doch mit offenen Grenzen nach Osten zu den sozialistischen Bruderländern, neben frischem Wind, auch billig subventioniertes Öl und Gas aus der UdSSR.
Im Osten spielt zukünftig die Musik, auch wenn die Musik im Westen als Echo weiter lärmend dröhnend Elvis tönt.

(NC):
Walter, Du veklennst den Ernst der wirtschaftlichen Lage in der UdSSR. Binnen zehn Jahren wird sich der Öl- und Gaspreis auf dem Weltmarkt verdoppeln. Wir können euch nicht ewig billig subventioniertes Öl und Gas liefern.
In nicht allzu ferner Zukunft müsst ihr euch, an Weltmarktpreisen orientiert, am Weltmarkt mit Öl und Gas versorgen.

(WU):
Nikita, ich durchschaue Dein Manöver, Du willst mich einschüchtern, als ob Du mich und die DDR den Kapitalisten binnen zehn Jahren zum Fraß vorwerfen würdest. Das würdest Du beim Leben Deiner Frau nie machen. das weiss ich. Für Deine groben Scherze und Deinen politischen Schabernack bist Du ja bekannt.
Ich baue die Mauer doch. Basta!

(NC):
Nein!, Nein! Walter, ich weise Dich nur auf weltwirtschaftliche Zwänge in der Zukunft hin. DIe Option des Berliner Mauerbaus ist ja gar nicht so abwegig, die ist als Protest- Noten- Potential gegen die politische Enthaltsamkeit der verschnarchten Westalliierten in Westdeutschland und Westberlin überaus brauchbar, solange die Berliner Mauer nicht gebaut wird. Die Mauerbau Option soll stehen, wir sollten aber keinen Gebrauch von dieser Option machen.
Ich habe dem jungen J. F. Kennedy in Wien sowas von die sozialistischen Leviten gewienert.
Der vesteht jetzt nur noch, die Russen wollen in Berlin zum Bahnhof Westkreuz
Das war mit Sicherheit verkehrt von mir. Schwamm drüber.
Wahrscheinlich denkt Kennedy jetzt, ich sei ein Tiger auf Kriegspfad, dabei bin ich höchstens ein bauernschlauer Papiertiger, der nichts als Frieden, Entspannung will.
Walter, wenn Du jetzt in Berlin eine Mauer errichtest, lieferst Du doch den Westalliierten die Argumeten, auf Ewigkeiten in Westberlin zu bleiben. Mit Westberlin als selbständiger poilitscher Einheit unter dem Schutz- Mandat der UNO wird das dann nichts.

WU):
Nikita, das sind schlaue Reden, ich brauche Taten. Die DDR braucht jetzt Entscheidungen auf Internationaler Ebene.
Warum wird der Rubel nicht frei konvertierbar?, warum fordert ihr in Moskau nicht ultimativ die Mitgliedschaft im Bretton Wood Währungsclub der westlichen Valuta?
Allein diese Moskauer Forderung würde wogmöglich den Bau der Berliner Mauer unnötig machen.

(NC):
Walter, auch mit Deinen sächsich blauen Augen, wirst Du es nicht zwingen, dass der Westen uns sozialistischen Ländern die Mitgliedschaft im Bretton Wood Währungsclub von 1944 andient.

Hast Du vergessen, dass der Westen uns seit der Oktoberrevolution 1917, selbst im gemeinsamen Kampf gegen Hitler, von 1941- 45, den sowjetischen Rubel, unkonvertierbar, nach unten spekuliert hat, um uns seine Rüstungsgüter auf Kreditbasis überteuert zu verhökern?

Wir sitzen doch, trotz des ganzen Getöses in den westlichen Medien, wir sozialistischen Länder seien als verbündete Wirtschfafts- und Militär- Gigant ein gefährlicher Mitbewerber, nur am Katzentisch der gegenwärtigen Weltwirtschaft.
Genau deshalb versuchen wir doch, wider besseres Wissen, aus unserer weltwirtschaftlichen Not eine Tugend machend, durch die Arbeitsteilung im Comecon autark auf allen wissenschaftlich wirtschaftlichen wie produzierenden Gebieten zu werden und zu sein.

WU):
Nikita, Du sagst es.
Unser gemeinsames Streben nach Autarkie der soziaistischen Bruderländer verlangt zwingend, jetzt oder nie, in der DDR an der Demarkationsline des Ost- ud Westblocks nach dem Berliner Mauerbau.
Warum sonst haltet ihr in Moskau an dem Streben nach Autarkie fest?

(NC):
Walter, nicht wir halten an dem Streben nach Autarkie fest. Der Westen nötigt uns Autarkie mit Bordmittel auf, indem der Westen u. a. mit seinen Cocon Listen jeden Technologieaustausch und -transfer mit uns verweigert.
Wir leben in asymmetrisch aufgestellten weltwirtschaftlichen Verhältnissen zu Lasten der Mehrheit der Völker der Welt.

WU):
Nikita, das klingt dialektisch erbaulich profund. Was werdet ihr jetzt an Hilfen für die völkerrechtliche Anerkennung der DDR auf der Internationalen Ebene veranlassen, damit dem westdeutschen Unwesen der Doppelten Staatsangehörigkeit für DDR- Bürger/innen Einhalt geboten wird?

(NC):
Walter, "Gemach, Gemach!"
Du überschätzt die Möglichkeiten der UdSSR. Du sitzt da der westlichen Propaganda und Desinformation auf, wir in Moskau würden international bestimmen können, wenn wir nur wollten, wo die historische Fahrt hingeht.
Aber ich muss Dich ja als alten verdienten Genossen nicht über die wirkliche Internationale Lage belehren.
Uns fehlt es doch daheim an allen Ecken und Enden.
Wenn das nicht bald aufhört mit der atomaren und konventionellen Überrüstung, rüsten sich bald alle tot, zuerst vermutlich wir, danach der Westen.

Was soll der Mauerbau bringen?
Denk lieber an die heranwachsende Weltjugend nach den Zweiten Weltkireg, die will offene Grenzen, die will Frieden, die werden durch Mauern nicht aufzuhalten sein. Die Jugend der Welt ist unsere Hoffnung, ist unseres Glückes Unterpfand in allen Ländern der Welt.

WU):
Nikita, an die Jugend der Wekt glaube ich, wie Du, die Jugend verkenne ich nicht. Aber bis die mündig herangewachsen ist, braucht die Jugend in den soziaistischen Ländern Schutz, Schonräume.
Für diesen Jugendschutz brauchen wir eine Brückendeologie, die auf festen Mauern als Schutzwall gegen den Wilden Westen ruht, damit die heranwachsende Jugend als Kundschafter und Botschfter des Weltfriedens gedeihen kann.

(NC):
Walter, jetzt bist Du der typisch deutsche Romantiker des Sturm & Drangs.
Glaubst Du wirklich, die Jugend der Welt schert sich darum, ob zwischen ihr eine Mauer steht, die die Welt in Hüben und Drüben, in Gute und Böse Jugend aufteilt?

WU):
Nikita, genau das glaube ich. Als wir, die "Gruppe Ulbricht" 1945 aus Moskau nach Berlin in die Sowjetzone kamen, den Sozialismus auf deutschem Boden aufzubauen, waren wir von unverbesserlichen Nazis, von Feinden umzingelt.
Jetzt, nachdem seit 1945 über zwei Millionen vom Nazismus gepägt böse Menschen aus der DDR gen Westen geflüchtet sind, leben in der überwiegenden Zahl nur noch gute Menschen in der DDR .

NC):
Walter, ich glaube , jetzt hat Dich wackeren Genossen ein Elch, oder gar der Erlenkönig getreten.
Ihr Genossen in Ostberlin macht doch sowieso, was ihr wollt.
Wenn Du die mauer bauen willst, baue sie, Meine Meinung kennst Du.
Offiziell werde ich Dir dabei in der Weltöffentlichkeit den Rücken stärken.

Meine Sorge ist, dass Dir mit Deinen preussischen Kommiss- Köpfen von Kader Genossen in der Volksarmee, den Polizeiorganen, das Grenzregime heillos entgleiten wird.
Dass es zu Toten, Verletzten an der Berliner Mauer kommt.
Erwarte nicht, dass die Genossen in Moskau das auch noch decken.

Ende

JP

siehe:

www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/1524109/

08.08.2011 · 19:15 Uhr

Hope M. Harrison: Ulbrichts Mauer. Wie die SED Moskaus Widerstand gegen den Mauerbau brach.
Propyläen, 512 Seiten, 24,99 Euro
ISBN: 978-3-549-07402-2

Frederick Kempe: Berlin 1961. Kennedy, Chruschtschow und der gefährlichste Ort der Welt.
Siedler Verlag, 672 Seiten, 29,99 Euro
ISBN: 978-3-886-80994-3

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Joachim Petrick

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Joachim Petrick

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