Jay Z und die Streams von Tidal

Win-win-Programm Von der richtigen Stereoanlage bis zum hochpreisigen Kopfhörer: Hi-Fi ist das angestammte Luxussegment der Musikbranche. Aber taugt ein Musiklieferant als Statussymbol?
Ausgabe 15/2015
Sternchen und Glitzerhelme beim offiziellen Start von Tidal
Sternchen und Glitzerhelme beim offiziellen Start von Tidal

Foto: Jamie McCarthy/Getty Images

Man kann sich das Treffen bei den diesjährigen Grammys wie eine Szene aus einem Austin-Powers-Film vorstellen – wenn die Verschwörer alle am Tisch sitzen und die Weltübernahme besprechen, selbstverständlich in ihrer Arbeitskleidung: Zwei tragen Glitzeranzüge und Glitzerhelme, einer hat einen gigantischen, stilisierten Mickymauskopf, dazu noch eine hochathletische Mittfünfzigerin, die nicht altern will. Und ganz vorn sitzt der Oberbösewicht und fordert noch ein paar Zilliönchen von seinen Vasallen, damit das mit der Weltherrschaft auch ganz sicher wirklich klappt. Nur dass Jay Z hier nicht den „L-A-S-E-R-!“ präsentiert, sondern Tidal.

An großen Worten fehlt es dem neuesten Start-up unter den Musikstreamingdiensten nicht, an großen Namen noch weniger: Madonna, Daft Punk, Deadmau5, Rihanna, Beyoncé, Kanye West, Jack White, Coldplay; sie alle sind neben Jay Z., dem Großmogul des US-amerikanischen und damit weltweiten Popmusikbusiness, an Tidal beteiligt. Natürlich ergibt sich ein sehr kamerataugliches Bild, wenn solche Kaliber gemeinsam auf einer Bühne stehen, um ihr „artist-owned“ Unternehmen anzupreisen, das alles besser zu machen verspricht: Endlich übernähmen die Musiker selbst die Vorherrschaft im Musikbusiness, was schon deshalb gut sein müsse, weil die ja am besten wüssten, was Künstler wollten. Zum Beispiel, dass Musik endlich wieder gut klingt und dass Musiker endlich wieder anständig bezahlt werden.

Streamingdienste werden als alternativlose Zukunft des Geschäfts mit Musik gehandelt, der Markt ist seit einigen Jahren mächtig in Bewegung und entsprechend unübersichtlich – allerdings erst auf den zweiten Bick. Zuerst fällt immer nur ein Player ins Auge: Spotify. Die Schweden sind mit 15 Millionen zahlenden Kunden der welt-weite Marktführer. Dreimal so viele nutzen den Dienst kostenfrei und nehmen dafür eingeschränkte Funktionalität, schlechtere Qualität und Werbung in Kauf. Das passt zu all den Negativdiagnosen, mit denen Musikhörer im Digitalzeitalter seit jeher bedacht werden, Stichwort Kostenlosmentalität. Tidal macht jetzt die Probe aufs Exempel: Wer Hi-Fi-Qualität hören will, zahlt einfach das Doppelte. Klingt verrückt, ist aber gar nicht so doof. Schließlich ist Hi-Fi das angestammte Luxussegment der Musikbranche. In deren goldenen Zeiten war die richtige Stereoanlage ein unverzichtbares Statussymbol. Heute sind es die hochpreisigen Kopfhörer, mit denen man sich auf der Straße blicken lässt. Und vielleicht bald auch – so die Spekulation – der richtige Musiklieferant.

Und wer möchte nicht, dass Jay Z, Madonna und Rihanna endlich ein bisschen was verdienen? Also mal abgesehen von der Tatsache, dass sie ja diejenigen sind, die vom bisherigen System schon am meisten profitieren. Schließlich entfallen die gar nicht so unerheblichen Ausschüttungen gerade von Spotify vor allem aneben solche Megastars, bei denen dann die Masse den Kohl fett macht. Tidal soll für seine Besitzer jetzt eine Win-win-Situation herstellen: Wird mehr an Künstler ausgeschüttet oder wird mehr als Profit in-house verteilt – für sie ist immer mehr drin. Natürlich nur, wenn es genügend Fans gibt, die mitmachen. Und das ist der Haken: Bis jetzt arbeitet nicht ein einziger Musikstreamingdienst profitabel. Soll heißen, die Eigentümer zahlen drauf. Man fragt sich, ob Jay Z das seinen Mitstreitern vorher auch so erzählt hat.

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